Büchner, Georg - Woyzeck (Analyse, Szene 9)

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Referat

Woyzeck – Szenenanalyse Szene 9

Das soziale, gesellschaftskritische offene Drama „Woyzeck“ wurde von Georg Büchner im Jahr 1836 in der Epoche des Vormärz veröffentlicht, womit er mit dem Dramenfragment das Weltbild und die Tradition des klassischen Theaters brach. Am 8. November 1913 wurde es uraufgeführt.

Das Stück thematisiert die soziale Ungleichheit, die gesellschaftliche Stellungen zur Zeit Georg Büchners und den Pauperismus des Vormärz. Es handelt von dem psychisch labilen Soldaten Woyzeck, welcher zum Leittragenden der Gesellschaft wird und die soziale Ungleichheit mehrfach zu spüren bekommt.

Die Szenenanalyse beinhaltet, die in Dialogform verfasste, neunte Szene, in welcher bereits die sozialen Missstände in der Gesellschaft zum Vorschein kommen. Außerdem wird das Abhängigkeitsverhältnis der auftretenden Personen beleuchtet.

Die neunte Szene „Straße“ spielt sich auf einer Straße ab. Die darin auftretenden Personen wurden bereits in das soziale Drama eingeführt und sind der den Pauperismus verkörpernder Protagonist Woyzeck sowie der Doktor und Hauptmann, welche repräsentativ die Obrigkeit vertreten.

Die im Verlauf des Dramas vorangegangen Szenen umfassen inhaltlich die vom Hauptmann an Woyzeck ausgeübte Kritik eines unmoralischen Lebenswandels (vgl. Szene 5); eine vom Doktor angeordnete Erbsendiät, die Woyzeck in einem körperlich und geistig geschwächten Zustand hinterlässt (vgl. Szene 8), sowie Woyzecks Vorahnung, dass Marie ihn betrüge, welche sich in der vorliegenden Szene durch Anmerkungen des Hauptmanns intensivieren (vgl. S. 18, Z. 17 f.).

Inhaltlich wird in der zu analysierenden Szene das erste Aufeinandertreffen vom Doktor und dem Hauptmann, sowie dem später dazu stoßenden Woyzeck thematisiert. Ihre gegenseitige Abneigung wird spürbar, bis Woyzeck das Geschehen betritt und von beiden kritisiert wird. Aus der Szene geht deutlich die Kritik an der starken Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft zur Zeit Georg Büchners hervor.

Der Dialog lässt sich in vier Sinnabschnitte einteilen.

Der erste Sinnabschnitt umfasst einen Dialog zwischen dem Doktor und dem Hauptmann, welcher sich über S. 17, Z. 1 bis S. 18, Z. 3 zieht.

Der konditionslose und kraftlose Hauptmann hat große Schwierigkeiten, mit dem schnellen, dynamischen Schritttempo des Doktors mitzuhalten, weshalb er ihm rät, einen ruhigeren Lebensstil zu führen (vgl. S. 17, Z. 1-7). In dem Dialog legen sie sich gegenseitig ihre Weltsichten dar (vgl. S. 17, Z. 15 ff.). Der Hauptmann stört sich am schnellen Gang des Doktors, was auf ein schlechtes Gewissen hindeutet (vgl. Szene 5). Damit kritisiert er die schnelle Lebensweise des Doktors, welcher wiederum beim Hauptmann eine, durch einen Schlaganfall verursachte, baldige Lähmung diagnostiziert (vgl. S. 17, Z. 15 f.).

