Der Schatz von Heinrich Seidel

Ein Araber, den Wüstentrug verwirrte,
Dass in der Oede er den Pfad verlor
Und tagelang in Sonnengluthen irrte,
Fand endlich einen kühlen Brunnen vor.
Begierig trank er von der feuchten Fluth
Und löschte der verdorrten Kehle Gluth.
Doch nun begann mit neuer Kraft zu nagen
Der Hunger, den er lange schon ertragen.
Er sah sich um, gestützt von seinem Stocke,
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Sah über sich des Himmels leere Glocke
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Und weit und breit nur Steine rings und Sand,
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Und ohne jedes Grün die öden Fluren,
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Gelagert in der Sonne heissem Brand.
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Doch als er folgte den verwehten Spuren
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Der Karawane, die hier kürzlich zog
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Welch Freudenglanz sein Antlitz überflog,
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Denn ein gefüllter Sack lag dort im Sande!
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Ein solcher war es, drin man dortzulande
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Als Reisevorrath Datteln mit sich trägt.
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Da wird sein Herz von Freude tiefbewegt,
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Er stürzt hinzu und reisset an den Schnüren,
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Begierig, um den Inhalt zu erspüren!
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Und, siehe da, welch ungeahnter Segen,
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Welch Reichthum, Tausende an Werth,
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Welch seltne Schätze leuchten ihm entgegen!
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Allein der Mann, vom Hunger halb verzehrt,
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Empfindet drob von Freude keine Spur
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Und seufzt voll Schmerz:
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"Ach, Perlen sind es nur!"
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25 KB)

Details zum Gedicht „Der Schatz“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
29
Anzahl Wörter
188
Entstehungsjahr
1842 - 1906
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Heinrich Seidel, ein deutscher Ingenieur und Schriftsteller, ist der Autor des Gedichtes „Der Schatz“. Seidel lebte von 1842-1906 und das Gedicht stammt daher wahrscheinlich aus dem späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert.

Auf den ersten Blick handelt das Gedicht von einem Araber, der in der Wüste verloren ging und unerwartet einen Schatz fand. Die Geschichte scheint jedoch allegorisch und enthält ein Thema, das oft in der Literatur gefunden wird: dass materieller Reichtum ohne die grundlegenden Bedürfnisse des Lebens bedeutungslos ist.

Inhaltlich handelt das Gedicht von einem Araber, der in der Wüste verloren und durstig ist. Er findet einen Brunnen und trinkt, um seinen Durst zu stillen, aber schon bald wird Hunger sein größtes Leid. Nach einer Weile findet er einen Sack, in der Hoffnung, dass er Lebensmittel enthält, in diesem Fall Datteln. Bei der Öffnung entdeckt er stattdessen Perlen von großem Wert. Aber anstatt sich darüber zu freuen, ist der Mann enttäuscht, denn in seiner Situation sind Perlen praktisch wertlos.

Die Botschaft, die das lyrische Ich durch die Geschichte des Arabers vermittelt, ist eine Reflexion über den wahren Wert von Dingen. In dem Moment, in dem der Araber am verhungern ist, sind Perlen, obwohl sie von hoher monetärer Wert sind, völlig wertlos, da sie seine unmittelbaren Bedürfnisse nicht erfüllen können.

Sprachlich verwendet Seidel eine einfache, aber kraftvolle Sprache, um die Geschichte zu erzählen. Die Metapher der Perlen, die für materiellen Reichtum stehen, und die Wüste, die für Einsamkeit und Not steht, sind stark und nachvollziehbar. Die Form des Gedichts ist eine einzige lange Strophe mit 29 Versen. Seidel behält einen relativ gleichmäßigen Rhythmus und ein Reimschema (abab) bei, was dazu beiträgt, den Fluss der Geschichte und das Eindringen der Botschaft zu betonen.

Weitere Informationen

Heinrich Seidel ist der Autor des Gedichtes „Der Schatz“. 1842 wurde Seidel in Perlin (Mecklenburg-Schwerin) geboren. In der Zeit von 1858 bis 1906 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne zuordnen. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das Gedicht besteht aus 29 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 188 Worte. Heinrich Seidel ist auch der Autor für Gedichte wie „Der Luftballon“, „April“ und „Die Musik der armen Leute“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Schatz“ weitere 216 Gedichte vor.

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