Das Eisfest von Heinrich Seidel
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Ein Wintersonntagnachmittag am Meer. |
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Des Nordens schneidend strenger Hauch, der weit |
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Die See zur Spiegelfläche umgewandelt, |
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Zeigt milder sich in seinem Regiment, |
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Bezwungen scheinbar von der Sonne Licht, |
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Die von des nebelblauen Himmels Rund |
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Die schrägen winterlichen Strahlen sendet. |
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So einsam liegt die kleine Nordseestadt; |
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Die Strassen leer, der Marktplatz öd' und still |
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Denn Alle, Jung und Alt, so Mann als Weib |
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Zur Eislust zogen an die See hinaus. |
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Wettlaufen gab es heut, ein Schlittschuhfest, |
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Ein stählern frisches nordisches Vergnügen; |
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Nur wer zu alt und krank, blieb heut zu Haus. |
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Dort auf dem Dünenhügel, nah am Strand |
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Im Fischerhaus, das hoch dort und allein |
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Hinschaut auf's Meer, blieb einsam auch zurück |
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Ein altes Mütterlein gelähmt und schwach. |
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Doch steht ihr Bett an's Fenster hingerückt,' |
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Dass sich ihr Auge an dem Jubel weide. |
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Sie blickt hinaus, wo ferne, weit vom Strand |
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Es freudig wühlt auf spiegelglattem Platt, |
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Wie's dort sich drängt, wo gastlich heller Rauch |
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Den immer neu gefüllten Punschnapf kündet. |
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Und dort, wie dicht, um's tragbare Theater, |
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Wo Kasperle die alten, ewig neuen |
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Nie ausbelachten Spässe treibt, und dort, |
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Wo würd'ge Bürger, wohlgewiegte Kenner, |
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Der Jugend Schlittschuhkünste kritisiren. |
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Und rings umher um dichteres Gedränge, |
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Unruhig wirrt und schwirrt es ab und zu |
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Und dehnt sich aus und breitet sich in's Weite, |
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Bis dann am Horizont in blauem Dümmer |
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Wie dunkle Punkte noch die fernsten irren. |
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Sie schaut und sinnt und denkt an alte Zeit, |
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An längst versunkne Winterlust zurück. |
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Es war einmal ein Wintertag wie heut, |
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Und sie war jung, und all die bunte Lust |
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War noch ihr eigen - das war schöne Zeit. |
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Der junge Schiffer, der von langer Fahrt |
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Zurückgekehrt - drei Jahre war er fort |
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In Indien und China und so braun |
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Von fremder Sonne glühendheissem Brand |
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Im Schlitten fuhr er sie - er bat so sehr. |
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Der sprach so Mancherlei - das klang so fremd |
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Und doch gefiel es ihr. Sie wusste nichts, |
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Was ihr bis jetzt so sehr gefallen hätte. |
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Dann kam er öfter in des Winters Lauf, |
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Am Abend, wenn man von der Arbeit ruht. |
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Sie sassen dann um's Feuer mit den Alten |
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Und sprachen hin und her so allerlei, |
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Von fremden Ländern, wie es seltsam dort |
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Und anders ist. Der wusste zu erzählen: |
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Von der Chinesen schlitzgeäugtem Volk, |
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Vom braunen Indier, der am Ganges wohnt, |
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Von Sturm und Schiffbruch, - wie des Seemanns Loos |
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Ihn hin und herwirft wie der Wind die Welle. |
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Und jedesmal bracht' er ein seltsam Stück, |
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Ein bunt chinesisch Tuch, ein Götzenbild, |
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Ein farbig Schneckenhaus - und schenkt es ihr. |
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Und eines Tags, da es zum Frühling ging |
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Und seine bunten Schätze all' geschwunden, |
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Bracht' er ein einfach golden Ringlein mit, |
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Und sie ward seine Braut - und als er dann |
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Im Herbste endlich wieder heimgekehrt, |
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Da zogen sie selband in's Dünenhaus. |
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Ja, ja - so geht in Lust und Leid die Zeit. |
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Jetzt ruht er dort im Städtchen bei der Kirche, |
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Die Kinder sind schon gross und fortgezogen, |
