Die Wolken von Heinrich Seidel

Ich habe euch immer geliebt
Ihr Wolken des Himmels!
Gern wandre ich einsam
Auf weiter Heide,
Nachsinnend der Menschen Geschick
Und dem eignen Verhängniss,
Bei eurem Anblick.
Wechselnde Wolken.
Wie ihr euch wandelt.
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Ihr Wolken des Himmels,
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So wandeln sich ewig
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Der Menschen Geschicke
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Je nach des Glückes
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Launiger Sonne.
 
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Schimmernd und heiter
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Schwebt ihr in blauen
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Sonnigen Lüften
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Wie holde Gedanken
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Beseligter Liebe.
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Grau und trübe
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Verhüllt ihr der Sonne
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Belebenden Lichtglanz.
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Wie den umdüstern
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Die trostlosen Träume,
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Dem nichts geblieben
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Als einsame Thränen.
 
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Ihr sendet liebreich,
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Selber zerschmelzend,
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Befruchtenden Regen.
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aus des Schmerzes
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Vergehenden Spuren
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Spriessen geläutert
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Zu höherer Schönheit
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Des Menschengemüthes
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Herrlichste Blumen.
 
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Ihr Wolken des Himmels
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Heiter und rosig
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Strahlt ihr am Morgen.
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Und ach, so selten
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Bringt uns der Mittag
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Schöne Erfüllung.
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Doch nach der Stürme
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Grausigem Tosen
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Und nach des Regens
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Unsäglichen Fluthen
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Taucht euch des Abends
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Versinkende Sonne
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Schwindend noch einmal
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In rosigem Schein
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Hoffnungsvoll deutend,
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Dass hinter des Todes
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Dunklem Verhängniss
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Wohl noch ein schönerer
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Morgen uns blüht.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27 KB)

Details zum Gedicht „Die Wolken“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
54
Anzahl Wörter
166
Entstehungsjahr
1842 - 1906
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Die Wolken“ wurde von Heinrich Seidel, einem deutschen Ingenieur und Schriftsteller, verfasst, der im späten 19. Jahrhundert lebte. Entsprechend lässt sich das Werk in die Zeit des literarischen Realismus einordnen.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht nachdenklich und melancholisch. Es ist eine Art Dialog des lyrischen Ichs mit den Wolken des Himmels, die in verschiedensten Aspekten als Metapher für das Leben, das menschliche Schicksal und die Emotionen verwendet werden.

Inhaltlich gibt das lyrische Ich zu Beginn seine Zuneigung zu den Wolken preis und vergleicht ihr wechselhaftes Erscheinungsbild mit den sich ständig verändernden Schicksalen der Menschen. In der zweiten Strophe werden die Wolken weiterhin als Spiegelbild menschlicher Emotionen benutzt - ihre heiteren, sonnigen Phasen entsprechen glücklichen Gedanken, während ihre grauen, trüben Phasen Traurigkeit und Trostlosigkeit widerspiegeln. In der dritten Strophe rücken die Wolken in ihrer Funktion als Träger des belebenden Regens in den Fokus und werden mit Schmerz und Neuanfang assoziiert. In der letzten Strophe reflektiert das lyrische Ich über den Lauf des Tages und die Hoffnung, die sich trotz aller Herausforderungen immer wieder zeigt.

Die Form des Gedichts ist eher frei, mit Strophen unterschiedlicher Länge und ohne festes Reimschema. Die Sprache ist deutlich und direkt, mit sinnträchtigen Bildern, die den emotionalen Gehalt des Textes betonen. Dazu gehören Metaphern, aber auch Farb- und Lichtsymbole, die das Gedicht stimmungsreich und anschaulich gestalten.

Insgesamt vermittelt das Gedicht eine vorherrschende Stimmung der Melancholie, die jedoch durch Momente der Hoffnung und des Neubeginns gemildert wird. Es scheint, als zeige der Dichter mit den Wolken als Motiv den unausweichlichen Wandel des Lebens und die Fähigkeit des Menschen, sich immer wieder zu erneuern.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Die Wolken“ des Autors Heinrich Seidel. Geboren wurde Seidel im Jahr 1842 in Perlin (Mecklenburg-Schwerin). Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1858 und 1906. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne zugeordnet werden. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das vorliegende Gedicht umfasst 166 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 54 Versen. Die Gedichte „Die Musik der armen Leute“, „Der Zug des Todes“ und „Der Tod Moltkes“ sind weitere Werke des Autors Heinrich Seidel. Zum Autor des Gedichtes „Die Wolken“ haben wir auf abi-pur.de weitere 216 Gedichte veröffentlicht.

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