Entschlag dich aller Ding auff Erden von Simon Dach
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Entschlag dich aller Ding auff Erden, |
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O meine Seele, denn du bald |
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Von mir solst abgefordert werden! |
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Gott ist der Wittwen Auffenthalt, |
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Der Waisen Schirm und Schatten, |
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Und wird aus lieber Treu |
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Den Frevel nicht erstatten, |
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Das ihnen schädlich sey. |
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Was hinten ist, laß bleiben, |
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Tracht darnach, was da vornen ist, |
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Sucht sich die Sünd an dir zu reiben, |
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Bekümmert dich der Höllen List, |
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Schau Christus offne Seiten, |
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Fleuch gläubig da hinein, |
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So wird dich nichts bestreiten |
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Und du wirft sicher seyn. |
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Laß stets in deinem Hertzen schweben |
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Den Himmels-Bau, der Frewden Saal, |
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Dahin du bald dich wirst begeben |
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Aus diesem Angst- und Thränen Thal, |
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Da wo die Frommen halten |
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Ihr Hall-Jahr allezeit, |
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Wo Lust und Leben walten |
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Und tausend Herrligkeit. |
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Da wirstu erstlich hören klingen |
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Die Musica, das Himmels-Kind, |
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Für der die Lieder, so wir singen |
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Auff Erden, Träum und Schatten sind; |
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Da läßt sich David hören |
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Und seine Canterey, |
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Gott, unsern Hort zu ehren, |
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Daß er die Liebe sey, |
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Daß er die Welt sampt allen Sachen |
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Erschaffen hab nur uns zu gut, |
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Todt, Sünde, Höll und ihren Drachen |
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Erwürgt durch seines Sohnes Blut, |
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Der für uns ist gestorben |
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In höchster Schmach und Hohn, |
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Dadurch er uns erworben |
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Die ewig' Ehrenkron, |
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Er giebt sich gründlich zu erkennen, |
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Da sieht man uns in seiner, ihn |
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In unsrer Liebe hertzlich brennen |
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Und tausend Frewden auff uns ziehn. |
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Da geht es nur in Sprunge, |
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Da kennt man keine Pein, |
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Da sieht man aller Zunge |
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Nur Ruhm und Lachen seyn. |
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Was säum ich mich? Komm, mein Verlangen, |
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Herr Jesu, komm und spann mich auß, |
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Ich habe Lust dich zu umbfangen, |
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Nimm mich in deines Vaters Hauß! |
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Du kommst? Sey willkomm! Erde |
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Sammt deinem falschen Pracht, |
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Nun ich so selig werde |
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Entbunden, gute Nacht! |
Details zum Gedicht „Entschlag dich aller Ding auff Erden“
Simon Dach
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290
1605 - 1659
Barock
Gedicht-Analyse
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Entschlag dich aller Ding auff Erden“ des Autors Simon Dach. Im Jahr 1605 wurde Dach in Klaipeda (Memel) geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1621 und 1659. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Barock zuordnen. Der Schriftsteller Dach ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.
Die deutsche Literaturepoche des Barock begann etwa 1600 und endete im Jahr 1720. Die wörtliche Übersetzung des portugiesischen Begriffes „barocco“ lautet „schiefe Perle“. Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) hat die Literaturepoche des Barocks stark geprägt. Der Krieg war eine Katastrophe von einem Ausmaß, das kaum vorstellbar ist. Die Bevölkerung litt unter den Kämpfen, Hungersnöten, aber vorwiegend unter der Pest, an der viele Menschen starben. Die Anzahl der Menschen in Deutschland ging um etwa ein Drittel zurück. Die Erfahrungen mit dem Krieg und seinen dramatischen Folgen spiegeln sich in einem gegensätzlichen (antithetischen) Weltbild wider. Dies entspricht der damaligen Lebenswirklichkeit der Menschen: Das Leben der einfachen Bevölkerung war beeinflusst von Armut und Pessimismus, während bei den Adeligen nach dem Vorbild des französischen Absolutismus Luxus und Verschwendung herrschten. In der Lyrik wird die Nutzung solcher inhaltlichen Gegensätze als Antithetik bezeichnet. Diese Gegensätzlichkeiten lassen sich bei den Motiven des Barocks finden. Die am häufigsten benutzten Formen in der Poesie waren das Sonett, das Epigramm, die Elegie und die Ode. Im Barock begannen die Dichter ihre Werke in Deutsch zu verfassen. Die Dichter der Renaissance verfassten ihre Werke noch auf Lateinisch. Die Autoren gehörten in der Regel dem Gelehrtenstand an: Akademiker, Theologen, Adelige und Beamte. Berühmte Literaten des Barocks sind etwa Martin Opitz, Andreas Gryphius, Daniel Caspar von Lohenstein, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau und Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.
Das vorliegende Gedicht umfasst 290 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 56 Versen. Weitere Werke des Dichters Simon Dach sind „Herr vnser Gott, wenn ich betracht“, „Wenn Gott von allem Bösen“ und „Betrachtung der unseligen Ewigkeit“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Entschlag dich aller Ding auff Erden“ weitere 255 Gedichte vor.
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Weitere Gedichte des Autors Simon Dach (Infos zum Autor)
- Der Palmbaum
- Der Mensch hat nichts so eigen
- Herr Gott, meine Seele bringet
- Herr vnser Gott, wenn ich betracht
- Wenn Gott von allem Bösen
- Betrachtung der unseligen Ewigkeit
- Es wil des lieben Creutzes Pein
- Aus Oseae C. 2. V. 19
- Wenn mich in meiner schweren Zeit
- Ach Gott wie gnädig hast du doch
Zum Autor Simon Dach sind auf abi-pur.de 255 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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