Die schlafenden Tage von Otto Ernst

Kennst du die schlafenden Tage?
 
Da kommt die leuchtende Sonne nicht,
Verloren hat sie ihr Flammenlicht;
Ein träger Schimmer fließt herab;
Die Welt ist umschattet wie ein Grab.
Über der Dächer, der Türme Bau
Schleicht ein ewiges Wolkengrau.
Du bist allein – und die Welt des Lichts
Ist versunken ins schweigende Nichts. –
 
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Wohl kenn’ ich die schlafenden Tage!
 
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Da ruht das Herz, und mit leisem Schlag
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Folgt es dem still verrinnenden Tag;
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Nur in den Adern rollt das Blut,
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Verborgen rinnt die Lebensflut.
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Die Stille, die das All durchfließt,
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Allmächtig sich ins Herz ergießt –
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Kein Glück, kein Schmerz durchglüht die Brust,
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Vergessen ist alles: Leid und Lust –
 
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Ich liebe die schlafenden Tage.
 
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Die schlummeratmende Seele schafft
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Für den kommenden Kampf die siegende Kraft,
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Die Kraft, die das blühende Glück erträgt
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Und die kein Unglück zu Boden schlägt.
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Hoch von den ziehenden Wolken auch
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Weht hernieder ein Geisterhauch:
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„Not ist Freude, Freude Not,
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Tod ist Leben und Leben ist Tod.“
 
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Kennst du die schlafenden Tage?
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.8 KB)

Details zum Gedicht „Die schlafenden Tage“

Autor
Otto Ernst
Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
163
Entstehungsjahr
1907
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Der Autor des besprochenen Gedichtes „Die schlafenden Tage“ ist Otto Ernst, ein deutscher Dichter und Schriftsteller, der von 1862 bis 1926 lebte. Er gehörte zur literarischen Strömung des Naturalismus und Impressionismus, was sowohl inhaltliche als auch stilistische Merkmale seines Werks beeinflusste.

Das Gedicht vermittelt beim ersten Lesen einen melancholischen Eindruck. Die bedeckte, fast trostlose Landschaft, die nicht von der Sonne erleuchtet wird, das Gefühl der Einsamkeit und Schwerfälligkeit sind bildgewaltig eingefangen.

Im Inhalt geht es um die sogenannten „schlafenden Tage“, unter welchen der Autor scheinbar graue, lichtlose und schwermütige Tage versteht. Das lyrische Ich empfindet bei diesen Tagen eine solche Einsamkeit und Abdunklung, dass selbst die Welt des Lichts im Schweigen versinkt. Dennoch ist das lyrische Ich diesen Tagen nicht abgeneigt, im Gegenteil, es empfindet für sie sogar eine gewisse Zuneigung. Denn es erkennt, dass die zur Ruhe gebrachten Gefühle und die Stille Kraft und Stärke für zukünftige Kämpfe sammeln. Es fühlt sich in dieser Ruhe geborgen und erkennt die Dualität des Lebens – Freude und Leid, Leben und Tod.

Die Form des Gedichts besteht aus insgesamt sieben Strophen mit unterschiedlicher Versanzahl. Die ersten beiden und die letzten beiden Strophen bestehen aus jeweils nur einem Vers. Alle anderen Strophen haben acht Verse. Interessant ist auch, dass das Gedicht mit einer Frage beginnt und endet, dazwischen aber ausschließlich Aussagesätze verwendet werden.

Sprachlich zeichnet sich das Gedicht durch eine einfache, verständliche Sprache aus, die dennoch eine hohe Bildlichkeit und Symbolkraft besitzt. Otto Ernst verwendet viele Metaphern und Vergleiche, um die Atmosphäre der „schlafenden Tage“ zu beschreiben. Es herrscht ein eher ruhiger Ton vor, der gut zur allgemeinen Thematik der Ruhe und Besinnlichkeit passt. Insgesamt zeigt das Gedicht damit sehr gut die typischen Merkmale des Impressionismus: die intensive Wahrnehmung der Welt und die Betonung subjektiver Eindrücke.

Weitere Informationen

Otto Ernst ist der Autor des Gedichtes „Die schlafenden Tage“. 1862 wurde Ernst in Ottensen bei Hamburg geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1907 entstanden. Erschienen ist der Text in Leipzig. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Moderne zuordnen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das 163 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 7 Strophen. Weitere Werke des Dichters Otto Ernst sind „Aus einer Nacht“, „Ausflug“ und „Blühendes Glück“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die schlafenden Tage“ weitere 64 Gedichte vor.

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