Büchner, Georg - Woyzeck (Szene - der Hof des Doktors)

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Georg Büchner, Interpretation, Szene, Referat, Hausaufgabe, Büchner, Georg - Woyzeck (Szene - der Hof des Doktors)
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Referat

Georg Büchner - Woyzeck (Interpretation der Szene: Der Hof des Doktors)

„Herr Doktor, ich hab’s Zittern“, (Z. 15), sagt Woyzeck und es scheint ihm tatsächlich nicht gut zu gehen, denn kurz darauf wird ihm Schwarz vor Augen, er muss sich setzten (Vgl. Z. 24) Woyzeck ist die Hauptperson des gleichnamigen Dramenfragments von Georg Büchner. (Veröffentlicht?) Er ist ein einfacher Soldat. In diesen Beruf verdient man nicht viel Geld und so verdient sich Franz Woyzeck mit einem „Zweitjob“ noch etwas dazu. Er nimmt am Versuch eines Doktors teil. Doch was untersucht der Doktor eigentlich? Leidet Woyzeck an einer schweren Krankheit, die der Artzt zu heilen versucht? Testest er ein neuartiges Medikament?, das künftig Leben retten soll? Oder missbraucht der Doktor auf unverantwortliche Weise Woyzeck für zweifelhafte Experimente? Diesen Fragen möchte ich mit Hilfe einer Interpretation der Szene „Der Hof des Doktors“ auf den Grund gehen.

Woyzeck steht von Studenten umringt im Hof des Doktors. Im Moment steht er oben am Dachfenster und spricht zu seinen Zuhörern im Hof: „Meine Herren, wir sind an der wichtigen Frage des Verhältnis des Subjekt zum Objekt.“ (Z. 3ff) AN dieser wichtigen Frage bin auch ich mit dieser Interpretation angekommen. Der Doktor ist eindeutig das Subjekt der Szene. Er spricht zu den Studenten und präsentiert Woyzeck, das Ergebnis seines Experiment. Deutlich wird seine dominierende Person bei einem Vergleich der Redebeiträge. Während der Doktor den interessanten Fall ,Woyzeck’ seinen Studenten erklärt und den Fall selbst Anweisungen gibt, sagt Woyzeck stets nur ein paar Worte. Woyzeck ist das Objekt. Er wird präsentiert, wird erklärt und (wird) untersucht. Ein zweites Objekt kommt in der Szene vor: eine Katze. Da diese dem Doktor davonläuft, präsentiert dieser (aber lieber) sein anderes ,Versuchstier’: „...Sie können dafür etwas anderes sehen. Sehen sie: der Mensch. Seit einem Vierteljahr isst er nichts als Erbsen.“ An dieser Stelle wird deutlich, dass der Doktor Woyzeck
auf die gleiche Stufe stellt wie die Katze. Woyzeck der Mensch wird in den Augen des Doktors und der Studenten zu einem Versuchsobjekt degradiert, das auf der gleichen Stufe steht wie eine Katze. Weitere Belege für diese Degradierung finden sich in der Wortwahl des Doktors. In Z. 13 nennt er die Katze „eine Bestie“ Die selbe Bezeichnung verwendet er später (in Zeile 31) für Woyzeck.

Doch wofür braucht der Artzt seine Versuchsobjekte eigentlich? Was ist das Ziel der Experimente? Hinweise für eine Antwort finden sich in der Sprache des Doktors. Er spricht gestellt, baut Fachwörter wie „ die organische Selbstaffirmatio“ (Z. 6) und französische Wendungen in seinen Vortrag ein. Der Doktor will sein Publikum beeindrucken, will gelert wirken. Tatsächlich ist dies der einzige Sinn seiner Versuche. Dies zeigt sich in der Versuchsbeschreibung: Was geschieht, wenn ein Mensch „ein Vierteljahr (...) nichts als Erbsen [...]“ (Z. 21). Ein solcher Versuch bringt keine wissenschaftlichen Erkenntnisse. Dass Unter- und Fehlernährg die menschliche Gesundheit beeinträchtigen, ist schon seit langem bekannt. Der Doktor benutzt Woyzeck aus purem Eigeninteresse. Sein Handeln ist egoistisch und unverantwortlich, da kein wissenschaftlicher Nutzen die möglichen Schäden an Woyzecks Gesundheit rechtfertigen könnte. Auch scheint sich der Artzt keinerlei Sorgen um das Ergehen seines Versuchsobjektes zu machen. Als Woyzeck klagt, er habe das „Zittern“ (Z. 15) und in würde „dunkel“ (Z. 24), scheint der Doktor erfreut, dass die interessanten Symtome so zahlreich auftreten. Händereibend kommentiert er: „Ei, ei, schön, Woyzeck!“ (Z. 24). Das Unglück des Mannes, der ihm völlig ergeben ist, nimmt der Doktor gedankenlos in Kauf. Einen Hinweis dafür gibt er selbst: „Meine Herren, ich bin auf dem Dach wie David, als er Bathseba sah.“ (Z. 1). Bathseba war, laut der Biblischen Geschichte, eine verheiratete Frau.

