Die Kinder im Schnee von Heinrich Seidel

Ein Winterabend still und kalt.
Drei Kinder wandern durch den Wald.
 
Sie gingen schon oft den Weg allein
Heut flimmert der Mond mit irrem Schein.
 
Der Pfad, der sonst so kurz nach Haus,
Heut mündet er nimmer zum Wald hinaus.
 
Die kleinen Beinchen schreiten voran.
Da ragt empor der finstre Tann.
 
Sie laufen zurück und hin und her
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Sie finden im Schnee den Weg nicht mehr.
 
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Es weinen die Kleinsten, wohl irrten sie weit,
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Kalt ist die Nacht, und Schlafenszeit!
 
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Sieh dort, unter Wurzeln ein trocknes Hohl,
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Da bettet das Schwesterchen Beide wohl.
 
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Trägt Moos und Laub zu ihrer Ruh
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Und deckt mit dem eignen Tüchlein sie zu.
 
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Die Nacht ist kalt, vom Mond erhellt,
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Es funkeln die Sterne am Himmelszelt.
 
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Man sie gesucht mit Rufen und Schrein,
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Man hat sie gefunden beim Morgenschein.
 
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Die beiden Kleinen, sie schlafen fest,
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Aneinandergeschmiegt im warmen Nest.
 
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Den Arm gerafft voll Laub und Moos,
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So fand man die andere bewegungslos.
 
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So lag sie im Schnee - die Wangen rot,
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Die hatte geküsst der eisige Tod.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26 KB)

Details zum Gedicht „Die Kinder im Schnee“

Anzahl Strophen
13
Anzahl Verse
26
Anzahl Wörter
172
Entstehungsjahr
1842 - 1906
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Kinder im Schnee“ wurde von Heinrich Seidel verfasst, der von 1842 bis 1906 lebte. Dies lässt uns das Werk spätestens in das 19. Jahrhundert einordnen, genauer gesagt in die Epoche des Realismus.

Auf den ersten Blick erweckt das Gedicht einen melancholischen, fast düsteren Eindruck. Es handelt von drei Kindern, die an einem kalten Winterabend durch den Wald wandern. Obwohl sie diesen Weg schon oft alleine gegangen sind, verirren sie sich dieses Mal, da der irre Schein des Mondes den Pfad verändert darstellt. Sie rennen umher, können aber im Schnee ihren Weg nicht mehr finden. Die kleinsten beiden sind erschöpft und weinen, da es schon Schlafenszeit ist. Die älteste Schwester findet einen trockenen Unterschlupf und bettet ihre Geschwister dort mit Moos und Laub. Sie deckt sie mit ihrem eigenen Tuch zu, bevor sie draußen im Schnee stirbt. Den nächsten Morgen werden die Kinder gefunden. Die beiden jüngeren schlafen noch tief und fest in ihrem warmen Nest, während die älteste Schwester „bewegungslos“ und mit „roten Wangen“ im Schnee liegt.

Das lyrische Ich möchte vermutlich auf die Bedeutung von Aufopferung und Selbstlosigkeit hinweisen. Die älteste Schwester gibt ihre eigene Sicherheit und letztendlich sogar ihr Leben auf, um ihre Geschwister in der kalten, gefährlichen Nacht zu schützen. Das Gedicht reflektiert darüber hinaus auch die Schönheit und Grausamkeit der Natur, die zugleich faszinierend und tödlich sein kann.

Die Form des Gedichtes ist sehr strukturiert, da alle Strophen aus zwei Versen bestehen. Diese Struktur spiegelt die Klarheit und Einfachheit des Inhalts wider. Die Sprache des Gedichts ist eher schlicht und beschreibend, mit einem Fokus auf die atmosphärischen Bedingungen und das Handeln der Kinder. Wiederkehrende Motive sind die Kälte, der Schnee und die Nacht, die das bedrohliche Szenario betonen. Gleichzeitig stehen die Sterne und der Mond für eine gewisse Schönheit und - im Falle der Sterne - Hoffnung. Die roten Wangen der Schwester symbolisieren gleichzeitig ihre Lebenskraft und ihren Tod, was einen tragischen Kontrast erzeugt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Die Kinder im Schnee“ ein bewegendes Gedicht ist, das tiefe Gefühle der Melancholie und des Mitgefühls hervorruft, während es zum Nachdenken über Themen wie Aufopferung, Verantwortung und die Doppelgesichtigkeit der Natur anregt.

Weitere Informationen

Heinrich Seidel ist der Autor des Gedichtes „Die Kinder im Schnee“. Geboren wurde Seidel im Jahr 1842 in Perlin (Mecklenburg-Schwerin). Im Zeitraum zwischen 1858 und 1906 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne zugeordnet werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das 172 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 26 Versen mit insgesamt 13 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Heinrich Seidel sind „Der Tod Moltkes“, „Wälder im Walde“ und „Die Schwalbe“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Kinder im Schnee“ weitere 216 Gedichte vor.

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Zum Autor Heinrich Seidel sind auf abi-pur.de 216 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.