Züchtigung des Hochmuts von Charles Baudelaire

Zu jenen zeiten wo noch die gottesgelahrten
In wunderbarem gedeihn ihre grösse bewahrten –
Erzählt man – war einst ein Weiser vom höchsten rang
Der auch die herzen der lässigsten bezwang
Und sie erregte bis in ihre schwärzesten grüfte..
Doch als er in die strahlen der himmlischen lüfte
Auf selber ihm fremden wegen gekommen war
Wohin sich nur schwinget der reinen geister schar:
Da sollte er wie ein mann der zu hoch sich verstiegen
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Vom schwindel ergriffen satanischem hochmut erliegen:
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»Du kleiner Jesus · wie weit habe ich dich gebracht!
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Doch hätt ich am punkte dich anzugreifen gedacht
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Wo auch du fehltest: so kehrte dein ruhm sich in schande ·
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Du gältest als spöttische missgeburt nur im lande.«
 
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Mit einemmal umnachtete sich sein verstand:
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Ein schwarzer flor um die herrliche leuchte sich wand ·
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Der wirrwarr begann in diesem kopfe zu rollen.
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Im lebenden tempel dem stattlichen ordnungsvollen
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Dess dächer umwölbte solche leuchtende pracht
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Da sezte sich das schweigen fest und die nacht ·
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So ist ein gewölbe zu dem man den schlüssel verloren.
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Von nun an war er wie das vieh vor den thoren ·
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Und wenn er nichts hörend und sehend die fluren durchging ·
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Nicht merkte ob sommer ihn oder winter umfing
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Unbrauchbar und hässlich wie eine vernuzte sache
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So ward er den kindern zur freude und zum gelache.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.3 KB)

Details zum Gedicht „Züchtigung des Hochmuts“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
26
Anzahl Wörter
214
Entstehungsjahr
nach 1837
Epoche
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz,
Realismus

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht ist von Charles Baudelaire, einem Vertreter der literarischen Strömung des Symbolismus. Baudelaire lebte im 19. Jahrhundert und ist besonders für seine Dichtung und seine Kritik bekannt.

Auf den ersten Blick scheint es sich um eine allegorische Erzählung zu handeln, die die Gefahren von Hochmut und Selbstüberschätzung aufzeigt. Der Text erzählt von einem Weisen, der durch sein überlegenes Wissen und seine Fähigkeiten aufsteigt und schließlich so hoch hinaufsteigt, dass er ein göttliches Niveau erreicht. Baudelaire illustriert den Preis für diese Überheblichkeit, indem er den Weisen in eine tiefe Lächerlichkeit und Bedeutungslosigkeit fallen lässt.

Baudelaire konstruiert eine moralische Botschaft, die das lyrische Ich durch die Handlung des Weisen ausdrückt: Das Streben nach göttlicher Erhabenheit führt unweigerlich zum Fall. Dargestellt wird dieser Sturz durch den Wechsel vom mächtigen, geachteten Individuum zum „vieh“ und „gelache“ für Kinder.

Formal gesehen, folgt das Gedicht keiner standardisierten Strophenform oder einem festen Reimschema. Es ist in freien Versen geschrieben, was zu Baudelaires Zeit einen Bruch mit traditionellen poetischen Formen darstellte und oft als Mittel zur Darstellung von Veränderungen oder Störungen im Inhalt verwendet wurde.

Die sprachliche Gestaltung des Gedichts zeigt Baudelaires Fähigkeit, komplexe und dunkle Themen mit einer beeindruckenden bildhaften Sprache zu präsentieren. Es wird eine Reihe von starken Bildern verwendet, um den Sturz des Weisen zu illustrieren, wie zum Beispiel die „schwarze flor“ oder der „schlüssel verlorene“ gewölbe.

Zusammengefasst ist das Gedicht von Baudelaire also eine Warnung vor dem Hochmut, der zu hohen Flug und dem unvermeidlichen Fall führt. Es ist ein eindringlicher Appell, die eigene Stellung und die Grenzen der menschlichen Fähigkeiten zu erkennen. Die moralische Botschaft wird durch die sorgfältige Verwendung von Bildern und die freie Form des Gedichts unterstrichen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Züchtigung des Hochmuts“ des Autors Charles Baudelaire. Baudelaire wurde im Jahr 1821 in Paris geboren. In der Zeit von 1837 bis 1867 ist das Gedicht entstanden. Berlin ist der Erscheinungsort des Textes. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz oder Realismus zu. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das 214 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 26 Versen mit insgesamt 2 Strophen. Weitere Werke des Dichters Charles Baudelaire sind „Anziehender Schauder“, „Aufschrift auf ein verpöntes Buch“ und „Aufschwung“. Zum Autor des Gedichtes „Züchtigung des Hochmuts“ haben wir auf abi-pur.de weitere 101 Gedichte veröffentlicht.

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