An einem leisen Bach von Otto Ernst

An einem leisen Bach auf grünem Stein
Lag abendstill ein Sonnenschein,
Wohl größer kaum als eines Menschen Angesicht,
Jedoch ein heimlich-wunderbares Licht.
Ich kniete still ins Laub, und dieses Leuchten sprach
Von einer sanften Frau, die einst des Kranken pflegte,
Vom Zweige über mir die schönste Blüte brach
Und lächelnd mir aufs weiße Kissen legte …
In ferner Frühe war’s, ein Kindheitstag,
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Da unter Bäumen ich gebettet lag …
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Wo bliebst du, holde Frau? Nie fand ich deine Spur.
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Du warst ein tiefes Glück, drum kamst du einmal nur.
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Nur einmal – fröstelnd schreck’ ich auf und seh mich um –
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Mein redend Licht erlosch. Die Welt ist stumm. –
 
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Und sehnend sucht’ ich heut’ den alten Stein –
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Auf Moos und Welle glomm ein toter Sonnenschein.
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Nie kehrt der Glanz von gestern mir zurück,
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Das weiß ich wohl. Er war ein Menschenglück.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.5 KB)

Details zum Gedicht „An einem leisen Bach“

Autor
Otto Ernst
Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
18
Anzahl Wörter
138
Entstehungsjahr
1907
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „An einem leisen Bach“ stammt von Otto Ernst, einem deutschen Dichter und Schriftsteller, der von 1862 bis 1926 lebte. Das Gedicht ist somit der Epoche des Naturalismus zuzuordnen, die eine besondere Betonung auf das „wahre“ Leben und die realistische Abhandlung des Alltags und der Gefühle legt.

Die erste Strophe des Gedichts handelt von einer idyllischen, fast verzauberten Landschaft am Bach, der Sonne, die auf einem Stein scheint und einer Erinnerung des lyrischen Ichs an eine sanfte Frau, die es einst pflegte und ihm eine Blume ans Bett legte. Es scheint eine nostalgische Rückblende zu sein, wobei das lyrische Ich die Schönheit der Frau und die Bedeutung dieses Ereignisses auf sich hervorhebt. Die zweite Strophe dagegen zeigt die heutige Realität des lyrischen Ichs. Es sucht vergebens nach diesem Stein und der Freude der Vergangenheit, zeigt jedoch mit der letzten Zeile die Erkenntnis, dass diese Zeiten vergangen sind.

Das lyrische Ich scheint in dem Gedicht also eine bestimmte Person und eine spezifische Zeit in dessen Leben, die von Glück und Geborgenheit geprägt war, zu betrauern und auszudrücken, dass die Härten des Lebens diese Momente weggenommen haben. Der Stein und das Sonnenlicht scheinen hierbei als Metaphern für die Vergänglichkeit und die Sehnsucht nach vergangenen Zeiten zu dienen.

In Bezug auf Form und Sprache verwendet Ernst einen konsequente Reimstruktur und eine eher einfache, verständliche Sprache. Einige Bilder wie das „redende Licht“ oder der „tote Sonnenschein“ erzeugen jedoch eine poetische und emotionale Wirkung und tragen zum melancholischen Ton des Gedichts bei. Durch das Spiel mit Licht und Dunkelheit unterstreicht der Dichter den Kontrast zwischen der idyllischen Vergangenheit und der gedrückten Gegenwart. Die Formulierung „Die Welt ist stumm“ zum Abschluss der ersten Strophe unterstreicht dabei die Isolation und die Einsamkeit, die das lyrische Ich im Moment empfindet.

Weitere Informationen

Das Gedicht „An einem leisen Bach“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Otto Ernst. Im Jahr 1862 wurde Ernst in Ottensen bei Hamburg geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1907. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Moderne zuordnen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das Gedicht besteht aus 18 Versen mit insgesamt 2 Strophen und umfasst dabei 138 Worte. Otto Ernst ist auch der Autor für Gedichte wie „Auflösung“, „Aus einer Nacht“ und „Ausflug“. Zum Autor des Gedichtes „An einem leisen Bach“ haben wir auf abi-pur.de weitere 64 Gedichte veröffentlicht.

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