Stiller Besuch von Otto Ernst
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An einem Tag, da Haus und Halde schwieg, |
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Lag ich auf meinem Ruhebett und schaute |
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Verhalt’nen Atems meinem Söhnlein zu, |
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Das fromm aus Hölzern einen Tempel baute. |
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Am Fenster lag im Abendlicht ein Buch, |
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Versonnen beugte sich mein Weib darüber; |
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Im Käfig saß der Vogel auf dem Stock |
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Und lugte dunklen Aug’s zu ihr hinüber. |
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Da war’s, daß ich gewußt: das Glück ist da … |
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Ein Atem ist mir übers Herz gegangen … |
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Die Luft ist hell von einem gold’nen Blick … |
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Ein duftend Haar liegt weich auf meinen Wangen … |
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Und flüstern wollt ich: seht, das Glück ist da! |
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Doch hielt gebunden mich ein ahnend Bangen – |
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Das Vöglein sprang von seinem Stock herab – |
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Da war der lichte, leise Gast gegangen. |
Details zum Gedicht „Stiller Besuch“
Otto Ernst
4
16
121
1907
Moderne
Gedicht-Analyse
Das vorgelegte Gedicht „Stiller Besuch“ stammt von Otto Ernst, einem deutschen Schriftsteller, der von 1862 bis 1926 lebte. Das bedeutet, dass das Werk zeitlich in das späte 19. bis frühe 20. Jahrhundert eingeordnet werden kann, eine Epoche, die von bedeutenden politischen, sozialen und kulturellen Veränderungen gezeichnet war.
Der erste Eindruck des Gedichts ist ein stiller und friedlicher Moment innerhalb einer Familie. Es wird eine intime und ruhige Szenerie geschildert, die von friedlicher Normalität und familiärer Geborgenheit dominiert wird.
Inhaltlich beschreibt das lyrische Ich ruhige und idyllische Szenen des häuslichen Lebens: Es beobachtet sein kleines Kind beim Spielen und seine Frau beim Lesen, während ein Vogel im Käfig ihnen zuschaut. Es erkennt diese einfachen und alltäglichen Szenen als Quelle seines Glücks. Doch dieses Moment des absoluten Glücks ist vergänglich, symbolisiert durch den Vogel, der von seinem Stock herabspringt und den stillen Gast, welcher das Glück repräsentiert, als verschwunden bezeichnet.
Analysiert man die Form und Sprache des Gedichts, so erkennt man eine klassische vierstrophige Aufteilung mit jeweils vier Versen. Die einfache und unprätentiöse Sprache spiegelt die einfache Schönheit der erlebten Szenen wider. Die Formulierung ist klar und zugänglich und stärkt so den intimen und persönlichen Charakter des Gedichts. Bedeutsam ist ebenso der Einsatz von Symbolen, wie das Buch, der Tempel und der Vogel, welche einerseits für Wissen, Unschuld und Freiheit stehen können.
Durch das Gedicht „Stiller Besuch“ schafft Otto Ernst ein einfühlsames Porträt des alltäglichen Lebens einer Familie, während er das flüchtige und zerbrechliche Wesen des Glücks beleuchtet.
Weitere Informationen
Otto Ernst ist der Autor des Gedichtes „Stiller Besuch“. Ernst wurde im Jahr 1862 in Ottensen bei Hamburg geboren. Im Jahr 1907 ist das Gedicht entstanden. Leipzig ist der Erscheinungsort des Textes. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das Gedicht besteht aus 16 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 121 Worte. Weitere Werke des Dichters Otto Ernst sind „Ausflug“, „Blühendes Glück“ und „Chidhr“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Stiller Besuch“ weitere 64 Gedichte vor.
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