Gute Stunde von Hugo von Hofmannsthal

Hier lieg ich, mich dünkt es der Gipfel der Welt,
Hier hab ich kein Haus, und hier hab ich kein Zelt!
 
Die Wege der Menschen sind um mich her,
Hinauf zu den Bergen und nieder zum Meer:
 
Sie tragen die Ware, die ihnen gefällt,
Unwissend, daß jede mein Leben enthält.
 
Sie bringen in Schwingen aus Binsen und Gras
Die Früchte, von denen ich lange nicht aß:
 
Die Feige erkenn ich, nun spür ich den Ort,
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Doch lebte der lange vergessene fort!
 
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Und war mir das Leben, das schöne, entwandt,
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Es hielt sich im Meer, und es hielt sich im Land!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24 KB)

Details zum Gedicht „Gute Stunde“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
12
Anzahl Wörter
100
Entstehungsjahr
1896
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts ist Hugo von Hofmannsthal, einem österreichischen Schriftsteller, der von 1874 bis 1929 lebte. Dies deutet darauf hin, dass das Gedicht wahrscheinlich in der Übergangszeit vom 19. zum 20. Jahrhundert verfasst wurde, einer Periode, die oft mit dem Fin de Siècle und der Wiener Moderne in Verbindung gebracht wird.

Die erste Lektüre des Gedichts vermittelt den Eindruck von Naturverbundenheit und einer gewissen Sehnsucht. Es scheint, dass das lyrische Ich eine starke Verbindung zur Natur und zu seiner Umgebung empfindet und ein tieferes Verständnis und Bewusstsein für seine eigene Rolle in der Welt sucht. Gleichzeitig ist ein Gefühl der Entfremdung und Isolation spürbar, das durch die Worte „Hier habe ich kein Haus, und hier habe ich kein Zelt“ hervorgehoben wird.

Das lyrische Ich scheint sich sowohl physisch als auch emotional auf dem Gipfel der Welt zu befinden, losgelöst von den Belangen der Menschen um ihn herum und doch tief berührt von ihrer Unwissenheit über seine Existenz und seine Lebensumstände. Es ist fasziniert von der Schönheit und der Fülle der Natur, fühlt aber auch einen gewissen Schmerz und eine Sehnsucht nach Vergangenem, etwas, das es lange Zeit nicht hatte oder womöglich verloren hat.

In Bezug auf Form und Sprache fällt auf, dass das Gedicht in sechs Zweizeilern angeordnet ist, die jeweils ein abgeschlossenes Gedankenbild darstellen. Diese Form suggeriert eine sehr konzentrierte, fast epigrammartige Dichtung. Die Sprache ist eher einfach und klar, mit einer Tendenz zu alltäglichen Ausdrücken, was eine direkte und unmittelbare Wirkung erzeugt. Jedoch verwendet Hofmannsthal auch bildhafte und symbolträchtige Ausdrücke, wie zum Beispiel „Gipfel der Welt“, „Wege der Menschen“, „Schwingen aus Binsen und Gras“, „Früchte“, „Feige“ oder „Meer“, die das Gedicht tiefer, komplexer und mehrdeutiger machen. Diese Kombination von Klarheit und Komplexität, von Alltäglichem und Symbolischem, könnte als typisch für Hofmannsthals Poesie gelten.

Weitere Informationen

Hugo von Hofmannsthal ist der Autor des Gedichtes „Gute Stunde“. 1874 wurde Hofmannsthal in Wien geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1896. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Moderne zu. Der Schriftsteller Hofmannsthal ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 100 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 12 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Weitere Werke des Dichters Hugo von Hofmannsthal sind „Der Kaiser von China spricht“, „Der Schiffskoch, ein Gefangener, singt“ und „Des alten Mannes Sehnsucht nach dem Sommer“. Zum Autor des Gedichtes „Gute Stunde“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 40 Gedichte vor.

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