Barbaren von Erich Mühsam

Sie streiten, wer Barbar sei unter ihnen,
und zum Beweise, daß stets nur die andern
vor aller Nachwelt solchen Ruf verdienen,
verwüsten sie mit schrecklichen Maschinen
Galipoli, Galizien, Serbien, Flandern,
Woldhynien und das Land der Beduinen.
 
Das Blut gerinnt. Es häufen sich die Leichen
im Elsaß, in Tirol, in Frankreich, Polen.
Auf hoher See und in den Tropenreichen
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ist Kampfgetöse, Mord, ist Sieg und Weichen.
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Es wird gebrannt, geschändet und gestohlen,
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und über Trümmern ragen Ruhmeszeichen.
 
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Aus Wolken fetzt der Mord, vom Meeresgrunde,
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und Kinder müssen sterben, Frauen, Greise.
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Den Hunger ruft man sich, die Pest zum Bunde.
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Der Mutter Träne und die Todeswunde
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erhabnen Planes zu der Menschheit Preise
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gibt von der Heldenzeit Europas Kunde.
 
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Und jubelnd töten sie für ihren Zaren,
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für ihren Kaiser, König, Präsidenten;
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und starke Männer sinken hin in Scharen
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und wissen, daß sie tapfere Streiter waren. –
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Blut tropft und Jammer von den Firmamenten.
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Und jeder schmäht die andern als Barbaren.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Barbaren“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
156
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Barbaren“ wurde von Erich Mühsam verfasst, einem deutschen Schriftsteller, Dramatiker und revolutionären Anarchisten, der von 1878 bis 1934 lebte. Mühsam ist bekannt für sein intensives politisches Engagement und seine leidenschaftlichen Aufrufe zur Gerechtigkeit und Freiheit. Dieses Gedicht gehört zu Mühsams politischen Gedichten, wobei es schwierig ist, eine genaue zeitliche Einordnung vorzunehmen, es scheint jedoch auf die Zeit des Ersten Weltkriegs oder kurz danach anzuspielen.

Auf den ersten Blick ist das Gedicht düster und erzeugt eine Atmosphäre von Verzweiflung und Zerstörung. Es wird der Inhumane Aspekt des Krieges betont und kritisiert.

Im Gedicht erzählt das lyrische Ich von den Schrecken des Krieges, die über verschiedene Orte in Europa hereinbrechen. Es zeichnet ein Bild eines sinnlosen, zerstörerischen Konflikts, in dem die Kämpfer nicht einmal mehr wissen, wer eigentlich der Barbar ist - sie alle sind Teil der Verwüstung und des Tötens. Es wird deutlich gemacht, dass alle Seiten glauben, im Recht zu sein, und die Gegner als Barbaren darstellen. Dabei offenbart das lyrische Ich die Ironie und Tragödie dieser Haltung, weil jeder Teilnehmer an dem Konflikt letztendlich dazu beiträgt, Zivilisten und unschuldige Menschen zu schädigen.

In Bezug auf Form und Sprache folgt das Gedicht einem strengen Muster. Es besteht aus vier Strophen mit je sechs Versen. Erich Mühsam verwendet eine klare, ausdrucksstarke Sprache, um die Grausamkeit und Zerstörung des Krieges zu vermitteln. Er nutzt eine Vielzahl von Bildern, um die drastischen Auswirkungen des Krieges auf Mensch und Natur zu schildern. Begriffe wie „Blut“, „Leichen“, „Mord“, „Tod“, Stehen synonym für den Krieg und bauen eine Atmosphäre der Tragik und Verzweiflung auf.

Insgesamt ist das Gedicht „Barbaren“ ein starkes Plädoyer gegen den Krieg und seine verheerenden Auswirkungen. Es konfrontiert den Leser mit der harten Realität des Krieges und fordert dazu auf, die Logik und die Behauptungen von erhobener moralischer Überlegenheit, die oft mit Kriegsverwicklungen einhergehen, in Frage zu stellen. Es ist eine Kritik an der Entmenschlichung des Gegners im Krieg, die es erlaubt, Grausamkeiten zu begehen und gleichzeitig die eigene moralische Überlegenheit aufrecht zu erhalten.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Barbaren“ des Autors Erich Mühsam. Im Jahr 1878 wurde Mühsam in Berlin geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1920 zurück. Der Erscheinungsort ist München. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Expressionismus zugeordnet werden. Mühsam ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 156 Worte. Erich Mühsam ist auch der Autor für Gedichte wie „Das Neue Deutschland“, „Der Anarchisterich“ und „Der Mahner“. Zum Autor des Gedichtes „Barbaren“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 57 Gedichte vor.

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