Meningitis tuberculosa von Frank Wedekind
1 |
Die Augen irren kreuz und quer, |
2 |
Die Hände krabbeln hin und her, |
3 |
Der dünne Atem zieht so schwer, |
4 |
Nun schlägt auch bald das Herz nicht mehr. |
|
|
5 |
Längst hat im Köpfchen tiefe Nacht |
6 |
All’ Gram und Schmerz zur Ruh’ gebracht, |
7 |
Die schlaffe Lippe singt und lacht |
8 |
Wie Abendwind ob Grabesschacht. |
|
|
9 |
Die Hand in meiner brennt so heiß, |
10 |
So aderblau, so kreideweiß; |
11 |
In ihrem Innern perlt der Schweiß |
12 |
Gleich Morgentau auf Blütenreis. |
|
|
13 |
Das Auge glänzt, der Atem pfeift, |
14 |
Die Schwester nach dem Doktor schweift, |
15 |
Der Vater mit der Mutter keift, |
16 |
Die Mutter in die Wolken greift. |
|
|
17 |
Drei Klageweiber treten ein, |
18 |
Sie fangen gräßlich an zu schrein: |
19 |
O Gott, o Gott, o Mägdelein, |
20 |
Der Himmel muß barmherzig sein! |
|
|
21 |
Gebrochen unter Ach und Weh, |
22 |
Sie sinken auf das Kanapee; |
23 |
Die Mutter kommt mit dem Kaffee, |
24 |
Sie blicken schluchzend in die Höh’. |
|
|
25 |
Ein leiser heller Klageton – |
26 |
Die Weiber hören nichts davon, |
27 |
Sie plappern über Mägdelohn – |
28 |
Das junge Leben ist entflohn. |
Details zum Gedicht „Meningitis tuberculosa“
Frank Wedekind
7
28
155
1905
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Meningitis tuberculosa“ wurde von Frank Wedekind verfasst, einem bedeutenden Dramatiker und Lyriker des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, der unter anderem für seine sozialkritischen Inhalte bekannt war. Dieses Gedicht dürfte also in die späte wilhelminische Zeit oder in die Frühphase der Weimarer Republik fallen.
Auf den ersten Blick lässt das Gedicht einen bedrückenden, düsteren Eindruck zurück. Die düsteren Beschreibungen, der Leidensweg und der bevorstehende Tod einer Person sind Hauptthemen des Gedichts.
In einfachen Worten betrachtet, beschreibt das Gedicht die letzten Atemzüge einer Person, die an tuberkulöser Meningitis leidet. Es schildert die körperlichen Symptome und die Atmosphäre des Todes, der über dem Zimmer schwebt. Das lyrische Ich, vermutlich eine nahestehende Person, fühlt die heiße Hand und beobachtet den Todeskampf des Kranken mit erschreckender Nüchternheit.
Vom sprachlichen und formalen Standpunkt aus ist das Gedicht recht strikt strukturiert und besteht aus sieben vierzeiligen Strophen. Jede Strophe spiegelt dabei ein neues Stadium der Krankheit oder des Umfelds des Sterbenden wider. Die Sprache ist nüchtern, ohne großartige Metaphern oder Verzierungen, und gleichzeitig eindringlich. Wedekinds Gebrauch von Alliterationen und Rhythmus verleiht dem Gedicht einen beinahe singenden Ton, was den Gegensatz zwischen dem geschilderten Tod und der ansonsten lebendigen Klangstruktur betont.
Die inhaltliche Analyse deutet darauf hin, dass das lyrische Ich die Hilflosigkeit und das Elend der Situation ausdrückt, einerseits im Hinblick auf die Krankheit selbst, aber auch im Hinblick auf das gesellschaftliche Umfeld. Es gibt eine Kritik an der Unfähigkeit der Gesellschaft, den Sterbenden angemessen zu begleiten, symbolisiert durch die streitenden Eltern, die plappernden Klageweiber und die Mutter mit ihrem Kaffee. Der Tod, so scheint Wedekind zu implizieren, bleibt trotz all unserer Versuche letztlich immer etwas Fremdes und Unbegreifliches.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Meningitis tuberculosa“ des Autors Frank Wedekind. Geboren wurde Wedekind im Jahr 1864 in Hannover. Das Gedicht ist im Jahr 1905 entstanden. Der Erscheinungsort ist München. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Moderne kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Wedekind handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 155 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 28 Versen. Der Dichter Frank Wedekind ist auch der Autor für Gedichte wie „Allbesiegerin Liebe“, „Alte Liebe“ und „Altes Lied“. Zum Autor des Gedichtes „Meningitis tuberculosa“ haben wir auf abi-pur.de weitere 114 Gedichte veröffentlicht.
+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Frank Wedekind
Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Frank Wedekind und seinem Gedicht „Meningitis tuberculosa“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.
- Wedekind, Frank - Leben und Werke
- Wedekind, Frank - Frühlings Erwachen (Charakterisierung Melchiors)
- Wedekind, Frank - Frühlings Erwachen (Analyse, Akt 3 in Szene 3)
- Wedekind, Frank - Frühlings Erwachen (Zusammenfassung)
Weitere Gedichte des Autors Frank Wedekind (Infos zum Autor)
- Abschied
- Abschied
- Albumblatt
- Allbesiegerin Liebe
- Alte Liebe
- Altes Lied
- Am Scheidewege
- An Berta Maria, Typus Gräfin Potocka
- An Bruno
- An Elka
Zum Autor Frank Wedekind sind auf abi-pur.de 114 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
Freie Ausbildungsplätze in Deiner Region
besuche unsere Stellenbörse und finde mit uns Deinen Ausbildungsplatz
erfahre mehr und bewirb Dich direkt