Auf dem Morgengange von Otto Ernst
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Laß uns verweilen, du Liebste mein, |
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Schau in den tiefen Wald hinein! |
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Spärlich nur durch die Tannen dicht |
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Irrt hernieder das Sonnenlicht; |
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Nur einen kleinen, stillen Raum |
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Hüllt es in einen goldnen Traum. |
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Vier der Stämme ragen empor, |
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Die sich allein das Licht erkor; |
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Aber sie flimmern in hellem Glast |
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Wie ein lichter Zauberpalast. |
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Durch die Kronen huscht mit Geflimmer |
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Flink und behende der Morgenschimmer, |
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Fliegt und zittert hinauf, hinab, |
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Bis er alles mit Gold umgab. |
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Zwischen den Stämmen in der Schwebe |
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Hängt der Spinne silbern Gewebe; |
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Käfer im Goldrock, flink und munter, |
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Hasten die Stämme hinauf, hinunter, |
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Und ihr Schwirren und Summen leis |
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Einziger Laut im weiten Kreis! – |
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Also fiel auch in unsre Brust |
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Golden das Licht der Liebeslust, |
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Und inmitten der düstern Welt, |
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Die uns mit Sturm und Frost umstellt, |
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Fanden wir strahlende Einsamkeit, |
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Frieden und tiefe Seligkeit. |
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Eine stille Sommerpracht, |
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Uns im Herzen die Liebe lacht. |
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Sonne trank nun allen Schmerz. |
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Ahnend zittern durch unser Herz, |
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Wie das Licht um die hohen Bäume, |
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Einsame Wünsche, schweigende Träume! – |
Details zum Gedicht „Auf dem Morgengange“
Otto Ernst
2
32
170
1907
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Auf dem Morgengange“ stammt von dem deutschen Schriftsteller Otto Ernst, der von 1862 bis 1926 lebte. Damit können wir das Werk in die Epoche des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts einordnen.
Beim ersten Lesen erzeugt das Gedicht den Eindruck von Ruhe, Schönheit und Zärtlichkeit. Es gibt eine pastorale Szene in der Natur wieder, und die bildlichen Beschreibungen laden dazu ein, sich innerlich an diesen friedlichen Ort zu begeben.
Im Inhalt des Gedichts lädt das lyrische Ich seine geliebte Person dazu ein, mit ihm zu verweilen und die Schönheit des Morgens in einem tiefen Wald zu betrachten. Die Sonnenstrahlen, welche nur spärlich durch die dichten Tannen fallen, hüllen einen kleinen Teil des Waldes in einen goldenen Traum. In dieser traumhaften Szenerie wird die Natur beobachtet: Bäume, Spinnenweben, Käfer werden lebendig und scheinbar magisch durch das Sonnenlicht. Im zweiten Teil des Gedichts führt der Dichter eine Parallele zur ersten Strophe ein: Wie das Goldene Licht die Natur erfüllt, so erfüllt die Liebe ihre Herzen. Trotz der düsteren und kalten Welt um sie herum, finden sie in ihrer Liebe zueinander strahlende Einsamkeit, Frieden und tiefe Glückseligkeit.
In Form und Sprache des Gedichts finden wir einen ruhigen, sanften Rhythmus, der dem friedlichen und sinnlichen Inhalt entspricht. Die Strophen sind in Versen angeordnet, wobei die erste Strophe aus 20 und die zweite aus 12 Versen besteht. Es gibt keine Reime, was den freien Fluss der Gedanken und Gefühle unterstreicht. Sprachlich verwendet Ernst im Gedicht viele Metaphern und Vergleiche (z.B. „goldner Traum“, „lichter Zauberpalast“), die dazu dienen, die Intensität der Gefühle und die Schönheit der Natur hervorzuheben.
Zusammenfassend bietet das Gedicht „Auf dem Morgengange“ ein intimes Porträt von Liebe und Natur. Die idyllischen und friedlichen Bilder, die es schafft, laden dazu ein, innezuhalten und die Schönheit der Welt zu betrachten, sowie die tiefe Emotion der Liebe zu feiern.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Auf dem Morgengange“ des Autors Otto Ernst. Geboren wurde Ernst im Jahr 1862 in Ottensen bei Hamburg. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1907. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Moderne zuordnen. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 2 Strophen und umfasst dabei 170 Worte. Weitere Werke des Dichters Otto Ernst sind „Blühendes Glück“, „Chidhr“ und „Das Gesicht der Wahrheit“. Zum Autor des Gedichtes „Auf dem Morgengange“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 64 Gedichte vor.
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