Der beste Wein von Heinrich Seidel
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Es sassen gar treffliche Männer |
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Im kühlen Keller beim Wein. |
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Sie hielten sich alle für Kenner |
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Und schenkten vom Besten sich ein |
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Sie zählten nicht mehr zu den Jungen, |
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Sie leerten schon manches Fass, |
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Und über gebildete Zungen |
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Floss wohlig das köstliche Nass. |
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Da trank von den Männern der eine |
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Und sprach mit lyrischem Schwung: |
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"Ich schätze den Wein vom Rheine |
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Als den allerköstlichsten Trunk!" |
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Drauf sagte der zweite bescheiden; |
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"Ein Jeder liebt, was ihm gefällt |
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Ich mag Chateau d'Yquem leiden, |
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Der Wein ist der beste der Welt!" |
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"Mein Herz macht fröhlicher klopfen," |
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So rief nun der dritte mit Schall, |
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"So mancher köstliche Tropfen |
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Aus Spanien und Portugall!" |
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Dann brummte schon wieder ein Neuer: |
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"Dem widerspreche ich doch! |
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Des Kapweins köstliches Feuer |
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Das schätz' ich vor Allem hoch!" |
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"Wie bist du doch tief gesunken," |
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So sprach nun der fünfte mit Hohn, |
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"Hast du denn schon Asti getrunken |
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Und Lacrimae Christi, mein Sohn?!" |
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Doch rief Schon Numero Sechse: |
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"Mir ist noch was Beseres bekannt, |
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Das allerschönste Gewächse: |
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Tokajer im Ungarland.« |
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Es sass noch ein siebter im Dunkel, |
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Der cyprischen Wein sieh erkor |
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Nur seiner Nase Karfunkel |
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Strahlte dort lieblich hervor. |
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Der sprach: "Was seid ihr für Männer, |
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Ihr wisst ja nicht, was ihr thut, |
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Ein wahrhaft vortrefflicher Kenner |
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Schätzt jeglichen Wein, wenn er gut!" |
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"Aus jeder vortrefflichen Lage, |
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Woher man ihn immer erhält, |
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Trinkt er ihn bei Nacht und bei Tage |
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Und jauchzt: "Wie reich ist die Welt!" |
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Er trinkt ihn dem Schöpfer zum Ruhme, |
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Der also mit weisem Bedacht |
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Des Weines köstliche Blume |
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So herrlich verschieden gemacht! |
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Am Montag Asti spumante, |
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Am Dienstag sodann Santorin, |
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Des Mittwochs Alicante, |
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am Donnerstag Zwarten Wyn, |
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Am Freitag vorn Ruster Wehte, |
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Sonnabends Burgunderblut |
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Und Sonntags den besten vom Rheine, |
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So, find ich, macht es sich gut!" |
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Da heben sie alle die Becher, |
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Ein Jeder mit anderem Trank, |
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Da riefen die fröhlichen Zecher |
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Mit mächtigem Jubelklang: |
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Wir tappten doch alle im Dunkel |
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Im Dämmer auf düsterem Pfad! |
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Hoch lebe der edle Karfunkel, |
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Der uns erleuchtet hat!' |
Details zum Gedicht „Der beste Wein“
Heinrich Seidel
8
64
332
1842 - 1906
Realismus,
Naturalismus,
Moderne
Gedicht-Analyse
Zunächst handelt es sich bei dem Gedicht „Der beste Wein“ um ein Werk von Heinrich Seidel, welcher in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebte und somit in die Epoche des Realismus einzuordnen ist.
Auf den ersten Blick erscheint das Gedicht als eine fröhliche Narrative von Weinliebhabern und Kritikern und gibt Einblicke in deren Gespräche und Diskussionen. Shakespeares sprichwörtliches „guter Wein braucht kein Kränzchen“ könnte hier in Betracht gezogen werden, da die Weinliebhaber danach streben, den besten Wein zu identifizieren und zu loben.
Inhaltlich berichtet das lyrische Ich von einer Zusammenkunft mehrerer Männer, die sich alle als Weinkenner verstehen. Jeder hat seine eigene Vorliebe für einen bestimmten Wein und versucht, seine Wahl als die beste darzustellen. Dann gibt der siebte Mann, der im Dunkeln sitzt, einen weisen Rat: Ein wahrer Kenner von Wein schätzt jeden Wein, solange er gut ist - egal woher er kommt. Bei Nacht und Tag kann er den Wein genießen und die Vielfalt loben, die die Welt zu bieten hat.
Die Sprache des Gedichts ist schlicht und unkompliziert, wodurch der Fokus auf die Botschaft des Textes gelenkt wird. Die Verse sind gleichmäßig verteilt und jede Strophe hat acht Zeilen. Die Form des Gedichts folgt also einem klaren Muster, was die einfache und enthusiastische Weinunterhaltung zwischen den Männern unterstreicht.
Insgesamt kann das Gedicht „Der beste Wein“ als eine Ode an die Vielfalt und Qualität von Wein interpretiert werden. Es betont die Individualität des Geschmacks und die Freude, die der Genuss von Wein - unabhängig von seiner Herkunft - bereiten kann. Der wahre Kenner kann die Einzigartigkeit jedes Weines wertschätzen und so die Geschmacksvielfalt der Welt feiern.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der beste Wein“ des Autors Heinrich Seidel. Seidel wurde im Jahr 1842 in Perlin (Mecklenburg-Schwerin) geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1858 und 1906. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne zugeordnet werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das vorliegende Gedicht umfasst 332 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 64 Versen. Weitere Werke des Dichters Heinrich Seidel sind „Hänschen auf der Jagd“, „Die Gaben“ und „Der Luftballon“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der beste Wein“ weitere 216 Gedichte vor.
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- Der Tod Moltkes
Zum Autor Heinrich Seidel sind auf abi-pur.de 216 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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