Währenddessen verspricht er ihm, ein so interessantes Studienobjekt zu werden, dass die Experimente ihm als Versuchsperson zu unsterblichen Ruhm bringen würden (vgl. S. 17 V. 23 f.). Beide machen sich gegenseitig übereinander lustig, bis der Hauptmann Woyzeck entdeckt, womit ein neuer Sinnabschnitt anbricht, welcher die Zeilen drei bis zwanzig auf der Seite 18 umfasst. In diesen Zeilen ist Woyzeck bereits Teil des Aufeinandertreffens, jedoch noch nicht aktiv in den Dialog involviert. Hauptmann und Doktor unterhalten sich in der dritten Person über den anwesenden Woyzeck und lassen ihren Ärger an Woyzeck aus, durch Beschuldigung der Affäre Maries und dem Tambourmajor.

Der dritte Abschnitt umfasst S. 18, Z. 21 bis S. 19, Z. 18, in dem Woyzeck sich aktiv am Gespräch beteiligt. Woyzeck reagiert auf die unterstellte Untreue Maries und bittet den Hauptmann, mit ihm keinen Spaß zu treiben, da er doch ein armer Kerl sei, der sonst nichts auf der Welt habe (vgl. S. 18, Z. 27 ff.). Im weiteren Gespräch analysiert der Doktor erfreut den erregten Gemütszustand Woyzecks (vgl. S. 19, Z. 8 f.).

Der letzte Sinnabschnitt grenzt das Ende der Szene von den Zeilen 19 bis 24 der Seite 19 ein, in welchem der Hauptmann darüber sinniert, wie die beiden Davoneilenden wirken und dass Rennen kein Merkmal eines guten Menschen sei (vgl. Szene 5).

Die Stellung der in der neunten Szene auftretenden Personen lässt sich als Dreiecksbeziehung bezeichnen, welche in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinanderstehen. Woyzeck ist sowohl dem Hauptmann als auch dem Doktor unterlegen. Seine Unterlegenheit ist zum einen an seinem gesellschaftlichen Stand erkennbar und zum anderen an seinem einfachen Sprachstil. Im direkten Kontrast steht die gehobene und gebildete Sprache des Doktors und Hauptmanns, welche auf ihre Angehörigkeit der höheren Gesellschaftsschicht zurückzuführen ist. Auffallend ist die vom Doktor häufig verwendete Fachsprache (vgl. S. 15, Z. 15). Durch die Verwendung vieler Fachbegriffe lässt sich eine dominierende Stellung des Doktors gegenüber dem Hauptmann feststellen. Ferner lassen sich deren Redeweisen als herablassend sowie demütigend beschreiben (vgl. S18, Z. 4 ff.). Sie nutzen Woyzeck jeweils für eigene Experimente als Versuchsobjekt aus (vgl. Szene 8) und machen sich hemmungslos über den geschwächten Soldaten lustig (vgl. S. 18, Z. 25 f.). Seine gesellschaftliche Stellung ziehen sie hierbei als Grund der Rechtfertigung heran. Zudem zeigen sie keinerlei Mitgefühl, sondern lassen ihren Ärger an ihm aus, durch Beschuldigung der Affäre Maries und dem Tambourmajor, was den geschwächten Zustand Woyzecks erschwert (vgl. S. 18, Z. 14 ff.).

Der Redeanteil der drei Personen ist ähnlich groß, unterscheidet sich jedoch deutlich im Sprachstil und der Wortwahl. Somit ist der Redeanteil symmetrisch, während sich das Verhältnis als asymmetrisch beschreiben lässt.

Weiterhin fällt auf, dass sowohl der Hauptmann als auch der Doktor trotz Anwesenheit Woyzecks über ihn nur in der dritten Person reden und ihn nie direkt ansprechen (vgl. S. 19, Z. 4 ff.). Außerdem registriert der Doktor lediglich Woyzecks Körperreaktionen (vgl. S. 19, Z. 8). Sein Fühlen als Mensch ist nie Gegenstand der Betrachtungen. Diese Verhaltensweise zeigt ebenfalls, dass beide keinen Respekt vor Woyzeck verspüren. Woyzeck als Mensch zeigt für sie keine Relevanz. Sie setzen ihn viel mehr mit einem Tier gleich (vgl. Szene 8, Z. 10).

