Die Kohlensäcke von Heinrich Seidel
1 |
Wisset nur: Es sind die blanken Sterne |
2 |
Lauter wunderschöne Golddukaten, |
3 |
Kronen, halbe Kronen, Doppelkronen, |
4 |
Goldpistolen, Louisdors, Guineen, |
5 |
Imperials, Medjidis und Dublonen. |
6 |
Lauter liebe, schöne, runde, blanke, |
7 |
Goldne Münzen strahlen sie allnächtlich |
8 |
Auf des Himmels ungeheurem Zahltuch |
9 |
Wie zum Hohne derer, die nichts haben, |
10 |
Denen es nicht langt zum sauren Schöpplein |
11 |
Moselweines, die ihr heil'ges Dürsten |
12 |
Müssen schnöd' in Wasserfluth ertränken, |
13 |
Oder höchstens doch in schaalem Dünnbier. |
14 |
Eines möcht' ich und ich wünsch' es oftmals, |
15 |
Einmal möcht' ich auf der blanken Strasse, |
16 |
Welche ganz bepflastert ist mit Sternen, |
17 |
Mir zur Nachtzeit einen Sack voll sammeln. |
18 |
Ei, das würde schon bis an mein Ende |
19 |
Für manch' gutes Schöpplein Weines reichen. |
|
|
20 |
Fern im Süden hat vor langen Jahren |
21 |
Einmal einer sich hinauf geschlichen, |
22 |
Kohlensäcke nennt man jene düstern |
23 |
Schwarzen Flecken, wo er alle Sterne |
24 |
Eifrig weggesammelt bis zum letzten. |
25 |
Wenn ich nur den Weg zu finden wüsste: |
26 |
Neue Kohlensäcke wollt' ich machen |
27 |
Also mächtig, dass die Astronomen |
28 |
Sich des Todes drob verwundern sollten. |
Details zum Gedicht „Die Kohlensäcke“
Heinrich Seidel
2
28
160
1842 - 1906
Realismus,
Naturalismus,
Moderne
Gedicht-Analyse
„Die Kohlensäcke“ ist ein Gedicht von Heinrich Seidel, einem deutschen Ingenieur und Dichter, der von 1842 bis 1906 lebte. Seidel veröffentlichte eine Vielzahl lyrischer Werke und Erzählungen, die heute zu einem wichtigen Teil der deutschsprachigen Literatur des 19. Jahrhunderts gezählt werden.
Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht melancholisch und tiefgründig. Die ersten neunzehn Verse schildern den Nachthimmel als ein riesiges „Zahltuch“, auf dem Sterne als goldene Münzen strahlen. Diese Darstellung der Sterne könnte auf das Gefühl eines lyrischen Ichs hinweisen, welches sich danach sehnt, den materiellen Wohlstand zu erreichen, symbolisiert durch die goldenen Münzen. In Vers 9 bis 13 wird deutlich, dass das lyrische Ich arm ist und sich danach sehnt, genug Geld zu haben, um seinen Durst mit gutem Wein zu stillen, statt mit „schaalem Dünnbier“ oder Wasser. In den nächsten Versen äußert das lyrische Ich den Wunsch, Sterne sammeln zu können, um sie gegen Wein einzutauschen.
In der zweiten Strophe berichtet das lyrische Ich von einer Person, die einmal „im Süden“ Sterne sammelte und dabei dunkle Flecken am Himmel zurückließ. Diese Flecken werden als „Kohlensäcke“ bezeichnet. Das lyrische Ich äußert am Ende den Wunsch, diesen Weg zu finden, um „neue Kohlensäcke“ zu erschaffen und somit das Universum sowie die Astronomen zu verblüffen.
In Bezug auf Form und Sprache bedient sich Seidel verschiedener poetischer Mittel. Das lyrische Ich spricht in einer anschaulichen und bildhaften Sprache. Die Verwendung des Begriffs „Kohlensäcke“ für dunkle Flecken am Himmel ist beispielhaft für die Metaphorik, die in Seidels Lyrik genutzt wird. Darüber hinaus zeigt das Gedicht in seiner Reimstruktur und im Metrum einen organisierten Rhythmus und sorgt so für einen angenehmen Lesefluss. Versmaß und Reime schaffen eine strukturierte Gedichtform, die es Seidel ermöglichen, seine Botschaft klar zu vermitteln.
Kurz gesagt scheint „Die Kohlensäcke“ eine komplexe metaphorische Darstellung des Wunsches nach materiellem Wohlstand sowie ein kritischer Kommentar zu sozialer Ungleichheit zu sein. Es ist eine Reflexion über die Macht des Geldes und die Versuche der Menschen, sich durch materielle Güter zu bereichern, selbst auf Kosten der Schönheit des Universums.
Weitere Informationen
Heinrich Seidel ist der Autor des Gedichtes „Die Kohlensäcke“. 1842 wurde Seidel in Perlin (Mecklenburg-Schwerin) geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1858 bis 1906 entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne zuordnen. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das vorliegende Gedicht umfasst 160 Wörter. Es baut sich aus 2 Strophen auf und besteht aus 28 Versen. Weitere Werke des Dichters Heinrich Seidel sind „Die schönen Bäume“, „Meine Puppe kriegst du nicht!“ und „Hänschen auf der Jagd“. Zum Autor des Gedichtes „Die Kohlensäcke“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 216 Gedichte vor.
+ Mehr Informationen zum Autor / Gedicht einblenden.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Weitere Gedichte des Autors Heinrich Seidel (Infos zum Autor)
- Arbeit ist das Zauberwort
- Die schönen Bäume
- Meine Puppe kriegst du nicht!
- Hänschen auf der Jagd
- Die Gaben
- Der Luftballon
- April
- Die Musik der armen Leute
- Der Zug des Todes
- Der Tod Moltkes
Zum Autor Heinrich Seidel sind auf abi-pur.de 216 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
Freie Ausbildungsplätze in Deiner Region
besuche unsere Stellenbörse und finde mit uns Deinen Ausbildungsplatz
erfahre mehr und bewirb Dich direkt