Büchner, Georg - Woyzeck (Szene 5, Der Hauptmann, Analyse)

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Referat

Woyzeck (Szene 5: „Der Hauptmann“) - Georg Büchner

In der fünften Szene aus Georg Büchners „Woyzeck“ (1967) wird die Beziehung von Woyzeck und seinem Vorgesetzten, dem Hauptmann, beschrieben. Das Drama besteht aus Fragmenten, welche nach dem Tod Büchners zusammengesetzt wurden. Es stammt aus der Epoche des Vormärz und befasst sich mit der gesamtgesellschaftlichen Situation des 20. Jahrhunderts.

In dieser Szene stellt Büchner das Machtverhältnis sowie die Beziehung Woyzecks, einem Befehlsempfänger und Repräsentanten der Unterschicht, und des Hauptmanns, der Vorgesetzte Woyzecks mit hohem militärischem Rang und Repräsentant der Oberschicht, dar. Als Deutungshypothese lässt sich schon am Anfang der Szene formulieren, dass sowohl die grundlegend verschiedenen Lebenssituationen, sowie auch die verschiedenen Probleme und Sorgen der beiden Protagonisten zu Kommunikations- und Verständnisschwierigkeiten führen könnten. Die komplette Szene besteht aus einem Dialog zwischen Woyzeck und dem Hauptmann, auch wenn Woyzeck im ersten der zwei Teile der Szene (S.12 Z.1-28) eine nahezu verschwindend geringen Redeanteil hat.

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Im Handlungskontext ist die Szene so zu verordnen, dass Woyzecks missliche Lage, aufgrund seines geringen Verdienstes und der trotzdem ständigen Verantwortung seine Freundin Marie und seinen Sohn Christian zu finanzieren, dazu führt, dass er, wenn es ihm vom Hauptmann erlaubt wird, Nebenjobs annimmt, wie beispielsweise das Rasieren des Hauptmanns, womit die Szene auch beginnt. Der Hauptmann hat in dieser Szene seinen ersten Auftritt und wird erstmals in das Stück miteinbezogen.

Wie bereits eingangs erwähnt beginnt die Szene damit, dass Woyzeck dabei ist seinen Hauptmann zu rasieren, weil er das zusätzliche Geld benötigt. Die Regieanweisung direkt am Anfang der Szene verweist darauf, dass der Hauptmann sitzt, während Woyzeck dabei ist ihn zu rasieren. Der Hauptmann philosophiert darüber, dass er noch lange zu leben habe, aber er von Langweile und Nicht-Beschäftigung geplagt sei und „Woyzeck [solle] langsam“ (S.12 Z.2) machen, da man selbst die einfachsten Dinge nicht mit Eile machen sollte, da so die Zeit langsamer vergeht. Er philosophiert weiter mit leeren Worten vor sich her während Woyzeck auf diese Ausdrücke seiner luxuriösen Probleme immer nur mit „Jawohl, Herr Hauptmann“ (S.12 Z.9) antwortet. Da der Hauptmann ihn mit einbeziehen will, stellt er ihm die inhaltslose Frage, „was [ist] heut für Wetter“ (S.12 Z.22-23) ist. Worauf Woyzeck wieder kurz angebunden antwortet, dass es windig sei. Darauffolgend stellt der Hauptmann Woyzeck eine Sprachfalle, indem er von Süd-Nord-Wind redet, welcher offensichtlich nicht existiert. Woyzeck antwortet darauf wieder mit seiner Floskel „Jawohl, Herr Hauptmann“ (S.12 Z.28). Daraufhin schreit der Hauptmann lachend auf, weil Woyzeck „ganz abscheulich dumm“ (S.12 Z.30) sei und er auf diese einfache Falle seinerseits hereingefallen ist.

