Der Anarchisterich von Erich Mühsam

War einst ein Anarchisterich,
der hatt’ den Attentatterich.
Er schmiss mit Bomben um sich rum;
es knallte nur so: bum bum bum.
Einst kam der Anarchisterich
an einen Schlosshof fürstelich,
und unter’m Rock verborgen fein
trug er ein Bombombombelein.
 
Nach haus kam Serenissimus,
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sprach: Omnia nos wissimus,
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und sprach viel weise Worte noch,
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dass alles rings nach Weisheit roch.
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Jedoch der Anarchisterich
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mit seiner Bombe seitwärts schlich
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und schmiss sie Serenissimo
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unter den Rokkokopopo.
 
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Und rings war alles bass entsetzt,
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Durchlaucht hat sich vor Schreck gesetzt,
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indes der Anarchisterich
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durch eine Seitenthür entwich.
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Nur einer sprang beherzt herbei,
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zu helfen, was zu helfen sei.
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Doch sprach er bleich: Volk höre nur,
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’s ist ’ne Bomb – onniére nur.
 
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Rings aber lag man auf dem Knie
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und heulte, jammerte und schrie
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und betete: Du lieber Gott,
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schlag’ doch die Anarchisten tot!
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Drum merk dir, Anarchisterich,
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heil’ dich vom Attentatterich.
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Kommst du zum Hofe fürstelich,
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geht’s fürder dir für-fürchterlich.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.9 KB)

Details zum Gedicht „Der Anarchisterich“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
158
Entstehungsjahr
1906
Epoche
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Anarchisterich“ stammt von dem deutsch-jüdischen Dichter Erich Mühsam. Er wurde am 6. April 1878 geboren und starb am 10. Juli 1934. Mühsam war Anarchist und Pazifist und auch als Journalist und Kabarettist tätig. Die meisten seiner Werke entstanden in der Zeit vor und während der Weimarer Republik und widerspiegeln oft seine politischen Überzeugungen und seine Opposition gegen das herrschende System.

Beim ersten Lesen des Gedichts vermittelt es einen leichten und humorigen Ton, was durch die komische Wortwahl und den verspielt-rhythmischen Versmaß unterstützt wird. Das Gedicht besteht aus vier Strophen mit jeweils acht Versen und erzählt eine Geschichte, die wie ein komischer Streich oder eine Farce anmutet.

Das Gedicht handelt von einem anarchistischen Charakter, dem „Anarchisterich“, der Bomben auf royalen Höfen wirft. Mühsam erzählt seine Geschichte in einer sehr bildhaften Sprache und lässt die Bombenexplosionen fast wie ein Feuerwerk erscheinen. Allerdings hat der Anarchisterich Schwierigkeiten und wird letztlich dazu aufgefordert, sich von seinen subversiven Taktiken zu lösen, bevor ihm etwas Schlimmes passiert.

Obwohl das Gedicht leicht und komisch wirkt, enthält es tiefere politische Kommentare. Man kann es als Kritik am politischen Status quo und als Aufruf zur Revolution interpretieren, wobei der Humor als Mittel zur Verbreitung von Mühsams anarchistischen Ideen dient. Dabei stellt das lyrische Ich den Anarchisten als gewalttätigen Aktivisten dar, während die königliche und höhere Klasse als absurd und ohne wirkliche Macht dargestellt wird. Dahingegen wird aber auch auf die möglichen Konsequenzen solcher Aktionen hingewiesen, um vielleicht eine Reflektion anzuregen, ob die verwendeten Mittel tatsächlich zum gewünschten Ziel führen können.

In Bezug auf Form und Sprache nutzt Mühsam einen klaren und einfachen Stil, der die Handlung verständlich macht und zur humorvollen Stimmung des Gedichts beiträgt. Das Gedicht folgt einem sauberen Reimschema (aabb), was zum humorvollen, fast kinderlied-ähnlichen Ton beiträgt. Die Wortneuschöpfungen wie „Anarchisterich“ oder „Attentatterich“ geben dem Gedicht einen skurrilen und humoristischen Charakter und lassen es dennoch kritisch erscheinen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass „Der Anarchisterich“ ein humorvolles und zugleich politisch aufgeladenes Gedicht ist, welches die politischen Ansichten von Erich Mühsam hinsichtlich Herrschaft und Anarchie wiederspiegelt. Es benutzt Humor und Satire als Mittel zur gesellschaftlichen Kritik und vermittelt auf diese Weise ernsthafte Botschaften in einem leicht zugänglichen Format.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der Anarchisterich“ des Autors Erich Mühsam. Im Jahr 1878 wurde Mühsam in Berlin geboren. Im Jahr 1906 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Berlin. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Expressionismus zuordnen. Mühsam ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 158 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Weitere Werke des Dichters Erich Mühsam sind „Betäubung“, „Das Beispiel lebt“ und „Das Volk der Denker“. Zum Autor des Gedichtes „Der Anarchisterich“ haben wir auf abi-pur.de weitere 57 Gedichte veröffentlicht.

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