Der Vertraute von Heinrich Seidel
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Aller sehr verliebten Seelen |
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Sitte ist's, den Mond zu fragen. |
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Wenn sie sich in Sehnsucht quälen, |
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Soll vom fernen Lieb er sagen. |
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Neulich fragt ich ihn: " Du gutes, |
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Silberhelles Aug' der Nächte, |
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Sieh ich bin verlegnen Muthes, |
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Ob mein Lieb auch mein gedächte. |
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Sonst auf ihrem Kammerfenster |
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Sah ich oft dein mild Gefunkel, |
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Wenn, zur Stunde der Gespenster |
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Ich dort unten stand im Dunkel. |
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Meine ganze Liebe hast du |
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Damals, Mond, erschauen müssen; |
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Auch in jener Laube sahst du |
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All die rothen Küsse küssen. |
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Ach, du kennst ja die Geschichte. |
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Sprich nun, ist sie treu gewesen? |
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Lass aus deinem Angesichte |
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Freundlich mich die Antwort lesen." |
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Doch der runde Mond - bedächtig |
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Schaute er auf mich hernieder! |
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Und mir war, als wenn verdächtig |
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Zwinkten seine Augenlieder. |
Details zum Gedicht „Der Vertraute“
Heinrich Seidel
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125
1842 - 1906
Realismus,
Naturalismus,
Moderne
Gedicht-Analyse
Dieses Gedicht wurde im 19. Jahrhundert von dem deutschen Schriftsteller Heinrich Seidel verfasst. Seidel lebte von 1842 bis 1906 und ist damit zeitlich der Epoche des Realismus zuzuordnen.
Beim ersten Lesen des Gedichts „Der Vertraute“ wird schnell klar, dass das lyrische Ich von romantischen Gefühlen und Unsicherheiten geprägt ist. Im Mittelpunkt steht eine Situation, in der die Sehnsucht nach einer geliebten Person und die emotionale Abhängigkeit vom Verhalten dieser Person aufgezeigt werden.
Inhaltlich geht es darum, dass das lyrische Ich auf die Rückmeldung des Mondes wartet. Dieser wird als vertrauter Freund und Zeuge der vergangenen Erlebnisse und Gefühle des lyrischen Ichs dargestellt. Der Mond wird um Rat gefragt, ob die geliebte Person auch an das lyrische Ich gedacht hat. Die letzte Strophe schließt mit der interpretierbaren Antwort des Mondes ab, indem das lyrische Ich seine Augenlieder verdächtig zwinkern sieht.
Der Text wirkt durch seine melancholische Sprache und die Personifizierung des Mondes sehr poetisch und emotional. Formal gesehen handelt es sich hierbei um einen sechsstrophigen Text mit jeweils vier Versen pro Strophe. Der Sprachstil ist eher einfach und gut verständlich, was typisch für die Literatur der Realismus-Epoche ist. Diese zeichnete sich durch ihre Nähe zum Alltäglichen und ihre Vermeidung von abstrakten Ideen aus.
Die Intention des lyrischen Ichs scheint darin zu liegen, seinen Zustand der emotionalen Unsicherheit und Sehnsucht darzustellen und diesen durch den Dialog mit dem Mond zu lindern oder zu klären. Der Mond spielt in diesem Gedicht eine bedeutende Rolle, er fungiert als vertrauter Freund, als Zeuge des Geschehens und in einer gewissen Weise sogar als Ratgeber. Die notwendige Personifikation des Mondes trägt dazu bei, das Gedicht emotional zu bereichern und die starke Bindung zwischen dem lyrischen Ich und dem Mond zu unterstreichen.
Weitere Informationen
Heinrich Seidel ist der Autor des Gedichtes „Der Vertraute“. 1842 wurde Seidel in Perlin (Mecklenburg-Schwerin) geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1858 und 1906. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne zuordnen. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das 125 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Heinrich Seidel sind „Die schönen Bäume“, „Meine Puppe kriegst du nicht!“ und „Hänschen auf der Jagd“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Vertraute“ weitere 216 Gedichte vor.
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- Der Tod Moltkes
Zum Autor Heinrich Seidel sind auf abi-pur.de 216 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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