Er fährt damit fort, dass Woyzeck doch so ein guter Mensch sei, aber moralisch verwerfliches getan habe. Hierbei nennt er das Kind auch beim Namen und kritisiert seinen unehelichen Sohn Christian, dessen Mutter Marie er auch im Nachhinein nicht geheiratet hat. Er spricht von einem Kind „ohne den Segen der Kirche“ (S.12 Z.34), woraufhin Woyzeck erstmals wirklich seine stumme Rolle verlässt und mit einem Bibelzitat antwortet, dass Gott alle Kinder aufnehmen und schätzen würde, unabhängig von dem Beziehungsstatus der Eltern. Der Hauptmann reagiert daraufhin verwirrt, da er die Argumente Woyzecks nicht so einfach verarbeiten noch entkräften kann. Woyzeck macht daraufhin klar, dass den Armen der Welt nichts geschenkt wird und dass man als armer Mensch in so einer Welt nicht auf die Moral setzen kann, denn auch selbst, wenn sie in den Himmel kommen würden, „so müssten [wir] [sie selbst dort beim] donnern helfen“ (S.13 Z.12 f.). Dabei spielt er offensichtlich darauf an, dass er selbst und jeder andere Vertreter seiner Schicht sein ganzes Leben mit Arbeiten verbringt, da sie sich nur so über Wasser halten können und nicht wie der Hauptmann die Sorge haben, dass die Zeit zu langsam vorübergeht.

Der Hauptmann verfällt daraufhin in Gerede davon, dass Woyzeck ein guter Mensch ist, aber keine Tugend besitze und redet am Ende wieder davon, dass die Zeit schwer herumzubringen ist (vgl. S.13 Z.14-22). Zur Tugend vermag Woyzeck ihm zu erläutern, dass Tugend dem oberen Volke vorbehalten wäre, da er als Herr mit einem Hut und einer Uhr, sowie einem Gehrock und der Fähigkeit vornehm reden zu können (vgl. S.13 Z.26f.), wäre er auch tugendhaft und könnte sich mit der Tugend befassen, jedoch sei er „armer Kerl“ (S.13 Z.29).

Das Gespräch der beiden wird an der Stelle vom Hauptmann beendet, welcher Woyzeck befiehlt jetzt zu gehen, nachdem er noch anmerkt, dass Woyzecks Aussagen ihn „angegriffen“ (S.13 Z.33 f.) haben und er zwar ein guter Mensch sei, jedoch zu viel nachdenken würde.

An dieser Szene lassen sich einige wichtige Aspekte herausstellen.

Beispielsweise das Machtverhältnis von Woyzeck und dem Hauptmann. Es fängt damit an, dass der Hauptmann sitzt, während Woyzeck steht. Daraus lässt sich schließen, dass Woyzeck dem Hauptmann unterstellt ist. Der Hauptmann darf bequem sitzen, während er im Stehen die Arbeit verrichten muss. Diese Körperstellung zueinander wird damit unterstützt, dass vom Hauptmann, vor allem im ersten Teil, die Initiative des Gespräches ausgeht. Er ergreift immer wieder das Wort, während Woyzeck eine sehr passive Rolle im Dialog einnimmt. Im zweiten Teil des Dialogs nimmt sein Gesprächsanteil zwar zu, jedoch ändert sich die Machtverteilung nicht. Die Rollen der beiden sind von vornherein komplementär. Der Hauptmann hat einen hohen militärischen Rang und ist materiell sowie finanziell abgesichert. Woyzeck hingegen ist ein niederer Stadtsoldat, welcher täglich um sein Überleben kämpfen muss und am Existenzminimum lebt. Daher kommt es auch, dass der Hauptmann die Argumente Woyzecks nicht nachvollziehen kann und es auch nicht will. Es herrscht so eine starke Kluft zwischen den sozialen Zuständen der beiden, dass diese zu einer Blockade für die Kommunikation der beiden wird.

Zusätzlich werden die Probleme des Hauptmanns deutlich. Er hat Luxusprobleme und redet über diese mit seinem Untergestelltem, welcher ihm in diesem Moment den Bart rasiert, also niedere Arbeit tut, um sich überhaupt über Wasser halten zu können. Dies weist auf eine fast schon paradoxe Weise der Machtausübung hin, welche dem Hauptmann entweder nicht aktiv bewusst ist oder er sie, was wahrscheinlicher ist, aus seinem Standpunkt nicht wahrhaben will, da er nicht in der Situation ist, sich über seine Existenz Sorgen machen zu müssen.

Ihm ist langweilig und für sein langes Leben sieht er keine wirkliche Beschäftigung. Diese harmlos wirkende Angst wandelt sich bei ihm schnell in eine existenzielle Sinnlosigkeit um, welche zu einer fast schon melancholischen Traurigkeit des Hauptmanns führt (vgl. S.12. Z.10-12, S.12 Z.17 f.). Diese schweben in Melancholie und der Angst vor der Sinnlosigkeit seiner Existenz leitet ihn dazu, Woyzeck dazu aufzufordern, langsamer zu arbeiten, um mit dem Haareschneiden die Zeit totschlagen zu können.

