Blick nach innen von Luise Hensel

Wieder ruf' ich Dich mit Weinen,
Komm, o komm, Du treuer Hirt!
Unter Dornen, unter Steinen
Hat Dein Lämmlein sich verirrt.
 
O, Du bist ja voll Erbarmen,
Guter Hirt, erbarme Dich!
Trage mich auf Deinen Armen,
Milder Arzt, und heile mich!
 
Ach, die Thorheit und die Sünde
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Herrschen noch im Herzen mein,
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Was ich denke, was empfinde,
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Meint nicht lauter Dich allein.
 
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Meine Triebe, falsche Schlangen,
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Hintergehn mich noch so oft;
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All mein Sehnen, mein Verlangen
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Hat nicht bloß auf Dich gehofft.
 
17 
Und doch sollte tiefe Reue
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Lebenslang mein Bußkleid sein,
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Und es sollten Lieb' und Treue
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Ewig Dir zur Braut mich weihn.
 
21 
Denn die Thorheit früher Jugend
22 
Hab' ich nie genug verflucht,
23 
Und der Demuth stille Tugend
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Hab' ich nie mit Ernst gesucht.
 
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Doch fortan mein ganzes Leben,
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Lust und Schmerzen, Fried' und Streit,
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Will ich Dir nun ganz ergeben:
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Führe mich, ich bin bereit.
 
29 
Ja, Du führst in Lieb' und Gnade
30 
Mich an Deiner treuen Hand,
31 
Führest mich auf sicherm Pfade
32 
In Dein ewig Friedensland. Amen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26 KB)

Details zum Gedicht „Blick nach innen“

Autor
Luise Hensel
Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
168
Entstehungsjahr
1818
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Blick nach innen“ wurde von Luise Hensel verfasst. Hensel lebte von 1798 bis 1876, was sie in die Epoche der Romantik einordnet.

Beim ersten Eindruck des Gedichts fällt auf, dass es sehr religiös ist. Es ist an Gott gerichtet und bittet um Führung und Heilung. Es scheint v.a. das Thema der Reue und Sühne zu behandeln.

Inhaltlich offenbart das lyrische Ich seine Unvollkommenheiten und Sünden, und bittet Gott um Erbarmen und Heilung. Es fühlt sich verloren („Hat Dein Lämmlein sich verirrt“) und erkennt, dass seine Sinne nicht immer rein und gottzentriert waren. Es drückt Reue aus („Denn die Thorheit früher Jugend / Hab' ich nie genug verflucht“) und gelobt, sein gesamtes Leben Gott zu widmen und bereit zu sein, für eine Transformation.

Formal lässt sich erkennen, dass das Gedicht in vierzeiligen Strophen verfasst und gereimt ist, was ihm eine strenge, formale Struktur verleiht. Auf der sprachlichen Ebene ist das Gedicht in einem eher altertümlichen Deutsch gehalten, das seine spirituellen und devoten Botschaften verstärkt.

Was das lyrische Ich aussagen möchte, ist ein starkes Gefühl der Reue und die Sehnsucht nach Vergebung und Veränderung. Es erkennt seine vergangenen Fehltritte an und drückt das Bedürfnis aus, sich Gott völlig hinzugeben und geleitet zu werden. Es zeigt eine tiefe Demut vor Gott und will sich selbst tiefgreifend verwandeln, um ein Leben zu führen, das mehr auf Gott ausgerichtet ist, und bittet Gott um Hilfe dabei.

Zusammenfassend kann man sagen, dass „Blick nach innen“ ein tief religiöses Gedicht ist, das sowohl auf persönlicher Ebene eine innere Prüfung und Transformation darstellt, als auch als Metapher für die christliche Auseinandersetzung mit Sünde und Erlösung gelesen werden kann. Es spiegelt die tiefgründige Spiritualität und die inneren Konflikte von Luise Hensel wider, die in ihrer Lebensspanne von der Romantik bis zur Biedermeierzeit eine strenge katholische Erziehung und einen tiefen Glauben erlebte.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Blick nach innen“ stammt aus der Feder der Autorin bzw. Lyrikerin Luise Hensel. Die Autorin Luise Hensel wurde 1798 in Linum geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1818 entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Klassik, Romantik oder Biedermeier kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin vorgenommen werden. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das vorliegende Gedicht umfasst 168 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Weitere Werke der Dichterin Luise Hensel sind „O nimm die kleine Gabe gern“, „Schau himmelan, schau himmelan“ und „Und Gottes Friede sei mit dir“. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „Blick nach innen“ weitere 255 Gedichte vor.

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