Abschied von Eduard Mörike
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Unangeklopft ein Herr tritt abends bei mir ein: |
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»Ich habe die Ehr, Ihr Rezensent zu sein.« |
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Sofort nimmt er das Licht in die Hand, |
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Besieht lang meinen Schatten an der Wand, |
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Rückt nah und fern: »Nun, lieber junger Mann, |
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Sehn Sie doch gefälligst mal Ihre Nas so von der |
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Seite an! |
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Sie geben zu, daß das ein Auswuchs is.« |
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Das? Alle Wetter - gewiß! |
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Ei Hasen! ich dachte nicht, |
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All mein Lebtage nicht, |
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Daß ich so eine Weltsnase führt im Gesicht!! |
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Der Mann sprach noch Verschiednes hin und her, |
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Ich weiß, auf meine Ehre, nicht mehr; |
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Meinte vielleicht, ich sollt ihm beichten. |
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Zuletzt stand er auf; ich tat ihm leuchten. |
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Wie wir nun an der Treppe sind, |
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Da geb ich ihm, ganz froh gesinnt, |
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Einen kleinen Tritt, |
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Nur so von hinten aufs Gesäße, mit |
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Alle Hagel! ward das ein Gerumpel, |
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Ein Gepurzel, ein Gehumpel! |
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Dergleichen hab ich nie gesehn, |
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All mein Lebtage nicht gesehn |
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Einen Menschen so rasch die Trepp hinabgehn! |
Details zum Gedicht „Abschied“
Eduard Mörike
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25
161
1804 - 1875
Biedermeier
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Abschied“ stammt von dem deutschen Lyriker Eduard Mörike, welcher in der Epoche des Biedermeiers und Realismus wirkte (1804-1875).
Der erste Eindruck des Gedichts ist stark humorvoll und überraschend. Es beginnt mit einem unerwarteten Besucher am Abend - ein Literaturkritiker. Das lyrische Ich wird unverhohlen kritisiert, es wird sogar auf seine physischen Unzulänglichkeiten hingewiesen - seine „Weltsnase“. In der zweiten Strophe beendet der unangenehme Gast seinen Besuch und das lyrische Ich ist so erfreut darüber, dass es ihm beim Verlassen einen kräftigen Tritt versetzt.
Im Allgemeinen kann das Gedicht als metaphorische Darstellung der Begegnung zwischen einem Autor und einem übereifrigen Kritiker betrachtet werden. Das lyrische Ich ist hier nicht bereit, die gemeine Kritik an sich selbst hinzunehmen und reagiert auf seine eigene Weise, indem es dem Kritiker einen kleinen Tritt gibt. Dies könnte als symbolische Manifestation des Wunsches des Autors gesehen werden, sich gegen die unerbittliche Kritik zu wehren und seine Würde zurückzuerlangen.
Das Gedicht nutzt einfache, umgangssprachliche Sprache, verpackt in einem Volkslied-artigen Rhythmus. Die Verse sind unregelmäßig - die erste Strophe hat zwölf Verse, die zweite dreizehn, und die Verse unterscheiden sich stark in der Länge. Dies unterstreicht den humorvollen und verspielten Aspekt des Gedichts. Interessanterweise enden beide Strophen mit dem Ausdruck „All mein Lebtage nicht gesehn“, einer Wendung, die einen Überraschungseffekt erzeugt und zur Gesamtironie des Gedichts beiträgt.
Insgesamt ist das Gedicht von Eduard Mörike ein humorvoller, subtiler Seitenhieb auf die Kritiker der literarischen Welt und ein Loblied auf die Selbstbehauptung. Der Autor verwendet seine Kunstfertigkeit und seinen Witz, um eine einfache, aber dennoch kraftvolle Botschaft zu vermitteln.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Abschied“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Eduard Mörike. Der Autor Eduard Mörike wurde 1804 in Ludwigsburg geboren. Zwischen den Jahren 1820 und 1875 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Biedermeier kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Mörike ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 161 Wörter. Es baut sich aus 2 Strophen auf und besteht aus 25 Versen. Die Gedichte „Lose Ware“, „Gesang Weylas“ und „Auf eine Christblume“ sind weitere Werke des Autors Eduard Mörike. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Abschied“ weitere 171 Gedichte vor.
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