Auch fällt beim Hauptmann eine Tendenz zur Rührseligkeit auf, wenn er Woyzeck die Vater-Rolle spielt und von oben herab über ihn als Menschen und seine Taten urteilt (vgl. S.12 Z.30, S.13 Z.21). Hier driftet er darin ab, ihn schon fast mit Stolz zu loben, was ihn in die Vater Rolle schlüpfen lässt. Dennoch kritisiert er Woyzeck auch deutlich. Der Hauptmann führt Woyzecks existenziellen Probleme auf sein uneheliches Kind zurück. Woyzeck handelt bei dieser Anschuldigung interessant, da er ein Bibelzitat anbringt (vgl. S.13 Z. 1-4), welches dem Hauptmann veranschaulichen soll, dass alle, auch uneheliche Kinder, von Gott Barmherzigkeit erfahren könne, da er alle Kinder begrüßt.

Es lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Moral und dem gesellschaftlichen Stand in der Szene erkennen. Woyzeck pocht darauf, dass er nur unmoralisch sein kann, da er gar nicht die Möglichkeiten hat moralisch zu leben. Als Beispiel dafür führt er die Heirat an, welche er gar nicht finanzieren hätte können und ihm somit die Möglichkeit verwehrt geblieben wäre seinen Sohn ehelich und somit moralisch zu bekommen. „Da setz einmal einer seinesgleichen auf die Moral in der Welt“ (S.13 Z.9 f.), sagt Woyzeck an dieser Stelle, um den Hauptmann auf genau dieses Problem aufmerksam zu machen.

Weiter führt er diesen Aspekt, als der Hauptmann ihn als jemanden ohne Tugend beschreibt (vgl. S.13 Z.14 ff.), worauf er ihm entgegnet, dass ein tugendhaftes Leben der Oberschicht vorbehalten sei, da man dafür den Grundstein des Lebens für selbstverständlich erachten müsse und nicht wie er täglich um seine nächste Mahlzeit bangen müsse. Wenn er Reichtümer wie einen Hut oder einen Gehrock besitzen würde, sagt Woyzeck, wäre er sicher auch tugendhaft, nur leider ist ihm diese Schönheit aufgrund seiner gesellschaftlichen Stellung verwehrt (vgl. S.13 Z.23-29).

Auf diese doch sehr schlüssigen Argumente Woyzecks kommt der Hauptmann mit seinen leeren physiologischen Erklärungen ins Straucheln. Er weicht dem Ganzen strikt aus, was ganz klar seine intellektuelle Untergebenheit zeigt. Er hält sich zwar durchweg schlauer und intellektueller als Woyzeck, was jedoch nicht an seiner besseren Bildung liegt, sondern daran, dass er doch seine Schicht und seine Stellung zu Woyzeck automatisch eine gewisse Überlegenheit gegenüber ihm empfindet, welche sich auf jegliche Felder ausbreitet. Es kommt daher gar nicht zu dem Gedanken, weder bei Woyzeck noch beim Hauptmann, dass Woyzeck in der Überlegung intellektuell über dem Hauptmann steht.

Hinzu kommt, dass der Hauptmann an dieser Stelle mit den sozialen Zwängen der Unterschicht konfrontiert wird, mit welchen er sich in seiner privilegierten Stellung weder auseinandersetzen will noch kann, da er diese Zwänge gar nicht verstehen kann. Hier wird die Kluft zwischen den beiden sehr deutlich, da das soziale Leben Woyzecks für den Hauptmann nicht nur fremd ist, sondern unvorstellbar.

Dieser Zustand äußert sich im Dialog als Ignoranz des Hauptmanns hinsichtlich Woyzecks Situation und die unüberschreitbare Kluft zwischen Arm und Reich wird visualisiert. Zur Wechselbeziehung zwischen die genannten inhaltlichen Aspekte lassen sich zusätzlich auch sprachliche Indizien feststellen, die die oben genannten Hypothesen unterstützen. Angefangen damit, dass der Hauptmann von Woyzeck immer als „Er“ (z.B. S.12 Z.29 f.) anspricht, was natürlich eine künstliche Distanz zwischen den beiden schafft. Des Weiteren hat der Hauptmann eine teilweise unüberlegte und im Nachhinein verletzende Wortwahl. Beispielhaft zu nennen ist hier „o, er ist dumm, ganz abscheulich dumm“ (S.12. Z. 29-30). Dies ist gleichzeitig auch eine Anapher, welche öfter in der Sprache des Hauptmanns auftauchen. Diese kommen auch primär zustande, weil er nicht sehr sprachgewandt ist und die wenigen Wörter seines Wortschatzes so immer wieder wiederholen muss, um seine Sätze zu füllen.

