Die Sonnenuhr von Rainer Maria Rilke
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Selten reicht ein Schauer feuchter Fäule |
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aus dem Gartenschatten, wo einander |
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Tropfen fallen hören und ein Wander- |
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vogel lautet, zu der Säule, |
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die in Majoran und Koriander |
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steht und Sommerstunden zeigt; |
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nur sobald die Dame (der ein Diener |
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nachfolgt) in dem hellen Florentiner |
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über ihren Rand sich neigt, |
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wird sie schattig und verschweigt —. |
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Oder wenn ein sommerlicher Regen |
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aufkommt aus dem wogenden Bewegen |
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hoher Kronen, hat sie eine Pause; |
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denn sie weiß die Zeit nicht auszudrücken, |
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die dann in den Frucht- und Blumenstücken |
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plötzlich glüht im weißen Gartenhause. |
Details zum Gedicht „Die Sonnenuhr“
Rainer Maria Rilke
3
16
88
1918
Moderne
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichts „Die Sonnenuhr“ ist Rainer Maria Rilke, ein bedeutender Lyriker der deutschsprachigen Literatur, der zwischen 1875 und 1926 lebte. Das Gedicht lässt sich stilistisch der Moderne zuordnen.
Schon beim ersten Lesen entfaltet das Gedicht einen Hauch von Melancholie sowie eine stille und gedämpfte Atmosphäre. Es richtet den Fokus auf beinahe stille, unbedeutende Momente und verdichtet sie zu einer sinnlichen Erfahrung.
Inhaltlich ist im ersten Teil die Rede von einer im Garten stehenden Sonnenuhr, welche in besonderem Zusammenhang mit dem Garten und seinen summerlichen Aktivitäten steht. In der zweiten Strophe wird erzählt, wie die Sonnenuhr ihre Funktion einstellt, sobald sich eine Dame - gefolgt von einem Diener - über sie beugt. Im letzten Teil wird die Sonnenuhr in Zusammenhang mit einem aufkommenden Sommerregen gesetzt, bei dem sie ihre Funktion ein weiteres Mal pausiert.
Das lyrische Ich scheint die Vergänglichkeit der Zeit und die Unmöglichkeit ihrer genauen Erfassung zu thematisieren. Die Sonnenuhr, als Messinstrument der Zeit, unterliegt dabei den gleichen Unwägbarkeiten und wechselnden Zuständen, die auch die Natur und das menschliche Leben prägen. Gleichzeitig wird die Sonnenuhr als Symbol für das Verstreichen der Zeit und der saisonalen Zyklen dargestellt.
Das Gedicht ist in freien Versen verfasst und unterliegt keinem strengen Reimschema. Es wechselt in seinen Strophen zwischen vier und sechs Versen. Zudem benutzt Rilke eine bildreiche und detaillierte Sprache, die zu der ausdrucksstarken und sinnlichen Atmosphäre des Gedichtes beiträgt. Im Ganzen vermittelt das Gedicht eine Stimmung der Ruhe und Besinnung, wird aber zugleich durch eine subtile melancholische Note geprägt. Die Sprache ist dabei typisch für Rilkes späteres Werk: Bildhaft, detailreich und von einer tiefgründigen, geradezu existenziellen Innenperspektive geprägt. Im Fokus steht das nahezu mystische Verhältnis zwischen Mensch, Natur und Zeit, das in seinen Gedichten immer wieder thematisiert wird.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Die Sonnenuhr“ des Autors Rainer Maria Rilke. Geboren wurde Rilke im Jahr 1875 in Prag. Das Gedicht ist im Jahr 1918 entstanden. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Bei Rilke handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 16 Versen mit insgesamt 3 Strophen und umfasst dabei 88 Worte. Der Dichter Rainer Maria Rilke ist auch der Autor für Gedichte wie „Advent“, „Allerseelen“ und „Als ich die Universität bezog“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Sonnenuhr“ weitere 338 Gedichte vor.
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