September-Sonette von Rudolf Borchardt

1.
 
Vom Tage nährt sich schon die Nacht verstohlen;
schlaflose Stürme laufen in den Gärten
und holen mich auf ihre blassen Fährten.
Ich binde mir die Flügel an die Sohlen
 
und bin hinaus - (doch träum ich wohl). Mich holen
in ihre Reigen andere Gefährten -
wo sah ich sie, die sich gleich Sternen mehrten
an heißen Abenden? - Ein Atemholen
 
10 
und alles hin, wie Duft. Ich bin ganz wach
11 
und weiß, ich geh, und sag: "Noch heute nur!"
12 
Von Stunden ein verfließendes Gesind
 
13 
schwebt tönend fort durch Kammer, Tor und Flur.
14 
Ich spüre vom erhobenen Gemach
15 
atmende Nacht und Bäume ohne Wind.
 
16 
2.
 
17 
Atmende Nacht und Bäume ohne Wind
18 
verführen mich, an deinen Mund zu denken,
19 
und dass die Pferde, mich hinweg zu lenken,
20 
schon vor den Wagen angebunden sind;
 
21 
Dass alles uns verließ, wie Wasser rinnt,
22 
dass von dem Lieblichsten, was wir uns schenken,
23 
nichts bleiben kann und weniges gedenken:
24 
Blick, Lächeln, Hand und Wort und Angebind;
 
25 
Und dass ich so einsam bekümmert liege,
26 
und dir so fern, wie du mir fern geblieben -
27 
die Silberdünste, die den Mond umflügeln,
 
28 
Sind ihm so ferne nicht als ich dir fliege,
29 
so ferne Morgenrot nicht Morgenhügeln,
30 
als diese Lippen deinen, die sie lieben.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.3 KB)

Details zum Gedicht „September-Sonette“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
30
Anzahl Wörter
201
Entstehungsjahr
1877 - 1945
Epoche
Naturalismus,
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „September-Sonette“ des Autors Rudolf Borchardt. Geboren wurde Borchardt im Jahr 1877 in Königsberg. Das Gedicht ist in der Zeit von 1893 bis 1945 entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Naturalismus, Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus, Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit, Exilliteratur oder Nachkriegsliteratur kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das Gedicht besteht aus 30 Versen mit insgesamt 10 Strophen und umfasst dabei 201 Worte. Rudolf Borchardt ist auch der Autor für Gedichte wie „Arie“ und „Melusinens Lied“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „September-Sonette“ keine weiteren Gedichte vor.

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