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Und nur ein frühverwaistes Enkelkind |
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Blieb ihr zur Pflege in dem Haus zurück. |
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Sie sinnt und träumt und schauet in die Ferne, |
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Zum Horizont, wo sich im Winterduft |
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Die ungeheure Fläche still verliert. |
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Da plötzlich zuckt sie - blicket starr hinaus! |
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Sie zittert - krampft sich an des Bettes Rand: |
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Das Wölkchen dort, das sich am Horizont |
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In weisslich grauem Schein wie Nebelduft |
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Unheimlich still und schnell zusammendichtet |
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Und wächst und aufrückt an des Himmels Rund, |
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Die Wetterwolke ist's, sie deutet Sturm! |
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Es täuscht sich nicht des Seemanns kund'ges Weib, |
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Sie weiss des Himmels Wolkenschrift zu lesen |
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Und diese deutet Sturm! Nur kurze Zeit, |
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Und des Orkanes riesenhafte Macht |
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Wühlt auf das Meer, wo es das Eis nicht bändigt |
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Und bricht und wüthet fort und fort, |
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Und eh' sie nur, die arglos hier vertraun, |
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Das Unheil ahnen, stürmt es schon herein |
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Und Alle, Alle müssen untergehn. |
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Sie ruft, sie schreit, sie will das Fenster öffnen! |
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Umsonst! der Frost hält es versperrt! Sie schlägt |
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Die Scheiben ein und schreit hinaus! Umsonst! |
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Ihr dünner Ruf versinkt im Meer der Luft |
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Wie eine Flocke! Gott, was soll ich thun?! |
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Die Wolke! Keine Stunde mehr! O Gott, |
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Hilf du doch, dass nicht Alle untergehn! |
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Sie schaut auf Rettung hastend wild umher, |
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Sie findet nichts! - Da fällt ihr Blick |
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Zum flammenden Kamin. Ein Flammenschein |
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Des Jubels zuckt durch ihr Gesicht. "Herr Gott, |
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Ich danke dir! Du gabst mir den Gedanken!" |
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Sie richtet auf den vielgequälten Leib |
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Und, ob's wie scharfe Schwerter ihr Gebein |
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Durchzuckt, sie schleppt sich aus dem Bett hervor |
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Das Bettstroh reisst sie aus und streut's umher. |
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Dort in den alten Schrank, ein angeerbtes Stück, |
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Ein schön geschnitztes, nussbaumbraun Geräth, |
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Daran Erinnrung um Erinnrung ist geknüpft, |
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Daran ihr Herz seit ihrer Jugend hängt, |
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Stopft hastig sie das Stroh, und zum Kamin |
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Mit tausend Qualen kriecht sie mühsam hin |
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Und reisst den besten Feuerbrand hervor |
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Und zündet hier und zündet dort und bläst: |
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Hei, wie es flackert! Und nicht eher kriecht |
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Sie hin zur Thür, bis Alles flammt und glüht.. |
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Sie bricht zusammen nun - sie rafft sich auf |
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Der Rauch erstickt sie fast - doch jetzt die Thür! |
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Und nun mit Brausen saust der Zug der Luft |
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Durch Thür und offnes Fenster in die Flamme. |
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Und mühsam schleppt die Kranke sich vor's Haus, |
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Zusammensinkend bei dem alten Stein, |
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Wo sie so oft in schöner Sommerzeit |
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In stiller Abenddämmrung sonst gesessen. |
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Hei, wie's von Ferne fröhlich summt und braust: |
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Sie ruft und winkt. - Man hört und sieht es nicht, |
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Sie schaut zurück und bebt. Nur dünner Rauch |
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Geht sparsam durch die Fensterscheiben aus |
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Und scheint allmälig gänzlich zu verschwinden! |
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Da, endlich bricht es schwer und dicht hervor! |
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Aus Thür und Fenster wälzt sich schwarzer Rauch, |
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Die Flamme leckt mit rother Zunge nach, |
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Und nun, wie eine Säule in die Luft |
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Gewaltig steigt das Warnungszeichen auf |
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"Herr Gott, ich danke dir - es brennt, es brennt!" |
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So ruft sie aus - ohnmächtig sinkt sie hin. |
