Wie man’s macht von Ferdinand Freiligrath

So wird es kommen, eh’ ihr denkt: – Das Volk hat Nichts zu beißen mehr!
Durch seine Lumpen pfeift der Wind! Wo nimmt es Brod und Kleider her?
Da tritt ein kecker Bursche vor; der spricht: „Die Kleider wüßt’ ich schon!
Mir nach, wer Rock und Hosen will! Zeug für ein ganzes Bataillon!“
 
Und wie man eine Hand umdreht, stellt er in Rotten sie und Reih’n,
Schreit: „Linksum kehrt!“ und: „Vorwärts Marsch!“ und führt zur Kreisstadt sie hinein.
Vor einem steinernen Gebäu Halt machen läßt er trutziglich:
„Seht da, mein Kleidermagazin – das Landwehrzeughaus nennt es sich!
 
„Darinnen liegt, was ihr bedürft: Leinwand zu Hemden, derb und schwer!
10 
Wattirte Jacken, frisch genäht – dazu von zweierlei Kouleur!
11 
Tuchmäntel für die Regennacht! Feldmützen auch und Handschuh’ viel,
12 
Und alles, was sich sonst gehört zu Heerschau und Paradespiel!
 
13 
„Ihr kennt den ganzen Rummel ja! Ob auch mit Hadern jetzt bedeckt,
14 
Haben die Meisten doch von euch in der Montirung schon gesteckt!
15 
Wehrmänner seid ihr allzumal! So lange Jeder denn vom Pflock
16 
Sich seinen eignen Hosensack und seinen eignen blauen Rock!
 
17 
„Ja, seinen Rock! Wer faselt noch vom Rock des Königs? – Liebe Zeit!
18 
Gabt ihr die Wolle doch dazu: geschorne Schafe, die ihr seid!
19 
Du da – ist nicht die Leinwand hier der Flachs, den deine Mutter spann,
20 
Indeß vom kummervollen Aug’ die Thrän’ ihr auf den Faden rann?
 
21 
„Nehmt denn! So recht! Da prunkt ihr ja, als ging’s zu Felde morgen früh,
22 
Oder doch allerwenigstens nach Grimlinghausen zur Revue!
23 
Nur die Muskete fehlt euch noch! Doch sieh’, da steht von ungefähr
24 
Der ganze Saal voll! Zum Versuch: – Gewehr in Arm! Schultert’s Gewehr!
 
25 
„Ganz, wie sich’s hört! Das nenn’ ich Schick! Am Ende … Jungens, wißt ihr was?
26 
Auch die Gewehre wandern mit! – Gewehr bei Fuß! – Das wird ein Spaß!
27 
Und würd’ es Ernst … Nun, möglich ist’s! Sie machen immer groß Geschrei,
28 
Und nennen diesen Kleiderwitz vielleicht noch gar Rebellerei!
 
29 
„Nennen ihn Einbruch noch und Raub! – In wenig Stunden, sollt ihr seh’n,
30 
Wird uns ein Linienregiment schlagfertig gegenüber steh’n!
31 
Da heißt es denn für seinen Rock die Zähne weisen! D’ran und d’rauf!
32 
Patronen her! Geladen, Kerls! Und pflanzt die Bajonette auf!
 
33 
„Stülpt auch den Tschako auf den Kopf, und hängt den Degen vor den Steiß: –
34 
Daß ihr ihn „Käsemesser“ nennt, ein glückverkündend Omen sei’s!
35 
Kein Hirn, will’s Gott, besudelt ihn! Kein Herzblut, hoff’ ich, färbt ihn roth –
36 
Für Weib und Kinder „Käse“ nur soll er zerhau’n und nahrhaft Brot!
 
37 
„Und nun hinaus! Tambour voran, Querpfeifer und Hornistenpaar!
38 
Soll auch die Adlerfahne noch vorflattern, Brüder, eurer Schaar?
39 
Der Teufel auch! Was kümmert uns vergangner Zeit Raubvögelpack!
40 
Wollt ihr ein Banner: Eines nur schickt sich für euch – der Bettelsack!
 
41 
„Den pflanzt auf irgend ein Gerüst: – da, hier ist ein Uhlanenspeer! –
42 
Und tragt ihn, wie die Geusen einst, mit zorn’gem Stolze vor euch her!
43 
Ihr könnt es füglicher, als sie! Ihr tragt den Sack nicht bloß zum Staat,
44 
Ihr seid nicht bloß dem Namen nach – nein, ihr seid Bettler in der That!
 
