An die geliebte Heimgegangene von Luise Hensel

Voll Wehmuth denke ich an Dich,
Die Du von mir geschieden,
Und meine Seel' umwölket sich
Und sehnt sich weg hienieden.
O, daß auch mich der stille Tod
Dem Stengel nur entpflückte!
O, daß ich bald das Morgenroth
Des letzten Tags erblickte!
 
Der Freuden, so die Welt mir beut,
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Ist längst mein Herz entwöhnet
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Und hat von ihrer Eitelkeit
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Sich schmerzlich weg gesehnet.
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O, möcht' ich Deine Krone sehn
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Und hören Deine Weisen!
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O, dürft' ich Dir zur Seite stehn,
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Mit Dir Gott ewig preisen!
 
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Mein Vater! hilf mir diesen Schmerz,
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Den tiefen Schmerz mir tragen,
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Bis endlich heilt dies wunde Herz,
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Bis mir Dein Licht will tagen.
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Du weißt, Herr! daß kein Erdengut
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Den Jammer mir kann stillen;
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Du wollst mit Deiner Liebe Gluth
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Mein sehnend Herz erfüllen!
 
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»So walle deinen Pfad hinab
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Den Brüdern sollst du dienen;
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Dann wird dereinst dein Pilgerstab
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Zur Palme dir ergrünen.«
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Ja, Vater! was Du mir erwählt,
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Das hab' auch ich beschlossen.
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Wenn Deine Kraft das Herz mir stählt,
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So leid' ich unverdrossen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26 KB)

Details zum Gedicht „An die geliebte Heimgegangene“

Autor
Luise Hensel
Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
170
Entstehungsjahr
1824
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „An die geliebte Heimgegangene“ stammt von der deutschen Dichterin Luise Hensel. Sie lebte von 1798 bis 1876, was ihr Werk in die Epoche der Romantik einordnet.

Beim ersten Eindruck scheint das Gedicht von tiefer Melancholie und Sehnsucht geprägt zu sein. Das lyrische Ich scheint sich nach jemandem zu sehnen, der verstorben ist und zeigt dabei ein tiefgehendes Verlangen, selbst dem Tod zu begegnen.

Inhaltlich drückt das lyrische Ich seine Sehnsucht und Trauer aus. Es denkt voller Wehmut an die Person, die von ihm geschieden ist (Vers 1 und 2). Es drückt den Wunsch aus, dem Tod zu begegnen, um Vereinigung mit dem Geliebten zu erfahren (Vers 5 und 6). In der zweiten Strophe ist das Herz des lyrischen Ichs von den Freuden der Welt abgewandt und es sehnt sich nach dem Göttlichen. In der dritten Strophe bittet es um göttlichen Beistand in seinem tiefen Schmerz, und im letzten Abschnitt wird eine Art Gelübde oder Versprechen offenbart, im Dienste anderer seinen Weg zu gehen und Leid geduldig zu ertragen.

Formal besteht das Gedicht aus vier gleich strukturierten Strophen mit je acht Versen. Damit folgt es der Form eines gereimten Oktetts mit der Reimstruktur ABABCDCD. Die Sprache des Gedichts ist geprägt von Metaphern (z.B. „stille Tod“ als Metapher für den Tod, „Krone“ und „Weisen“ als Metapher für das Göttliche oder Himmlische) und Ausdrücken, die eine starke Emotionalität widerspiegeln. Es wird eine Stimmung von tiefer Trauer und Sehnsucht erzeugt, aber auch von hoffnungsvoller Zuversicht.

In der Gesamtinterpretation kommt zum Ausdruck, dass das lyrische Ich trotz tiefer Trauer und Schmerz seinen Weg geht – gestützt durch den Glauben an Gott und die Hoffnung auf ein Wiedersehen im Jenseits. Es ist ein starkes Ausdrucksstück der inneren Kämpfe, die Menschen im Angesicht des Todes und der Endlichkeit des menschlichen Lebens durchmachen können.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „An die geliebte Heimgegangene“ der Autorin Luise Hensel. Die Autorin Luise Hensel wurde 1798 in Linum geboren. Im Jahr 1824 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Klassik, Romantik oder Biedermeier kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin vorgenommen werden. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das 170 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Die Dichterin Luise Hensel ist auch die Autorin für Gedichte wie „Gruß an Maria“, „O nimm die kleine Gabe gern“ und „Schau himmelan, schau himmelan“. Zur Autorin des Gedichtes „An die geliebte Heimgegangene“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 255 Gedichte vor.

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