Ode zum Jahreswechsel 1916/1917 von Erich Mühsam

Es birst ein Jahr und fährt in die Ewigkeit.
Ein Jahr des Todes und dunkler Geschicke voll
stürzt es dem vorigen nach in sein Blutmeer,
räumt es der Zukunft die trostlosen Stätten.
 
Die kommt gezogen zögernd im Faltenkleid,
umraucht vom Kriege, doch über dem Haupte schon
dämmert ihr neblig ein flackernder Lichtkranz.
Naht sich dem Weltall die Hoffnung auf Frieden?
 
Es betet brünstig, wer noch an Götter glaubt,
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sie möchten enden den schrecklichen Völkermord,
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über den Trümmern verschütterter Sehnsucht
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Schöneres aufbaun, als Grabmäler decken.
 
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Denn unten faule ewig in Staub und Schutt
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der arge Geist, der den Menschen in Waffen schliff.
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Nimmer erwache den Völkern die Machtgier:
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Feindin der Schönheit und Urgrund des Hasses.
 
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Die Tränen aber, jeglichen Tropfen Bluts,
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der Mütter Leid und der Bräute zerstörtes Glück,
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sammelt im Herzen zu eifernder Andacht,
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wehrend dem Kriegszorn mit sieghafter Liebe.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.7 KB)

Details zum Gedicht „Ode zum Jahreswechsel 1916/1917“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
140
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Ode zum Jahreswechsel 1916/1917“ wurde von Erich Mühsam, einem deutschen Schriftsteller und Dramatiker, der vor allem für seine politischen Schriften und seine Beteiligung an der Münchner Räterepublik bekannt ist, verfasst. Mühsam lebte von 1878 bis 1934, daher kann das Gedicht in die Zeit des Ersten Weltkriegs eingeordnet werden.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht düster und schwermütig, wobei insbesondere die Verwendung von Wörtern wie „Todes“, „Blutmeer“, „trostlosen Stätten“, „Götter glaubt“, „schrecklichen Völkermord“, „Grabmäler“, „Staub und Schutt“, „Machtgier“, „Hass“, „Tränen“, „Tropfen Bluts“, „zerstörtes Glück“ und „Kriegszorn“ dies unterstreicht.

Im Gedicht geht es um das Ende des Jahres 1916 und den Beginn des Jahres 1917 - eine Zeit, die vom Ersten Weltkrieg gezeichnet ist. Das lyrische Ich, also die erzählerische Stimme des Gedichts, beklagt die Grauenvolligkeit des Krieges, der als „Jahr des Todes und dunkler Geschicke“ beschrieben wird. Es sieht die Zukunft düster und trostlos, erwähnt aber gleichzeitig eine mögliche „Hoffnung auf Frieden“. Es zeigt auch seine Abneigung gegen den „argen Geist“, der Menschen zu Kriegern macht und die „Machtgier“, die als Ursache des Hasses und Feindin der Schönheit betrachtet wird.

In Bezug auf die Strophengestaltung weist das Gedicht eine einheitliche Struktur auf, jede Strophe besteht aus vier Versen. Die Sprache des Gedichtes wirkt komplex und ist von vielen Metaphern geprägt. So spricht Mühsam vom „Blutmeer“ an Stelle des Krieges, von der „Friedenshoffnung”, die sich dem „Weltall“ naht und von der „Hoffnung auf Frieden”, die eher wie ein Traum und weniger wie eine konkrete Zukunftsvision wirkt.

Insgesamt ist Mühsams „Ode zum Jahreswechsel 1916/1917“ ein stark anti-kriegs-orientiertes Gedicht, das die Grausamkeit des Krieges und seine verheerenden Folgen thematisiert. Es drückt jedoch auch die Hoffnung auf Frieden und eine bessere Zukunft aus, trotz der damals vorherrschenden düsteren Situation.

Weitere Informationen

Erich Mühsam ist der Autor des Gedichtes „Ode zum Jahreswechsel 1916/1917“. 1878 wurde Mühsam in Berlin geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1920 zurück. München ist der Erscheinungsort des Textes. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Expressionismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Mühsam handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 20 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 140 Worte. Erich Mühsam ist auch der Autor für Gedichte wie „1919“, „An die Dichter“ und „An die Soldaten“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Ode zum Jahreswechsel 1916/1917“ weitere 57 Gedichte vor.

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