Abseits von Heinrich Seidel
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Des Krieges Woge warf ihn aus, |
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Todtwund und fern vom Vaterhaus, |
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Und eh' sein Name ward Jemand kund, |
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Verschloss ihm der Tod für ewig den Mund. |
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Auf seiner durchschossenen Brust man fand |
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Eine Locke grau mit verblichenem Band, |
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Darauf eine Inschrift zeigte sich: |
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"Mein lieber Sohn, ich bete für dich!" |
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Ein Jüngling schön mit lockigem Haar |
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Man legte ihn auf die Todtenbahr. |
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Man trug ihn hinaus beim Abendschein |
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Es folgte das Volk in langen Reih'n. |
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Und als nun verstummte des Priesters Gebet, |
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Ein Murmeln durch die Menge geht, |
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Denn es tritt hervor in des Abends Gold |
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Zur Todtenbahr eine Jungfrau hold. |
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Und also spricht sie mit bebendem Mund: |
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"Ich hab' dich gepflegt in der letzten Stund' |
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"Es härmt um dich eine Mutter sich, |
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"Für deine Mutter küss ich dich!" |
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Die Sonne versinkt im Wolkenmeer, |
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Und tiefe Stille wird rings umher, |
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Dumpf poltert nieder der feuchte Sand |
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Gott tröste die Mutter im fernen Land! |
Details zum Gedicht „Abseits“
Heinrich Seidel
6
24
153
1842 - 1906
Realismus,
Naturalismus,
Moderne
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichts ist Heinrich Seidel, ein deutscher Ingenieur und Schriftsteller, der von 1842 bis 1906 lebte. Die zeitliche Einordnung des Gedichts ist das späte 19. Jahrhundert, eine Zeit, in der Kriege und Schlachten ein prägendes Thema in der europäischen Geschichte waren.
Das Gedicht „Abseits“ hinterlässt zunächst einen düsteren und traurigen Eindruck. Es erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der in einem Krieg tödlich verwundet wurde und fern von seinem Zuhause starb. Das lyrische Ich schildert, wie der junge Mann tot aufgefunden wurde, mit einer verblassten Locke und einer Botschaft seiner Mutter auf seiner Brust. Die Trauerprozession und Beerdigung des jungen Mannes wird beschrieben, einschließlich einer jungen Frau, die sich um ihn in seinen letzten Stunden gekümmert hatte und die ihn stellvertretend für seine Mutter küsst.
Das lyrische Ich möchte durch diese Erzählung die Grausamkeit des Krieges, die tragische Trennung von Familienmitgliedern und die anonyme Bestattung von Soldaten, die fern von ihrer Heimat fallen, zum Ausdruck bringen. Das Gedicht endet mit einer Bitte um tröstliche göttliche Intervention für die Mutter, die um ihren Sohn trauert.
Inhaltlich ist das Gedicht in sechs Vierzeilenstrophen gegliedert. Die einfache Sprache und prägnante Phrasierung des Gedichts tragen zur Klarheit der Erzählung und zur Stärkung ihrer emotionalen Wirkung bei. Der Gebrauch altertümlicher Ausdrücke wie „Todtwund“, „Todtenbahr“ oder „Wolkenmeer“ vermittelt dabei ein historisches Ambiente. Trotz des ernsten Themas ist die Sprache poetisch und bildlich, was durch die Verwendung symbolträchtiger Bilder wie der Locke mit der Botschaft der Mutter oder der untergehenden Sonne hervorgehoben wird. Insgesamt wird durch Form und Sprache des Gedichts eine düstere und melancholische Atmosphäre erzeugt, die die tragische Geschichte des gefallenen Soldaten und das Leid seiner Mutter unterstreicht.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Abseits“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Heinrich Seidel. Im Jahr 1842 wurde Seidel in Perlin (Mecklenburg-Schwerin) geboren. Zwischen den Jahren 1858 und 1906 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne zuordnen. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 153 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Heinrich Seidel sind „Der Zug des Todes“, „Der Tod Moltkes“ und „Wälder im Walde“. Zum Autor des Gedichtes „Abseits“ haben wir auf abi-pur.de weitere 216 Gedichte veröffentlicht.
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Zum Autor Heinrich Seidel sind auf abi-pur.de 216 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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