Von seinem Dach aus sah David sie und ließ sie sich in sein Haus holen. Er schlief mit ihr. Wenig später ließ sie David ausrichten, sie sei schwanger. Nun befand dieser sich in einer misslichen Lage. Bathsebas Mann durfte nichts von seinem Ehebruch erfahren. Also ließ David den unwissenden Ehemann im Krieg an vorderster Front Kämpfen, wo dieser starb. David hatte also die Frau, die ihm, dem König gehorchen musste, in sein Bett gezwungen, ohne an die Folgen, die sich dadurch für die Begerte ergeben könnten, zu denken. Genauso wie der Doktor Woyzeck benutzt um ein egoistisches Bedürfnis zu befriedigen, benutzte David Bathseba. Auch die Folgen dieses Handelns ähneln sich: David lässt Bathsebas Mann töten. Er ersticht ihn nicht selbst sondern schafft günstige Vorraussetzungen für seinen Tod. Das selbe tut auch der Doktor. Woyzeck ist schon seit längerem psychisch labil. Er zeigt Ansätze von Verfolgungswahn und lässt sich von Stimmen leiten, die er zu hören meint. All das weiß der Doktor, er hat es als Symtome seines „interessanten Falls“ (Zitat, S. ? Z. ?) notiert. Trotzdem bietet er Woyzeck keine psychatrische Hilfe sondern schwächt in durch seine Experimente. Er weiß, dass Woyzeck ihn gehorchen muss. Wie David gehört der Doktor einer höheren Schicht an als sein Objekt., das ihm dann vertrauensvoll gehorcht. Woyzeck ist ein obrichtkeitshöriger Mensch. Auch als er schon stark durch die Experimente des Doktors geschwächt ist, versucht er noch dessen Anweisungen zu folgen. Dies zeigt sich
deutlich, als der Artzt an anbrüllt „die Katze, die dieser gerade zu Demonstationszwecken aus den Fenster geworfen hat, aufzufangen. Woyzeck eilt sofort herbei und fängt das Tier, obwohl es ihn beißt. Der Doktor weiß dies alles. Er kann ahnen, dass sein ‚Objekt’ durch die körperliche Schwäche auch psychisch geschwächt wird.

Diese psychische Schwächung führt im Laufe des Buches dazu, dass Woyzeck sich in immer stärkeren Maßen von seinen inneren Stimmen leiten lässt. Als diese ihn drängen seine untreue Freundin Marie zu töten ersticht er das Mädchen. Der Ausgang von Woyzecks Geschichte ist als der gleiche wie der Bathsebas. Ihre Partner werden getöten. Für dieses Sterben haben die jeweiligen ,Nutzer’ die Voraussetzungen geschaffen. Die Szene „Der Hof des Doktors“ steht nach ungefähr 2 Dritteln des gesammten Dramenfragments. Noch lebt Marie, noch ahnt Woyzeck nichts von dem Mord, den er begehen wird, doch schon hier kündigt er sich an. Der erste Satz des Doktors bildet einen Code, hinter dem sich die weitere Geschichte versteckt: „...ich bin auf dem Dach, wie David, als er Bathseba sah.“ Diese Szene ist das Moment des Werkes, als der tragische Schluss unvermeitlich wird. Die Degradierung Woyzecks erreicht ihren Höhepunkt indem er nicht nur missbraucht wird, sondern diese Erniedrigung öffentlich präsentiert wird.

Durch diese Szeneninterpretation ist deutlich geworden, dass sich die in der Einleitung gestellte Frage, ob der Doktor Woyzeck auf unverantwortliche Weise missbraucht beantwortbar geworden. Woyzeck wird für die egoistischen Bedürfnisse des Doktors auf menschenverachtende Weise missbraucht. Unverantwortlicherweise ignoriert der Doktor die Probleme seines „Versuchsobjektes“ komplett und führt durch seine Versuche eine starke gesundheitliche Verschlechterung herbei. Damit schafft er Vorraussetzungen, auf deren Grundlage Woyzeck, erniedrigt und betrogen, einen Mord begeht. Georg Büchner orientierte sich bei der Verfassung seines letzten Werkes ’Woyzeck’ an einem historischen Fall. Woyzecks historisches Vorbild, das ebenfalls den Namen Woyzeck trug, wurde wegen Mordes zum Tode verurteilt. Ein medizinisches Gutachten belegt, dass er  Stimmen hörte und Erscheinungen hatte, von denen er ich leiten ließ. Trotzdem wurde Franz Woyzeck hingerichtet. Büchner hat den Fall aufgegriffen und Woyzeck ein Gesicht gegeben. Sein Werk macht möglich, was kein medizinisches Gutachten gewärleisten kann: Es lässt seine Leser und (Theater)Zuschauer nachvollziehen, was Woyzeck zum Mörder machte. Büchner porträtiert einen einsamen Menschen, der tötet. Gleichzeitig legt er Zeugnis ab über eine Gesellschaft, die durch Missbrauch von Persönlichkeiten, durch Ignorieren von Problemen, tiefes Unverständnis für andere Gesellschaftsschichten geprägt ist. Die Charaktere des Stückt, Marie, die untreue Freundin, der skrupellose Artzt und der hörige Woyzeck sind Figuren, die in unzähligen Menschen stecken. Sie sind keine Monster, die nicht realistisch existieren können, sondern Menschen, denen Büchner alltäglich begegnete und die an allen Gesellschaften entstehen.

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