Frühkonzert im Mai von Heinrich Seidel

Die Lerche steigt am Morgen
Noch vor der Sonne auf
In Dämmerschein verborgen
Schwebt singend sie hinauf.
Sie badet ihr Gefieder
Im ersten Morgenstrahl
Und stürzt sich jauchzend nieder
Ins grüne Wiesenthal.
 
Was hat der Fink zu schlagen
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Auf seinem grünen Ast?
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Er hat nicht viel zu sagen,
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Doch sagt er's ohne Rast
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Die Schwalbe gar im Fluge
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Singt hell ihr krauses Lied.
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Dieweil der Staar, der kluge,
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Die Silbertöne zieht.
 
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Die Nachtigall im Flieder
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Sang schon die ganze Nacht,
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Nun jauchzet sie schon wieder,
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Da kaum der Tag erwacht.
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Wie drängt in Frühlingstagen
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Sich Liebe, Lust und Leid
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Es ist nicht auszusagen
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In dieser kurzen Zeit!
 
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In jungen Blüthenzweigen
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Da rieseln fröhlich hin
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Wie Pfeifen und wie Geigen
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Grasmücken-Melodien.
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Es tönt vom Erlenhage
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Mit weichem Flötenklang
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Wie eine sanfte Frage
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Des Fitis holder Sang.
 
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Es jauchzt von allen Ästen,
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Aus jedem Busch hervor
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Klingt manches nicht zum besten,
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Es macht sich doch im Chor.
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Denn horch nur - welch ein Schwätzen
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Im Schilfrohr, welch Geknarr
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Halb klingt's wie Sichelwetzen
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Und halb wie Froschgequarr!
 
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Es brüllt im Sumpf die Dommel
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Von Frühlingslust erfasst,
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Der Specht rührt seine Trommel
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Auf einem dürren Ast.
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Der Storch im Wiesengrunde
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Will auch nicht müssig sein,
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Als dritter nun im Bunde
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Fällt er mit Klappern ein.
 
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Dem frühlingstrunknen Ohre
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Erscheint auch dieses schön
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Zu einem frohen Chore
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Schwillt all dies Lustgetön,
53 
Und seine Klänge schweben
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Empor zum Himmelszelt!
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"Wie herrlich ist das Leben
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Auf dieser schönen Welt!"
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.5 KB)

Details zum Gedicht „Frühkonzert im Mai“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
56
Anzahl Wörter
242
Entstehungsjahr
1842 - 1906
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Frühkonzert im Mai“ wurde von Heinrich Seidel verfasst, der zwischen 1842 und 1906 lebte, was das Werk in die Epoche des Biedermeier einordnet. Die Periode des Biedermeier ist bekannt für ihre Schönfärberei und das Streben nach häuslicher Glückseligkeit, was sich auch im ersten Eindruck des Gedichts widerspiegelt: Es scheint, als ob Seidel die Schönheit und Fröhlichkeit der Natur an einem Frühlingsmorgen einfangen möchte.

Auf inhaltlicher Ebene handelt das Gedicht von einer Vielzahl an Vögeln, die zu verschiedenen Zeiten im Morgengrauen ihre Lieder anstimmen und sich in der Natur tummeln. Die Lerche, die im ersten Abschnitt erwähnt wird, steht für das lyrische Ich auf und beginnt zu singen, bevor die Sonne aufgeht. Weitere Vögel wie der Fink, die Schwalbe, die Nachtigall, die Grasmücke und der Fitis haben jeweils ihr eigenes Lied und tragen damit zum gesamten „Frühkonzert“ bei. Auch andere Tiere, wie Frösche und der Specht, werden erwähnt, was das Gedicht zu einem wahren Naturschauspiel macht.

Formal besteht das Gedicht aus sieben gleich strukturierten Strophen mit jeweils acht Versen. Durch diese stetige Struktur kreiert der Autor einen harmonischen Rhythmus, der dem Gesangsmotiv des Gedichtes entspricht. Dies wird auch in der Sprache widergespiegelt, die trotz ihrer Einfachheit ein malerisches, lebendiges Bild der Landschaft und ihrer Bewohner zeichnet.

Die Botschaft des lyrischen Ichs scheint eine ansteckende Freude für die Schönheit des Frühlings und das Aufwachen des Lebens zu sein, eine Anerkennung der Freuden des Lebens und der Schönheit der Welt, die wir mit anderen Geschöpfen teilen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Gedicht eine Liebeserklärung an die Natur und die Frühlingszeit ist. Die Fülle und Vielfältigkeit der Tiergeräusche, die Seidel beschreibt, erzeugt eine fast schon sinfonische Qualität und betont die Harmonie und das Erwachen des Lebens während einer Frühlingsmorgenstimmung.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Frühkonzert im Mai“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Heinrich Seidel. Der Autor Heinrich Seidel wurde 1842 in Perlin (Mecklenburg-Schwerin) geboren. Zwischen den Jahren 1858 und 1906 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne zugeordnet werden. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das vorliegende Gedicht umfasst 242 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 56 Versen. Weitere Werke des Dichters Heinrich Seidel sind „Der Luftballon“, „April“ und „Die Musik der armen Leute“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Frühkonzert im Mai“ weitere 216 Gedichte vor.

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