Die Kinder in der Fremde von Luise Hensel

Ach Mutter! bleibst so lange,
Es wird uns Kindern bange,
Der Abend ist so kalt;
Die Winde schaurig wehen
Und lange Schatten gehen
Und Löwen brüllen durch den Wald.
 
Weit sind wir heut gegangen
Und tragen nun Verlangen
Nach unsrer Mutter Schooß;
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Komm, trockne unsre Thränen,
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Lös' auf dies bange Sehnen,
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Mach' unsre müden Herzen los.
 
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Du sagtest uns am Morgen:
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Wir sollten ohne Sorgen
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Von deiner Schwelle gehn;
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Wenn wir den Berg erklommen
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Und wenn die Nacht gekommen,
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Dann würden wir dich wiedersehn.
 
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Wir mußten mühsam wallen
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Und viele sind gefallen
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Und mancher ging voran.
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Oft mußten wir auch weinen;
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Durch Dornen und auf Steinen,
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Durch Hitz' und Sturm ging unsre Bahn.
 
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Nun geht der Tag zu Ende,
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Drum heben wir die Hände
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Und suchen deine Hand;
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Thu' auf die traute Zelle!
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Sind wieder an der Stelle,
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Da du uns hast hinausgesandt.
 
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Laß uns in grünen Wiegen
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Im weißen Hemdlein liegen
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So tief und still und dicht;
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Laß Thränen uns befeuchten,
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Laß auf uns niederleuchten
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Dein ewig klares Mondgesicht.
 
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Den Schleier, blau gewoben,
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Den breite weit aus oben,
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Drin laß uns hoffend ruhn.
40 
Einst wird es wieder tagen,
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Dann wird der Vater sagen:
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»Steht auf, ihr Kindlein, alle nun!«
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.7 KB)

Details zum Gedicht „Die Kinder in der Fremde“

Autor
Luise Hensel
Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
200
Entstehungsjahr
1815
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Kinder in der Fremde“ wurde von Luise Hensel verfasst. Sie war eine deutsche Dichterin und Erzieherin, die zwischen 1798 und 1876 lebte, was das Gedicht in die Zeit der Romantik einordnet.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht gefühlvoll und sehnsuchtsvoll, mit einer starken Betonung auf der Rolle der Mutter und der Familie sowie einer kontrastreichen Darstellung von Gefahr und Sicherheit.

Inhaltlich handelt das Gedicht von Kindern, die sich in einer fremden, unsicheren Umgebung befinden und nach ihrer Mutter rufen. Sie sind ängstlich und suchen nach Komfort und Schutz. Die Kinder erinnern sich daran, wie die Mutter ihnen sagte, sie sollten ohne Sorgen gehen, und sie sehnen sich nach ihrer Rückkehr zu ihr. Ihre Reise war voller Schwierigkeiten und Tränen, aber jetzt ist der Tag zu Ende und sie suchen nach der Hand ihrer Mutter. Das lyrische Ich wünscht sich, unter der Obhut der Mutter im sicheren Heim liegen zu können und nach einer erholsamen Nacht wieder aufzustehen.

Im Hinblick auf die Form des Gedichts bestehen alle Strophen aus sechs Versen, was der Komposition Struktur und Rhythmus verleiht. Der umgangssprachliche und dennoch emotionale Ton der Sprache betont die natürlichen und instinktiven Gefühle der Kinder. Die poetische Sprache mit ihrer Verwendung von Metaphern und Beschreibungen zeichnet ein lebendiges Bild von der Erfahrung der Kinder.

Im Hinblick auf die sprachliche Analyse macht Hensel Gebrauch von zahlreichen sprachlichen Bildern, Symbolen und Metaphern. Bezug nehmend auf die Natur, beschreibt sie die Ängste und die Unsicherheit der Kinder, um die emotionalen Befindlichkeiten zu verdeutlichen. Die Mutterfigur wird als sicherer Hafen und Licht in der Dunkelheit dargestellt. Dies betont die notwendige und liebevolle Rolle der Mutter im Leben der Kinder.

Die emotionale Tiefe des Gedichts zeigt die starke Bindung zwischen Mutter und Kind und die tiefen Sehnsüchte von Kindern nach Geborgenheit und Schutz, vor allem in Zeiten von Unsicherheit und Gefahr. Es zeigt auch die Rolle der Eltern, ihren Kindern Sicherheit und Zuversicht für den zukünftigen Weg zu geben.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Die Kinder in der Fremde“ der Autorin Luise Hensel. 1798 wurde Hensel in Linum geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1815 entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her kann der Text den Epochen Klassik, Romantik oder Biedermeier zugeordnet werden. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das 200 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 42 Versen mit insgesamt 7 Strophen. Weitere bekannte Gedichte der Autorin Luise Hensel sind „O nimm die kleine Gabe gern“, „Schau himmelan, schau himmelan“ und „Und Gottes Friede sei mit dir“. Zur Autorin des Gedichtes „Die Kinder in der Fremde“ haben wir auf abi-pur.de weitere 255 Gedichte veröffentlicht.

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