Eine weitere Auffälligkeit bezüglich Woyzecks Wortwahl sind seine, wie auch in Szene fünf häufig auftretenden, kurzen Antworten „Jawohl“ (S. 18, Z. 21) sowie Ansprachen „Herr Hauptmann“ (S. 19, Z. 11). Diese verdeutlichen seine Unterlegenheit sowie Gehorsamkeit gegenüber dem Hauptmann und Doktor. Des Weiteren drückt sich Woyzecks Verzweiflung nicht nur in seiner Stimme aus, sondern gleichfalls in seinen abgebrochenen Sätzen (vgl. S. 19, Z. 15).

Bevor Woyzeck das Geschehen betritt, kommunizieren nur der Doktor und Hauptmann miteinander. Ihre jeweiligen Sprachabsichten deuten darauf hin, dass sie sich gegenseitig behaupten wollen. Sie wollen vielleicht auch den jeweils anderen etwas ärgern. Trotz allem läuft der Dialog unter den beiden auf Augenhöhe ab. Erst als Woyzeck das Geschehen betritt, ändern sich die Intentionen der beiden höher gestellten. Beiden ist Woyzecks Zustand und Schicksal gleichgültig. Dies wird deutlich an ihrem spöttischen Verhalten, denn die spielen ihre überlegene Stellung gemeinschaftlich aus. Woyzeck agiert nun für beide als Leittragender, welchen sie verspotten und über den sie sich hemmungslos lustig machen.

Die neunte Szene des Dramenfragments „Woyzeck“ lässt sich nur schwer einer einzigen Epoche zuordnen. Zeitgeschichtlich lässt sich das Fragment dem Vormärz zuordnen, welcher mit politischen Ideen auf die Restauration reagiert und Büchner Kritik an der Gesellschaft und dem Pauperismus ausübt. Er prangert die Oberschicht an, welche die Unterschicht unterdrückt, dass ein beschwerdefreies Leben nicht mehr zu gewährleisten ist. Diese Kritik wird stark in der vorliegenden Szene hervorgebracht.

Somit unterstützt sie Büchners allgemeine Intention, auf die soziale Ungleichheit aufmerksam zu machen. Dies verdeutlicht er anhand Vertreter der verschiedenen sozialen Schichten mit ihrer individuellen Sprache und Charakterzügen.

Ebenso wird dem Leser Woyzecks Stand in der Gesellschaft verdeutlicht. Er wird weder gleichgültig und mit Respekt behandelt, noch wie ein Mensch. Sein psychisch labiler und körperlich geschwächter Zustand wird ohne jegliches Mitgefühl ausgenutzt.

Die Funktion der Szene lässt sich zum einen auf die Dreiecksbeziehung zwischen Woyzeck, dem Doktor und dem Hauptmann beziehen, zum anderen auf ihr Abhängigkeitsverhältnis.

Woyzeck ist auf beide angewiesen, da er als Versuchsobjekt bei der vom Doktor durchgeführten Erbsendiät dient und sein Geld damit verdient. Beim Hauptmann verdient er Geld durch das Rasieren. Ohne diese Einkommensquellen könnte er Marie und Christian kein Leben finanzieren, weshalb er auf diese angewiesen ist. Auf der anderen Seite sind auch der Doktor und Hauptmann abhängig von Woyzeck. Ohne ihn könnten sie weder Experimente, bei denen Woyzeck als Versuchsobjekt dient, durchführen, noch könnte der Hauptmann rasiert werden. Sie nutzen demnach Woyzecks labilen Zustand und Hilflosigkeit in menschenunwürdigen Maße aus.

Die Szene drückt demnach das Abhängigkeitsverhältnis und Woyzecks labilen Zustand aus. Für das Drama dient die Szene dem Ausdruck der sozialen, gesellschaftlichen Ungleichheit und dem Pauperismus des Vormärz.

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