Abreise von Eduard Mörike

Fertig schon zur Abfahrt steht der Wagen,
Und das Posthorn bläst zum letzten Male.
Sagt, wo bleibt der vierte Mann so lange?
Ruft ihn, soll er nicht dahinten bleiben!
Indes fällt ein rascher Sommerregen;
Eh man hundert zählt, ist er vorüber;
Fast zu kurz, den heißen Staub zu löschen;
Doch auch diese Letzung ist willkommen.
Kühlung füllt und Wohlgeruch den weiten
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Platz und an den Häusern ringsum öffnet
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Sich ein Blumenfenster um das andre.
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Endlich kommt der junge Mann. Geschwinde!
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Eingestiegen! - Und fort rollt der Wagen.
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Aber sehet, auf dem nassen Pflaster
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Vor dem Postbaus, wo er stillgehalten,
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Läßt er einen trocknen Fleck zurücke,
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Lang und breit, sogar die Räder sieht man
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Angezeigt und wo die Pferde standen.
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Aber dort in jenem hübschen Hause,
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Drin der Jüngling sich so lang verweilte,
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Steht ein Mädchen hinterm Fensterladen,
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Blicket auf die weiß gelaßne Stelle,
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Hält ihr Tüchlein vors Gesicht und weinet.
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Mag es ihr so ernst sein? Ohne Zweifel;
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Doch der Jammer wird nicht lange währen:
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Mädchenaugen, wißt ihr, trocknen hurtig,
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Und eh auf dem Markt die Steine wieder
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Alle hell geworden von der Sonne,
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Könnet ihr den Wildfang lachen hören.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.9 KB)

Details zum Gedicht „Abreise“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
29
Anzahl Wörter
190
Entstehungsjahr
1804 - 1875
Epoche
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das betrachtete Gedicht ist „Abreise“ von Eduard Mörike, einem deutschen Lyriker und Pfarrer aus dem 19. Jahrhundert, der zur Epoche der Romantik gezählt wird.

Beim ersten Eindruck fällt auf, dass das Gedicht eine Erzählung aus dem Alltagsleben ist. Es gibt eine sinnliche und lebendige Darstellung von Szenen aus dem Leben. Das Gedicht scheint sowohl ernste als auch ausgelassene Stimmungen auszudrücken.

Inhaltlich erzählt das Gedicht die Geschichte von einem jungen Mann, der auf Reisen geht. Der Wagen zur Abfahrt ist bereits bereit, das Posthorn bläst zum letzten Mal, der Sommerregen fällt schnell und die Person verlässt den Ort. Es wird eine Atmosphäre des Abschieds und der Aufbruchstimmung geschaffen. Gleichzeitig wird eine junge Frau gezeigt, die traurig bei der Abfahrt des Jünglings ist, jedoch wird eine schnelle Erholung von der Traurigkeit angedeutet.

In der lyrischen Aussage des Gedichts ist eine zwiespältige Stimmung enthalten. Einerseits gibt es das Bedauern über den Abschied, andererseits aber auch die Vorfreude und der Optimismus über die Reise und die Zukunft. Außerdem wird auch die Vergänglichkeit von Gefühlen und Stimmungen betont.

Die Form des Gedichts ist geprägt durch freie Verse und eine erzählende Struktur. Es gibt keinen festen Reim- oder Rhythmusplan. Die Sprache des Gedichts ist verständlich und unprätentiös, sie stellt Szenen und Gefühle mit einfachen Worten und klaren Bildern dar. Das Gedicht spielt mit den Kontrasten zwischen Bewegung und Stillstand, zwischen Freude und Trauer, zwischen Aufbruch und Bleiben.

Insgesamt lässt sich sagen, dass Mörikes „Abreise“ als eine Art Momentaufnahme des Lebens verstanden werden kann, die zeigt, wie schnell sich Stimmungen und Gefühle ändern können und wie das Leben ständig in Bewegung ist.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Abreise“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Eduard Mörike. Geboren wurde Mörike im Jahr 1804 in Ludwigsburg. Zwischen den Jahren 1820 und 1875 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Biedermeier zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Mörike handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 190 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 29 Versen mit nur einer Strophe. Eduard Mörike ist auch der Autor für Gedichte wie „Lose Ware“, „Gesang Weylas“ und „Auf eine Christblume“. Zum Autor des Gedichtes „Abreise“ haben wir auf abi-pur.de weitere 171 Gedichte veröffentlicht.

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