Er will sich immer sehr gewählt, nachdenklich und hinterfragend ausdrücken, was oft darin endet, dass er Worte mit dem eigentlichen Wort erklären will, wie beispielsweise in „Ewig, das ist ewig“ (S.12 Z.12). Diese philosophisch wirkend sollende Sprache soll seine offensichtlichen Bildungslücken kaschieren. Er bemerkt diese Worthüllen in seinen Ausschweifungen jedoch nicht, weil niemand unter ihm es wagen würde, sein gesagtes spezifisch zu kritisieren, noch besitzt er die Fähigkeit sich selbst so zu reflektieren, dass er diese Missstände selbst erkennen könnte.

Weiterhin fallen wieder Wortwiederholungen auf wie „Ein guter Mensch tut das nicht, ein guter Mensch, der sein gutes Gewissen hat“ (S.12 Z.20 ff.). Hier fällt auf, dass er nicht nur ein Wort immer wieder verwendet, sondern auch relativ simple Wörter benutzt, was auf seine niedere Bildung hinweist. Zum Ende der Szene lässt sich sagen, dass der Hauptmann endgültig auf seine Grenzen stößt und weder die Argumente Woyzecks verstehen noch widerlegen kann, obwohl er sich trotzdem sprachlich und intellektuell auf einem höheren Niveau sieht. R bricht das Gespräch mit einem Befehl an Woyzeck ab, was wieder beweist, dass sich das Machtverhältnis der beiden während des gesamten Gespräches nicht verändert hat.

Der Bezug auf die Epoche des Dramas lässt sich dahin gehend schließen, dass der Hauptmann eine typische Darstellung der damaligen Oberschicht ist. Er verfügt über keine tiefergehende Bildung, von dem er aber das Gegenteil annimmt, und die Macht über andere, in dem Fall über Woyzeck, ist für ihn existenziell und lässt ihn zu dem werden, was er von sich hält.

Zusammenfassend lässt sich somit sagen, dass in dieser Szene das Machtverhältnis zwischen dem Hauptmann und Woyzeck verdeutlicht wird. Der Hauptmann wird als zweiter Vertreter der Oberschicht ins Drama eingeführt und wird klar über Woyzeck gestellt. Der Rangunterschied wird verdeutlicht und es kommt zu einer leichten Konfrontation des Hauptmanns mit den existenziellen Problemen Woyzecks, welche aufgrund seiner sozialen Stellung zustande kommen. Gleichzeitig redet der Hauptmann über seine Probleme und sieht sich in der Situation über Woyzecks Lebensstil zu urteilen, was dazu führt, dass Woyzeck ihm erklärt, wie das Leben als Teil der Unterschicht ist. Der Hauptmann lenkt erst vom Thema ab und bricht die Unterhaltung schließlich ab, weil er sprachlich sowie intellektuell an seine Grenzen gestoßen ist. Sprachlich spricht der Hauptmann mit einfachen Worten und Möchtegern philosophischen Aussagen, welche in leeren Worthüllen und Anaphern enden. Woyzeck versucht sich etwas gewählter zu verteidigen, wobei die Rangordnung sich niemals verändert und der Hauptmann Woyzeck zu jeder Zeit überstellt ist.

Meine Deutungshypothese vom Anfang lässt sich demnach bestätigen, da keine vernünftige Kommunikation aufgrund der verschiedenen dargestellten Lebensumstände der unterschiedlichen Schichten möglich ist. Die Aktualität des Themas ist immer noch vorhanden, jedoch lange nicht mehr so stark wie zur damaligen Zeit. Dass der Bildungsgrad nicht unbedingt das Vermögen oder die Gesellschaftsschicht bestimmt, ist meiner Meinung nach jedoch immer noch auf unsere heutige Gesellschaft anzuwenden.

