Modernes Liebeslied von Heinrich Seidel

Die Holde, die ich meine,
Die allerliebste kleine,
Wie sie mein Herz gefangen hält,
In Sehnen und Verlangen hält,
Ach keine Feder schreibt es aus,
Und malen kann's kein Maler!
Sie hat ein schuldenfreies Haus
Und hunderttausend Thaler!
 
Ach könnt' ich sie gewinnen,
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Die alle meine Sinnen
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Erfüllt wie goldner Sonnenschein,
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Wie wollt ich voller Wonnen sein
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Und selig bis zum letzten Hauch!
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Ach, könnt' ich sie erwerben!
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Sie hat 'nen reichen Onkel auch,
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Den wird sie einst beerben!
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Modernes Liebeslied“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
79
Entstehungsjahr
1842 - 1906
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Modernes Liebeslied“ stammt aus der Feder des deutschen Autors Heinrich Seidel, der von 1842 bis 1906 gelebt hat. Damit lässt es sich in die Epoche des Realismus einordnen.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht wie eine traditionelle Liebeserklärung. Das lyrische Ich schwärmt von der Geliebten, allerdings folgt auf diese romantische Verzückung stets die Erwähnung materieller Aspekte, was den Gesamteindruck deutlich verändert.

Inhaltlich teilt das lyrische Ich seine Leidenschaft für eine Frau mit dem Leser, welche es in höchsten Tönen lobt und wie sie sein Herz gefangen nimmt (Verse 1 bis 4). Doch es reicht keine Feder aus, diese Liebe zu beschreiben (Vers 5) - ein Hinweis auf die enorme Intensität der Gefühle. Unerwartet folgt dann der Hinweis auf ihren materiellen Besitz - ein schuldenfreies Haus und hunderttausend Thaler (Verse 7 und 8).

In der zweiten Strophe schwärmt das lyrische Ich weiter von seiner Liebe und der Freude, die er hätte, könnte er sie gewinnen (Verse 9 bis 14). Letztendlich jedoch scheinen all diese Leidenschaften und Gefühle von der Aussicht auf den materiellen Gewinn überschattet zu werden - sie hat einen reichen Onkel, den sie erben wird (Verse 15 und 16).

Mit dieser überraschenden Wendung hinterfragt Seidel die Motive der Liebe und Kritik an der bürgerlichen Klassen, die zur damaligen Zeit vor allem auf Reichtum und Status Wert legten.

In seiner Form besteht das Gedicht aus zwei Oktetten, also zwei Strophen mit jeweils acht Versen. Die Sprache ist relativ einfach und zugänglich, mit wenigen metaphorischen Elementen. Die Verwendung wiederkehrender Strukturen und intuitiver Reime schaffen eine eher scherzhafte Stimmung, was den ironischen Unterton des Gedichts unterstützt.

Alles in allem verwendet Heinrich Seidel in „Modernes Liebeslied“ klassische Liebeslyrik, um dieIronie der romantischen Liebe in der bürgerlichen Gesellschaft hervorzuheben. Es ist ein ausgezeichnetes Beispiel für die Art von kritischem Humor, der für Seidels Arbeiten charakteristisch ist.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Modernes Liebeslied“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Heinrich Seidel. Der Autor Heinrich Seidel wurde 1842 in Perlin (Mecklenburg-Schwerin) geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1858 bis 1906 entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne zugeordnet werden. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das 79 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 16 Versen mit insgesamt 2 Strophen. Heinrich Seidel ist auch der Autor für Gedichte wie „Der Zug des Todes“, „Der Tod Moltkes“ und „Wälder im Walde“. Zum Autor des Gedichtes „Modernes Liebeslied“ haben wir auf abi-pur.de weitere 216 Gedichte veröffentlicht.

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