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Wie wenn ein Bienenvolk zur Sommerszeit |
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Zum Schwärmen dicht gedrängt sich summend fügt, |
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So läuft das Volk, das ,noch in bunter Lust |
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Verloren eben harmlos sich vergnügte, |
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Zusammen im Gewirr und starrt und staunt. |
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Und dann, wie aufgeschreckter Staare Flug |
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In dunklem Schwarm mit brausendem Getön |
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Strebt Alles unter Rufen, Fragen, Schreien, |
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In wild bewegter Hast dem Lande zu, |
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Und hastig naht der letzte dunkle Punkt: |
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Sie kommen Alle - keiner bleibt zurück. |
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Hinan zum Hügel stürmen schon die Einen: |
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Sie stehn und sehn dort oben. Keine Rettung! |
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Schon sank das Dach und Flammen überall. |
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"Hier liegt die Frau!" ruft Einer, "sie ist todt!" |
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"O nein, sie athmet noch, O seht sie regt sich!" |
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Die schlägt die Augen auf und sieht umher |
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Und sieht, wie's auf dem Hügel drängt und wächst, |
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Wie Alle, Alle kommen, und ein Schein |
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Glücksel'gen Lächelns klärt ihr Angesicht. |
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Ein wildes Fragen bricht auf sie herein: |
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"Wie ist's' geschehn? Was ist des Unglücks Grund? |
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O schweigt! Sie redet!" Stille wird es nun |
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Bis auf der Flamme Brausen, und die Glocke, |
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Die fern vom Thurm den Feuerangstruf sendet. |
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Den schwachen Arm erhebt das Mütterlein |
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Und deutet zitternd nur hinaus auf's Meer. |
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Und wie, als wenn des Ungewitters Wuth |
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Auf dieses Zeichen nur geharrt - ertönt |
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Aus jener Wolkenwand, die schwer und dräuend |
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Mit grausenhafter Schnelle steigt empor, |
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Ein klirrend Brausen fern und fürchterlich. |
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Dann stürmt's herbei in fesselloser Wuth! |
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Voran, hinirrend durch des Eises Plan, |
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Herolde, die des Herrschers Ankunft künden, |
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Springt mit des Donners Hallen Spalt auf Spalt! |
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Der Eisstaub fegt hinsausend durch die Luft, |
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Und an den Hügel stürzt des Windes Wuth, |
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Dass Brände, wie Raketen in die Luft |
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Hinsausen von der Brandstatt. Hei, und nun |
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Das Wasser, wie es durch des Eises Spalten |
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Vorleckt und dunkel züngelt! Dann empor |
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Steigt hier die Scholle, thürmt mit Schollen sich |
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Und stürzt mit Krachen. In die Lücke fasst |
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Des Sturmes Faust und bricht und wüthet weiter. |
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Die Wogen, von der Fessel nun befreit, |
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Sie jauchzen auf und stürzen auf die Dränger |
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Und nun in wildem Kampfe auf und ab |
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Ein stürmisch krachend Wogen rings umher. |
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Die auf dem Hügel liegen auf den Knieen, |
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Bis milder wird der Sturm, der, wie er kam, |
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Verbraust und weitersaust. Und nun hervor |
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Mit weissem Haar, das hell im Winde weht, |
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Tritt an des Ufers ragend steilen Rand |
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Der alte Pfarrherr zu dem Mütterlein. |
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Er hält die Hand ihr segnend auf das Haupt, |
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Und deutet hin auf's Meer und spricht bewegt: |
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"Gelobt sei Gott! Er weiss es wohl zu machen! |
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Der Dank sei ihm, der mächtig ist im Schwachen !" |
Details zum Gedicht „Das Eisfest“
Heinrich Seidel
7
195
1410
1842 - 1906
Realismus,
Naturalismus,
Moderne
Gedicht-Analyse
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Das Eisfest“ des Autors Heinrich Seidel. Geboren wurde Seidel im Jahr 1842 in Perlin (Mecklenburg-Schwerin). In der Zeit von 1858 bis 1906 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne zuordnen. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das 1410 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 195 Versen mit insgesamt 7 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Heinrich Seidel sind „Die Gaben“, „Der Luftballon“ und „April“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Das Eisfest“ weitere 216 Gedichte vor.
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Zum Autor Heinrich Seidel sind auf abi-pur.de 216 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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