45 
„Marsch denn, ihr Geusen dieser Zeit! Marsch, Proletarier-Bataillon!“ –
46 
Da naht zu Fuß und naht zu Roß die königliche Linie schon!
47 
„Feuer!“ befiehlt der General; „Choc!“ heißt es bei der Reiterei. –
48 
Doch, ha! Kein Renner hebt den Fuß und keine Flinte schickt ihr Blei!
 
49 
Ein Murren aber rollt durch’s Heer: „Auch wir sind Volk! Was königlich!“
50 
Und plötzlich vor dem Bettelsack senkt tief die Adlerfahne sich!
51 
Dann Jubelschrei: „Wir sind mit Euch! Denn wir sind Ihr, und Ihr seid wir!“ –
52 
„Kanaille!“ ruft der Kommandeur – da reißt ein Leutnant ihn vom Thier!
 
53 
Und wie ein Sturm zur Hauptstadt geht’s! Anschwillt ihr Zug lawinengleich!
54 
Umstürzt der Thron, die Krone fällt, in seinen Angeln ächzt das Reich!
55 
Aus Brand und Blut erhebt das Volk sieghaft sein lang zertreten Haupt: –
56 
Wehen hat jegliche Geburt! – So wird es kommen, eh’ ihr glaubt!

Details zum Gedicht „Wie man’s macht“

Anzahl Strophen
14
Anzahl Verse
56
Anzahl Wörter
642
Entstehungsjahr
nach 1826
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Wie man's macht“ ist von Ferdinand Freiligrath, einem bedeutenden deutschen Dichter der Epoche des Vormärz in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Auf den ersten Blick dominiert vor allem die martialische und revolutionäre Sprache und Botschaft des Gedichts. Es berichtet von Unterdrückung, Rebellion und schließlich Sieg des Volkes.

In einfachen Worten erzählt das lyrische Ich eine Geschichte von Armut und Unzufriedenheit des Volkes. Ein furchtloser Mann fordert die Leute auf, sich zu erheben und ihre eigenen Anliegen zu vertreten. Sie nehmen Kleidung und Waffen aus einem Zeughaus und treten schließlich militärisch formiert der Obrigkeit entgegen. Die Soldaten des Königs weigern sich jedoch, auf sie zu schießen und schließen sich stattdessen dem Aufstand an. Am Ende steht der Umsturz des bestehenden Systems und eine neue Ära des Volkes.

Das Gedicht ist in feste Strophen und Verse eingeteilt und folgt einer klaren Struktur. Hervorstechend sind die regelmäßigen Ausrufe und direkten Ansprachen, die den Aufruf zum Aufstand unterstreichen. Freiligrath verwendet die Sprache des Militärs und der Revolution, aber auch bittere Ironie, um seine Botschaft zu vermitteln.

Die Form des Gedichts reflektiert seinen Inhalt: Es ist rhythmisch, streng strukturiert und militaristisch, passend zu der Geschichte eines furchtlosen Aufstands. In seiner Sprache konfrontiert Freiligrath den Leser mit militärischem Jargon und Ironie, die die Doppeldeutigkeit der Situation hervorheben: Die Armen, die vom System unterdrückt werden, ergreifen die Mittel des Systems, um dagegen anzukämpfen.

Insgesamt ist dieses Gedicht ein leidenschaftlicher Aufruf zum Aufstand gegen Unterdrückung und ein Plädoyer für die Selbstbestimmung des Volkes. Es wirft Fragen zur Rolle des Individuums im politischen System auf und bietet eine unschmeichelhafte Kritik an der damaligen Machtstruktur.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Wie man’s macht“ des Autors Ferdinand Freiligrath. Der Autor Ferdinand Freiligrath wurde 1810 in Detmold geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1826 und 1876. Der Erscheinungsort ist Zürich. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zugeordnet werden. Der Schriftsteller Freiligrath ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 642 Wörter. Es baut sich aus 14 Strophen auf und besteht aus 56 Versen. Die Gedichte „Von unten auf“, „Vor der Fahrt“ und „Lieder“ sind weitere Werke des Autors Ferdinand Freiligrath. Zum Autor des Gedichtes „Wie man’s macht“ haben wir auf abi-pur.de weitere 65 Gedichte veröffentlicht.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Weitere Gedichte des Autors Ferdinand Freiligrath (Infos zum Autor)

Zum Autor Ferdinand Freiligrath sind auf abi-pur.de 65 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.