An denselben seelig verstorbenen lieben Mann von Simon Dach

Man wolte dich begraben,
Mein Ohm, und soltest nicht
Von mir ein Denckmal haben
Der Brüderlichen Pflicht;
Fällt unsre Lieb' auch nieder
Gleich vnter einen Stein,
Vnd sol, wie deine Glieder,
Mit eingescharret seyn?
 
Natura würd' es hassen
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Durch die wir uns geliebt,
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Vnd Phoebus mich verlassen
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Der mir die Seiten giebt,
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Die mich erhalten werden
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Wenn ich schon längst verreckt,
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Vnd mit der schwartzen Erden
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Bin ewig zugedeckt.
 
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Sey sicher, wenn die alle
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So mir zu wieder sind
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Aus Eiter-voller Galle,
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Sind zehnmal Rauch vnd Wind,
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So wird man uns noch zeigen
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Belebt vnd jung vnd frey
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Mich wegen meiner Geigen,
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Dich wegen deiner Trew.
 
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Ich weis vmb dein Gemüte
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Drumb liebet' ich dich sehr,
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Es fügt vns das Geblüte,
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Der Sinnen Eintracht mehr:
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Wo sind die süssen Stunden,
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Wo mancher Wege Fahrt
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Die vns genaw verbunden
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Nach Brüderlicher Art?
 
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Wie wir verknüpffet wahren
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So war auch vnser Stand,
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Es hat in gleichen Jahren
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Die Schul uns beyd' erkant,
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Wir freyten auch zusammen
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Pohliynchen die ward mein,
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Stracks nam in keuschen Flammen
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Dich auch die Mackinn ein.
 
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Fünff Kinder hab ich leben
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Du sahst derselben vier,
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Gott wird dem Fünfften geben
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Auch bald der Sonnen Zier,
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Doch wann es wird geschehen
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Daß es das schöne Liecht
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Des Tages gleich kan sehen,
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Es sieht den Vater nicht.
 
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Auch pflagst du stets zu klagen,
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Gesund seyn wolle sich
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Nie recht mit dir vertragen
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Dieß eben klag' auch ich,
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Hieraus pflag ich zu schliessen
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Ich würd' erst sterben, nein,
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Die Ordnung wird zerrissen,
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Ich lebe, du gehst ein.
 
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Was sol ich nun beginnen?
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Wen geh ich ferner an
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Mit so vertrauten Sinnen
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Als wie ich dir gethan
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Bey also bösen Zeiten
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Als man sie je erkant,
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Da mir von allen Seiten
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Die Freunde sind entwandt.
 
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Zwar dir ist wol gerahten
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Jetzt siehest du den Gott
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Von grossen Wunderthaten
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Den Herren Zebaoth,
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Den du im Sinn vnd Munde
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Geführt hast jmmerdar,
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Der in der Todes Stunde
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Dein Felß vnd Beystand war.
 
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Der lohnt mit ewign Gnaden
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Dir für die grosse Trew
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Die offtmals nicht ohn Schaden
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Sprang allen Leuten bey,
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Dein Vnschuld-reiches Leben
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Dein Ernst im Christenthum
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Wird jetzund reichlich heben
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Der Ehren schönen Ruhm.
 
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Wo aber sol ich finden
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Ein solches trewes Hertz
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Dem ich mich mag verbinden
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Auff ernst seyn oder Schertz?
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Beginnt mein Glück zu wüten,
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Das jhm nicht seltzam ist,
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Vor wem sol ich ausschütten
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Was mich im Hertzen frisst?
 
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Es stärckt mich aber wieder
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Daß ich dir folgen sol,
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Dieß melden meine Glieder,
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Schlaff du indessen wol,
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Die Sicherheit umbschliesse
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Mit Stille dein Gebein,
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Vnd deine Grabstat müsse
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Durchaus geheiligt seyn.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „An denselben seelig verstorbenen lieben Mann“

Autor
Simon Dach
Anzahl Strophen
12
Anzahl Verse
96
Anzahl Wörter
433
Entstehungsjahr
1605 - 1659
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Simon Dach ist der Autor des Gedichtes „An denselben seelig verstorbenen lieben Mann“. Im Jahr 1605 wurde Dach in Klaipeda (Memel) geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1621 bis 1659 entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Barock zuordnen. Der Schriftsteller Dach ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Als Literatur des Barocks wird in der deutschen Literaturgeschichte seit dem Jahr 1800 die literarische Produktion in Europa im Zeitraum zwischen etwa 1600 und 1720 bezeichnet. Der Begriff „Barock“ stammt aus dem Portugiesischen und bedeutet so viel wie schiefrunde, seltsam geformte Perle. Der Barock ist durch ein bedeutendes Ereignis geprägt, dem Dreißigjährigen Krieg von 1618 bis 1648. Durch die schlechten sanitären Bedingungen konnten sich Infektionskrankheiten ausbreiten. Rund dreißig Prozent der Menschen kamen durch den Krieg und grassierenden Seuchen, wie etwa der Pest, ums Leben. Durch die massive Verminderung der Bevölkerung erlahmte das wirtschaftliche Leben zunehmend. Die Dichtung des Barocks ist im Wesentlichen von drei Leitmotiven (Memento mori, Vanitas, Carpe diem) beeinflusst, die die Lebenseinstellung der Bevölkerung beschreiben. Vor dem Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges war der Alltag der Bevölkerung von Gewalt und Zerstörung beeinflusst. Alle diese Motive setzen sich auf unterschiedliche Art mit der verbreiteten Angst vor dem Tod und seinen Auswirkungen auseinander. In Deutschland führte der Barock zu einer Ablösung des Lateinischen im Schriftwerk - einschließlich der philosophischen und wissenschaftlichen Literatur - durch das Deutsche. Dichter und Werke sind zahlreich in dieser Zeit. Martin Opitz, Andreas Gryphius oder Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen sind unverkennbare Vertreter der Literaturepoche des Barocks.

Das Gedicht besteht aus 96 Versen mit insgesamt 12 Strophen und umfasst dabei 433 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Simon Dach sind „Wenn mich in meiner schweren Zeit“, „Ach Gott wie gnädig hast du doch“ und „Triumph, Triumph dem Sieges-Mann“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „An denselben seelig verstorbenen lieben Mann“ weitere 255 Gedichte vor.

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