Die Dämonen der Städte von Georg Heym
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Sie wandern durch die Nacht der Städte hin, |
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Die schwarz sich ducken unter ihrem Fuß. |
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Wie Schifferbärte stehen um ihr Kinn |
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Die Wolken schwarz vom Rauch und Kohlenruß. |
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Ihr langer Schatten schwankt im Häusermeer |
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Und löscht der Straßen Lichterreihen aus. |
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Er kriecht wie Nebel auf dem Pflaster schwer |
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Und tastet langsam vorwärts Haus für Haus. |
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Den einen Fuß auf einen Platz gestellt, |
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Den anderen gekniet auf einen Turm, |
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Ragen sie auf, wo schwarz der Regen fällt, |
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Panspfeifen blasend in den Wolkensturm. |
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Um ihre Füße kreist das Ritornell |
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Des Städtemeers mit trauriger Musik, |
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Ein großes Sterbelied. Bald dumpf, bald grell |
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Wechselt der Ton, der in das Dunkel stieg. |
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Sie wandern an dem Strom, der schwarz und breit |
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Wie ein Reptil, den Rücken gelb gefleckt |
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Von den Laternen, in die Dunkelheit |
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Sich traurig wälzt, die schwarz den Himmel deckt. |
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Sie lehnen schwer auf einer Brückenwand |
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Und stecken ihre Hände in den Schwarm |
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Der Menschen aus, wie Faune, die am Rand |
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Der Sümpfe bohren in den Schlamm den Arm. |
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Einer steht auf. Dem weißen Monde hängt |
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Er eine schwarze Larve vor. Die Nacht, |
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Die sich wie Blei vom finstern Himmel senkt, |
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Drückt tief die Häuser in des Dunkels Schacht. |
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Der Städte Schultern knacken. Und es birst |
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Ein Dach, daraus ein rotes Feuer schwemmt. |
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Breitbeinig sitzen sie auf seinem First |
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Und schrein wie Katzen auf zum Firmament. |
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In einer Stube voll von Finsternissen |
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Schreit eine Wöchnerin in ihren Wehn. |
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Ihr starker Leib ragt riesig aus den Kissen, |
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Um den herum die großen Teufel stehn. |
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Sie hält sich zitternd an der Wehebank. |
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Das Zimmer schwankt um sie von ihrem Schrei, |
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Da kommt die Frucht. Ihr Schoß klafft rot und lang |
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Und blutend reißt er von der Frucht entzwei. |
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Der Teufel Hälse wachsen wie Giraffen. |
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Das Kind hat keinen Kopf. Die Mutter hält |
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Es vor sich hin. In ihrem Rücken klaffen |
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Des Schrecks Froschfinger, wenn sie rückwärts fällt. |
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Doch die Dämonen wachsen riesengroß. |
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Ihr Schläfenhorn zerreißt den Himmel rot. |
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Erdbeben donnert durch der Städte Schoß |
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Um ihren Huf, den Feuer überloht. |
Details zum Gedicht „Die Dämonen der Städte“
Georg Heym
12
48
335
1911
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Die Dämonen der Städte“ wurde von Georg Heym geschrieben, einem bedeutenden deutschen Dichter der literarischen Strömung des Expressionismus. Er wurde 1887 geboren und verstarb 1912, daher liegt das Werk zeitlich in der Epoche des frühen 20. Jahrhunderts.
Beim ersten Lesen entsteht der Eindruck von Bedrohung und Beklemmung. Es entstehen lebhafte, düstere Bilder eines bedrohlichen, urbanen Umfelds. Die „Dämonen der Städte“ erscheinen als so mächtig, dass sie die Städte und deren Bewohner dominieren und unterdrücken.
Im Verlauf des Gedichts werden die Dämonen dargestellt, wie sie durch die Städte wandern, welche sich „schwarz“ unter ihren Füßen ducken. Die Beschreibungen der Dämonen sind vielseitig und manchmal recht abstrakt, sie reichen von groß und schattenartig bis hin zu grellen, bedrohlichen Figuren, die über Menschen hinweg auf Gebäude klettern und offensichtlich Chaos und Zerstörung verursachen. Der ständige Bezug zu Negativität in Form von Dunkelheit, Tod und Katastrophen impliziert eine Kritik an den Städten und dem industriellen Fortschritt.
Formal ist das Gedicht in zwölf Strophen mit jeweils vier Versen organisiert. Die Sprache ist bildreich, symbolgeladen und expressive. Es gibt keine Reime und auch eine festgelegte Metrik oder ein bestimmtes Versmaß scheint nicht vorhanden zu sein. Dies ist typisch für den Expressionismus, der durch weitgehende Abkehr von traditionellen Formen und Regeln gekennzeichnet ist.
Die Wortwahl ist kontrastierend, manchmal schockierend, und trägt zur düsteren Stimmung bei. Die Verwendung von starken, grafischen Beschreibungen und Metaphern wie „Die Menschen aus, wie Faune, die am Rand der Sümpfe bohren in den Schlamm den Arm“, erzeugt ein entfremdetes und bedrohendes Stadtbild.
Zusammenfassend kann das Gedicht als eine eindringliche Kritik an der Industrialisierung und dem städtischen Leben interpretiert werden. Es bringt die Entfremdung und Angst zum Ausdruck, die mit der zunehmenden Urbanisierung und Technologisierung verbunden ist. Es bleibt offen, ob die Dämonen als personifizierte Inkarnationen dieser Entwicklungen zu verstehen sind oder ob sie metaphorisch das persönliche Empfinden des lyrischen Ichs widerspiegeln.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Die Dämonen der Städte“ ist Georg Heym. Der Autor Georg Heym wurde 1887 in Hirschberg geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1911 zurück. Erscheinungsort des Textes ist Leipzig. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Expressionismus zuordnen. Bei Heym handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 335 Wörter. Es baut sich aus 12 Strophen auf und besteht aus 48 Versen. Die Gedichte „April“, „Berlin I“ und „Berlin II“ sind weitere Werke des Autors Georg Heym. Zum Autor des Gedichtes „Die Dämonen der Städte“ haben wir auf abi-pur.de weitere 79 Gedichte veröffentlicht.
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