Das infernalische Abendmahl von Georg Heym
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Ihr, denen ward das Blut vor Trauer bleich, |
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Ihr, die der Sturm der Qualen stets durchrast, |
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Ihr, deren Stirn der Lasten weites Reich, |
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Ihr, deren Auge Kummer schon verglast, |
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Ihr, denen auf der jungen Schläfe brennt |
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Wie Aussatz schon das große Totenmal, |
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Tretet heran, empfangt das Sakrament |
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Verfluchter Hostien in dem Haus der Qual. |
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Besteigt die Brücke auf dem schwarzen Fluß, |
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Darüber wallet der Verfluchten Schar. |
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Und dunkel grüßt euch groß der Portikus, |
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Durch den in Dämmrung glänzt der Hochaltar, |
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Den tausend Kerzen schmücken, die von Blut |
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Und Fett der Ungebornen sind gedreht. |
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Wo Knochen hängen, und der rote Sud |
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Teuflischen Weihrauchs euch entgegenweht. |
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Wo Priester in der höllischen Soutane |
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In Reihen knien, zu hellem Meßgeläut, |
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Wo von den Kanzeln Fahne über Fahne |
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Wie rote Höllenflamme euch bedräut. |
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Ein nackter Abt bläht vor dem Götterbild |
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Den feisten Bauch, da er die Messe singt. |
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Er greift den Kelch, mit rotem Blut gefüllt, |
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Den hoch er auf das Haupt der Menge schwingt. |
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"Trinket mein Blut." Er trinkt den Becher leer, |
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Der in sein Herz wie rote Lava quillt. |
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Sein Gaumen leuchtet wie ein rotes Meer, |
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Der von dem Glanz des Götterblutes schwillt. |
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Auf euren Schläfen, wo der Horst der Qual, |
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Die schwarze Bastion der Hölle droht, |
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Springt eine Flamme auf, die spitz und schmal |
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Wie der Skorpione schwarze Zunge loht. |
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Nachtschwarze Wolken drängen in den Dom |
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Voll Sturm und Blitzen durch das große Tor. |
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Ein Wetter tost. Im schwarzen Regenstrom |
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Versinkt der Orgel Ton im fernen Chor. |
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Die Gräber springen auf. Der Toten Hand |
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Streckt weiß und kalt die Knochenfinger aus. |
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Sie winken euch aus ihrem dunklen Land. |
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Und ihr Geschrei erfüllt das Riesenhaus. |
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Die Fliesen brechen auf. Und Lethe braust |
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Tief unten über einen Wasserfall. |
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Der Abgrund schwindelt Meilen tief und saust |
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Voll ungeheurer Stürme weitem Hall. |
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Die Höllensöhne fahren ihn herab |
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Mit schwarzem Takelwerk durch den Typhon. |
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Sie schauen singend in das weite Grab |
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Vom Totenkopfe ihrer Schiffs-Galion. |
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2. |
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Hoch wo das Dunkel seine Schatten türmt |
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Durch Ewigkeiten fern vom Grund der Qual, |
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Hoch oben, wo im Dom der Regen stürmt, |
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Erscheint des Gottes Haupt, wie Morgen fahl. |
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Die weiten Kirchen füllt der Sphären Traum |
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Voll Schweigen, das wie leise Harfen klingt, |
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Da, wie der Mond vom großen Himmelsraum, |
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Des Gottes weißes Haupt heruntersinkt. |
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Tretet heran. Sein Mund ist süß wie Frucht, |
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Sein Blut ist, wie der Wein, langsam und schwer. |
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Auf seiner Lippen dunkelroter Bucht |
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Wiegt blaue Glut von fernem Sommermeer. |
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Tretet heran. Wie Flaum von Faltern zart, |
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Wie eines jungen Sternes goldne Nacht, |
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Zittert sein Mund, in seinem goldnen Bart, |
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Wie Chrysolith in einem tiefen Schacht. |
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Tretet heran. Wie einer Schlange Haut |
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So kühl ist er, weich wie ein Purpurkleid, |
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Wie Abendrot so sanft, das übergraut |
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Brennender Liebe wildes Herzeleid. |
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Der Gram gefallner Engel ruht, ein Traum, |
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Auf seiner Stirn, der Qualen weißem Thron, |
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Wie Schläfer traurig, denen floh zum Saum |
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Des blassen Morgens ihre Vision. |
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Tiefer als tausend leere Himmel tief |
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Ist seine Schwermut, wie die Hölle schön, |
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Wo in den roten Abgrund sich verlief |
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Ein bleicher Sonnenstrahl aus Mittagshöhn. |
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Sein Leid ist wie ein Leuchter in der Nacht, |
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Schauet die Flamme, die sein Haupt umloht, |
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Und doppelhörnig in der düstren Pracht |
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Aus seinem Lockenwald ins Dunkel droht. |
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Sein Leid ist wie ein Teppich, drauf die Schrift |
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Der Kabbalisten brennt durch Dunkelheit, |
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Ein Eiland, dem 'vorbei' ein Segler schifft, |
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Wenn in den Bergen fern das Einhorn schreit. |
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Sein Leib trägt eines Schattenwaldes Duft, |
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Wo großer Sümpfe Trauervögel ziehn, |
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Ein König, der durch seiner Ahnen Gruft |
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Nachdenklich geht in weißem Hermelin. |
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Tretet heran, entflammt von seinem Gram. |
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Trinkt seinen Atem, der so kühl wie Eis, |
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Der über tausend Paradiese kam, |
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Voll Duft, der jeden Kummer weiß. |
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Er lächelt, seht. Und eurer Seele Bild |
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Wird wie ein Weiher, der im Schilfe schweigt, |
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Wo leis des Hirtengottes Flöte schwillt, |
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Der durch die Lorbeerschlucht heruntersteigt. |
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Schlaft ein. Die Nacht, die schwarz im Dome hängt, |
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Verlöscht die Lampen an dem Hochaltar. |
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Der große Adler seines Schweigens senkt |
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Auf eure Stirn sein dunkles Schwingenpaar. |
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Schlaft, schlaft. Des Gottes dunkler Mund, er streift |
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Euch herbstlich kühl, wie kalter Gräber Wind, |
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Darauf des falschen Kusses Blume reift, |
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Wie Mehltau giftig, gelb wie Hyazinth. |
Details zum Gedicht „Das infernalische Abendmahl“
Georg Heym
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106
687
1887 - 1912
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Das infernalische Abendmahl“ des Autors Georg Heym. 1887 wurde Heym in Hirschberg geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1903 bis 1912 entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Expressionismus zugeordnet werden. Heym ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 687 Wörter. Es baut sich aus 28 Strophen auf und besteht aus 106 Versen. Der Dichter Georg Heym ist auch der Autor für Gedichte wie „Der Baum“, „Der Blinde“ und „Der Fliegende Holländer“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Das infernalische Abendmahl“ weitere 77 Gedichte vor.
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