Liebchen von Rudolf Baumbach
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Liebchen heut ind Gesellschaft geht |
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Zeigt sich in raschelnder Seide, |
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Fragt mich, wie ihr das Hütchen steht |
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Und die Schleppe am Kleide. |
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Wie ich die schlanke Jugendgestalt |
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Mustre mit prüfenden Blicken, |
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Rieselt ein Schauer mir eisig kalt |
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Plötzlich hinunter den Rücken. |
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Alles vom Stiefelchen bis zum Hut |
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Sitzt dir wie angegossen, |
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Aber wie viel unschuldiges Blut |
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Ist um dich, Teure, geflossen! |
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Seidenwürmer wohl tausend und mehr |
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Mußten ihr Leben lassen |
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Für den Stoff, den du hinter dir her |
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Schleppst durch die staubigen Gassen. |
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Für dein zierliches Stiefelpaar |
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Mußte ein Kälbchen verenden, |
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Und Hermeline ein Dutzend gar |
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Mußten die Fellchen dir spenden. |
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Deine Handschuhe glatt und weich |
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Gab dir ein blökendes Lämmlein, |
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Und die Schildkröt' im kühlen Teich |
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Lieferte dir das Kämmlein. |
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Walfisch schwamm im eisigen Meer |
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Fröhlich hin und wieder. |
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Stirb und gib dein Fischbein her! |
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Liebchen braucht es fürs Mieder. |
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Pfeilgetroffen ein Elefant |
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Mußte im Urwald erblassen. |
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Hat für den Fächer in deiner Hand |
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Leben und Zähne gelassen. |
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Sterbend gab dir der Wüstenstrauß |
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Wallende Federn als Steuer. |
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Trinke auch mir die Seele aus, |
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Reizendes Ungeheuer! |
Details zum Gedicht „Liebchen“
Rudolf Baumbach
9
36
176
1840 - 1905
Realismus,
Naturalismus,
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Liebchen“ stammt von Rudolf Baumbach, einem deutschen Dichter, der seine größte Popularität im 19. Jahrhundert erlangte. Aufgrund dessen kann man das Gedicht in die Epoche des Realismus einordnen, welcher von etwa 1850 bis 1890 dauerte.
Schon beim ersten Lesen fällt auf, wie detailliert und anschaulich das lyrische Ich die Garderobe seiner Liebsten beschreibt. Daraus lässt sich schließen, dass es den Anblick besonders genießt. Erst auf den zweiten Blick wird ersichtlich, dass es hierbei nicht nur um die Bewunderung und Beschreibung der Kleidung geht, sondern um ein deutliches Anprangern der hohen Kosten von Mode und Schönheit, bezahlt mit dem Leben von Tieren.
Der Inhalt des Gedichts besteht hauptsächlich in der Beschreibung der Garderobe des „Liebchens“ und der Aufzählung der Tiere, die sterben mussten, um diese zu schaffen. Dies wird von Strophe zu Strophe intensiver und umfangreicher, wobei das lyrische Ich mit zunehmender Fassungslosigkeit und Entsetzen auf die Opfer blickt, die diese Schönheit fordert.
Formal besteht das Gedicht aus neun Vierzeilern. Es hat einen regelmäßigen Kreuzreim (ABAB), der das flüssige Lesen unterstützt. In Bezug auf den Inhalt ist diese Formwahl etwas ironisch, da die leichte und fließende Form im starken Kontrast zu dem ernsten und traurigen Inhalt steht. Sprachlich nutzt Baumbach eine einfache und verständliche Sprache. Er macht aber auch Gebrauch von bildhaften Vergleichen und Metaphern, wie beispielsweise „mustern mit prüfenden Blicken“ oder „Trinke auch mir die Seele aus“. Damit erzeugt er eine atmosphärische Dichte und dramatische Intensität.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in „Liebchen“ Rudolf Baumbach die dunkle Seite der Mode und Schönheit offenlegt und dabei kritisiert, wie die menschliche Eitelkeit und das Streben nach Ästhetik das Leben von Tieren fordert. Er tut dies in einer einfachen Sprache und Form, was das Gedicht umso eindrücklicher macht.
Weitere Informationen
Rudolf Baumbach ist der Autor des Gedichtes „Liebchen“. Geboren wurde Baumbach im Jahr 1840 in Kranichfeld (Thüringen). Im Zeitraum zwischen 1856 und 1905 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne zugeordnet werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 9 Strophen und umfasst dabei 176 Worte. Rudolf Baumbach ist auch der Autor für Gedichte wie „Die Wasserrose“, „Heimliches Leid“ und „Mein Herz trägt heimliches Leid“. Zum Autor des Gedichtes „Liebchen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 14 Gedichte vor.
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Weitere Gedichte des Autors Rudolf Baumbach (Infos zum Autor)
- Warnung
- Vogelweisheit
- Wirtstöchterlein
- Lacrimae Christi
- Es klingt in mir ein Kinderreim
- Die Gäste der Buche
- Die blaue Blume
- Tempora mutantur
- Die Wasserrose
- Heimliches Leid
Zum Autor Rudolf Baumbach sind auf abi-pur.de 14 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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