Am Brunnen von Gottfried Keller
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Wie strahlet ihr im Morgenschein, |
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du, rosig Kind, der Blütenbaum |
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und dieser Brunnen, frisch und rein — |
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ein schönres Kleeblatt gibt es kaum. |
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Wie dreifach lieblich hat Natur |
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in euch sich lächelnd offenbart! |
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Aus deinem Aug grüßt ihre Spur |
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des Wandrers stille Morgenfahrt. |
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Es ist, als käm aus deinem Mund |
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das Lied, das dort die Quelle singt, |
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es sit, als tät der Brunnen kund, |
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was tief in deiner Seele klingt! |
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Und wie der weiße Apfelbaum |
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mit seinen Zweigen euch umweht, |
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dies Bild, zart wie ein Morgentraum, |
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ist ein geschautes Frühgebet. |
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Reich einen Trunk, du klare Maid, |
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vom Quell, der deine Kindheit sah! |
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Sein Rauschen sei dir allezeit, |
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die Klarheit deinem Herzen nah! |
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Ich wünsche Segen deiner Hand |
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zur Arbeit, wie zum Liebesbund |
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dem bravsten Burschen hierzuland |
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das keusche Ja von deinem Mund! |
Details zum Gedicht „Am Brunnen“
Gottfried Keller
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132
1819 - 1890
Realismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Am Brunnen“ wurde von Gottfried Keller geschrieben, einem bedeutenden Vertreter des Realismus im 19. Jahrhundert. Eine genaue zeitliche Einordnung ist ohne zusätzliche Informationen schwierig, doch Kellers Schaffenszeit deutet auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hin.
Auf den ersten Blick sticht die idyllische und harmonische Darstellung der Natur hervor. Das Gedicht scheint den Leser mit auf eine erhabene, morgendliche Beobachtung zu nehmen, in der er die Schönheit und Reinheit der Natur wertschätzen kann.
Inhaltlich richtet das lyrische Ich seine Worte an ein junges Mädchen, welches an einem Brunnen steht. Es nimmt dabei eine wohlwollende, fast väterliche Haltung ein und sticht Besonderheiten des Mädchens und der umgebenden Natur hervor. Hierbei schafft das lyrische Ich eine tiefe Verbindung zwischen dem Mädchen, dem Blütenbaum und dem Brunnen - ein Trio, das er als „schön[stes] Kleeblatt“ bezeichnet.
Die Form des Gedichts ist strukturiert, in sechs Strophen zu jeweils vier Versen unterteilt - ein klassisches Schema. Die Sprache ist bildhaft und lyrisch, mit starkem Fokus auf Naturbeschreibungen und Personifikationen. Dabei bedient sich Keller einfacher, aber dennoch ausdrucksstarker Worte und Metaphern, um Emotionen zu evozieren.
Die enge Verwebung von Natur und Person ist eine typische Kennzeichnung des Realismus. Hierbei macht sich Keller die Metaphern und Symbole der Natur zu eigen, um die innere Welt des Mädchens auszudrücken. Der Brunnen steht beispielsweise für Reinheit und Frische, womit die jugendliche Unschuld des Mädchens symbolisiert wird. Der Blütenbaum steht für Fruchtbarkeit und Schönheit, Merkmale, die dem Mädchen zugeschrieben werden.
Der Tenor des Gedichts ist einer tiefen Wertschätzung und zugleich einer Hoffnung für das Mädchen gegenüber Ausdruck verleihend. Am Ende wünscht das lyrische Ich dem Mädchen gesegnete Arbeit, Liebe und Ehrlichkeit. Dies ist eine wunderbare Darstellung der Positivität und Erwartung, die das lyrische Ich für die Zukunft des Mädchens hegt.
Weitere Informationen
Gottfried Keller ist der Autor des Gedichtes „Am Brunnen“. Keller wurde im Jahr 1819 in Zürich geboren. Im Zeitraum zwischen 1835 und 1890 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Der Schriftsteller Keller ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 132 Wörter. Es baut sich aus 6 Strophen auf und besteht aus 24 Versen. Die Gedichte „Die Zeit geht nicht“, „Die kleine Passion“ und „Die Entschwundene“ sind weitere Werke des Autors Gottfried Keller. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Am Brunnen“ weitere 48 Gedichte vor.
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Zum Autor Gottfried Keller sind auf abi-pur.de 48 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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