Steinkohlenlied von Heinrich Seidel

Es rauschten Wälder gewaltig
In urvorweltlicher Zeit,
Vielfältig und riesengestaltig
Aufragend weit und breit.
Sie mussten versinken, versanden,
Begraben von stürmender Fluth!
Sie haben in steinernen Banden
Viel tausend Jahre geruht!
 
Sie ruhten zu Grabe getragen
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Ein Riesenherbarium,
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Und Schiefer und Sandstein lagen
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Zum Schutze rings herum.
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Eine Sammlung wunderprächtig
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Von allergewaltigster Art,
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Ein Wälder-Pompeji, mächtig,
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Ward es der Nachwelt bewahrt.
 
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Was längst versunkene Sonnen
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Gezeitigt und genährt,
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Des Lichtes versteinerter Bronnen
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Ruht drunten unversehrt.
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Es legte die Welt bei Zeiten
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Den Sonnenschatz bei Seit',
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Die Kosten zu bestreiten
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Von einer ärmeren Zeit.
 
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Nun wird auf's neu geboren
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Der Vorweltsonnenschein
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Kein Funke soll verloren,
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Kein Strahl vergebens sein!
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Den Sonnenschatz zu heben
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Ward unsere Zeit bestellt
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Er brauset als Licht und als Leben
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Wieder hinaus in die Welt!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.8 KB)

Details zum Gedicht „Steinkohlenlied“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
128
Entstehungsjahr
1842 - 1906
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Steinkohlenlied“ stammt vom deutschen Schriftsteller und Ingenieur Heinrich Seidel und datiert aus dem späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert, eine Zeit der industriellen Revolution und des technologischen Fortschritts.

Auf den ersten Blick fällt die alternierende Reimstruktur sowie der ritmische Fluss des Gedichts auf. Es scheint eine Geschichte der Transformation und Wiedergeburt zu erzählen, besetzt mit starken Bildern aus der Natur und der Welt der Wissenschaft und Industrie.

Das Gedicht behandelt den Prozess der Entstehung und Nutzung von Steinkohle, über Jahrtausende hinweg. Es erschafft dabei ein Bild der Energie, die in der Kohle eingeschlossen ist, als eine uralte Kraft aus vergangenen Zeiten. Das lyrische Ich möchte uns darauf aufmerksam machen, dass die Energie, die wir heute nutzen, das Produkt des Sonnenlichts ist, das vor Jahrmillionen die Erde erreichte und von Pflanzen aufgenommen wurde. Diese pflanzlichen Materialien wurden schließlich zu Kohle und dienen uns heute als Energiequelle.

Der Dichter verwendet reiche und lebendige Metaphern und Spielt mit der Kontrastwirkung, um den epischen Umfang des Prozesses zu betonen. In der ersten Strophe beschreibt Seidel einen mächtigen Wald, der dann aber verfallen und begraben wird. In der zweiten Strophe wird das Bild eines „Riesenherbariums“ verwendet, eine Sammlung pflanzlicher Materialien, die als Fossilien in der Erde eingeschlossen sind. Die Vorwelt, repräsentiert durch die untergegangenen Wälder, wird in der dritten Strophe als eine wertvolle Ressource beschrieben, die „bei Zeiten“ von der Erde eingespart wurde. Und in der vierten und letzten Strophe steigt das Sonnenlicht – nun in Form von Kohle getragen – wieder empor und strahlt erneut in die Welt hinein.

Die Form des Gedichts, bestehend aus vier Strophen mit jeweils acht Versen, ist sehr stringent und weist eine klare Struktur auf. Die Sprache, die Seidel wählt, ist malerisch und bildhaft, aber dennoch präzise. Die Wahl der Worte und die syntaktischen Strukturen vermitteln nicht nur den Inhalt, sondern spiegeln auch das enorme Ausmaß und die Bedeutung des beschriebenen Prozesses wider. Seidels „Steinkohlenlied“ ist somit nicht nur eine Hommage an die Kohle als Energiequelle, sondern bietet auch eine tiefe Reflexion über den Kreislauf des Lebens und den Lauf der Zeit.

Weitere Informationen

Heinrich Seidel ist der Autor des Gedichtes „Steinkohlenlied“. Im Jahr 1842 wurde Seidel in Perlin (Mecklenburg-Schwerin) geboren. Zwischen den Jahren 1858 und 1906 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne zugeordnet werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das 128 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Heinrich Seidel ist auch der Autor für Gedichte wie „Der Zug des Todes“, „Der Tod Moltkes“ und „Wälder im Walde“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Steinkohlenlied“ weitere 216 Gedichte vor.

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