Charakteristik Hauptmann

  • Komplizierte Gestalt, im Gegensatz zum Doktor.
  • Der Hauptmann wird nicht in einem militärischen Umfeld gezeigt.
  • Der Doktor beschreibt ihn als aufgedunsen, fett, mit dickem Hals.
  • Der Hauptmann ist weniger eine Karikatur des Militärs als eine des bürgerlichen Philisters.
  • Er hat bürgerliche Züge mit einem kräftigen Einschlag ins Halbherzige - Spießbürgerliche.
  • Die steten Doppelungen der Begriffe in seinem Reden zeugen von formelhaftem inhaltslosen Gebrauch.
  • Der Hauptmann gibt sich als Repräsentant einer guten Gesellschaft, obwohl er in Wahrheit dem Schicksal Woyzecks gegenüber lieblos, unmenschlich und indifferent ist.
  • Er ist ein harmlos - gefährlicher Träger einer doppelten Moral.
  • Er gebraucht die Begriffe Moral und Tugend, um sich in ihnen zu sonnen und zu bestätigen. In Wahrheit nutzt er, wie der Doktor, Woyzeck nur schamlos aus.
  • Woyzeck rebelliert nicht gegen den Hauptmann, sondern resigniert vielmehr, da er denkt, dass sich die Verhältnisse auch nach seinem Tode nicht verändern werden.
  • Nervosität, Schreckhaftigkeit und Unrast sind typisch für den Hauptmann.
  • Langeweile als Symptom für den Verlust der Transzendenz und der Seinsangst.

Charakteristik Woyzeck

  • Gegenfigur zum dramatischen Helden. Er gehört zu den leidenden, gedrückten Gestalten, denen Büchners ganzes Mitleid gehört.
  • Er ist ein Elender, Schwacher, von allen und vor allen Erniedrigter. Zu keiner der ihn umgebenen Gestalten findet er eine menschliche Beziehung, keine der Gestalten findet zu ihm.
  • Der Doktor missbraucht ihn als Versuchsobjekt, der Hauptmann bezeichnet ihn als „schlechten Menschen“, Andres hat kein Verständnis für ihn, die Handwerksburschen malträtieren ihn, der Jude nimmt ihn aus, der Tambourmajor (miss)braucht ihn, um sich zu beweisen. Marie betrügt ihn. Mit ihr verliert er das Einzige, was ihm am Leben geblieben ist. Woyzeck ist verlassen und lässt sich gut mit dem Kind aus dem Märchen der Großmutter vergleichen.
  • Woyzeck ist nichts anderes als ein austauschbares, in die militärische Maschinerie eingeordnetes Glied. Er gehört ganz und gar zu den „armen Leut“, denen er sich selbst komplett zurechnet.
  • Er definiert sich nicht durch sich selbst, durch seine Arbeit. Er definiert sich durch die Liebe zu Marie, welche dann durch ihren Treuebruch zerstört wird.
  • Er verdient zu wenig, als dass er Marie und das Kind versorgen könnte und gibt sich deshalb dem Doktor als Versuchsobjekt hin, um ein bisschen Geld dazuzuverdienen. Diese Experimente schwächen ihn und sind vielleicht die Ursache für seinen Wahnsinn. Woyzeck ist ein Gehetzter; er hat nie Zeit.
  • Woyzeck leidet unter der sozialen Misere, genauso, wie er unter seine Kommunikationslosigkeit leidet. Er steht isoliert und hat Angst sich mitzuteilen. Ihm ist alles, was ihm begegnet fremd und bedrohlich. Er kann es nicht sprachlich bewältigen. So ist Woyzeck nicht nur von der Gesellschaft missbraucht, sondern er sieht sich auch überall dem Anonymen, dem Namenlosen gegenüber, das er sprachlich nicht bannen kann.
  • Alles was ihm Angst macht, dass presst er in ihm bekannte Erklärungsmuster und diese sind nach außen hin die Halluzinationen. Diese Pseudoerklärungen helfen ihm mit den Ängsten fertig zu werden. Die Stimmen werden für Woyzeck zu einer äußeren Macht, bestimmen im Unterbewusstsein sein Handeln.
  • Die Stimme, die Woyzeck hört, kurz bevor er Marie umbringt, ist ein Einsturz seines allzu sehr gepeinigten Ichs.
  • Marie bedeutet Woyzecks Identität. Ihr Mord kommt einem Selbstmord gleich.
  • Er befragt sich selbst in radikaler Weise. Woyzecks Fragen sind zugleich die Fragen, die das Drama an den Leser/Zuschauer stellt.
  • Was ist der Mensch? – Ist er nicht mehr als ein zivilisiertes Tier? – Was treibt den Menschen zu seinen Handlungen? – Sind diese Handlungen nicht sinnlos? – Gibt es eine Erlösung aus all der Sinnlosigkeit und Einsamkeit? - Wie findet der Einzelne zum Du? usw
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