Rußland von Franz Grillparzer
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Ich grüße dich, du Land der eisgen Steppen, |
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Mit deinen Völkern rauh und starr und roh, |
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Wo sie die Unschuld zum Polarkreis schleppen, |
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Wo noch Gewalt des Übermaßes froh. |
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Wohl weiß ich, was du drohst: du drohst mit Banden, |
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Wohl weiß ich, was du willst: du willst die Welt, |
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Und dennoch Heil mit dir und deinen Landen. |
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Greif zu! schlag los! Zertrümmre, was dich hält. |
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Dort, wo des Bospors ätherblaue Wogen |
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Durch reiche Ernten fluten ohne Saat, |
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Wo sich des Überflusses Horn gebogen |
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Hinlegt um Konstantinus' goldne Stadt, |
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Dort setz dich hin in deiner Tierheit Fülle, |
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Frohlockend ob der spätgelungnen Tat, |
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Und fletsche deiner Zähne Reihn und brülle, |
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Sooft ein Störer sich dem Raube naht. |
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Nicht, daß ich Gutes dir und Frohes gönnte, |
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Ich hasse deiner Räuberhände Brauch |
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Und möchte dich vernichten, wenn ich könnte, |
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Könnt deine Gegner ich vernichten auch. |
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Denn sie, dir Widersacher und Genossen, |
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Die gleiche Lust mit gleichem Kitzel neckt, |
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Im Kleinen Quäler, wie du Scherg im Großen, |
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Sie brauchen einen Mächtgen, der sie schreckt. |
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Als noch der Mann, dem nun die grünen Gräser |
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Auf Helena die Schlummerstätte baun, |
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Als er noch stand, der Allmacht Zornverweser, |
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Da waren sie wie Lämmer anzuschaun. |
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Da krochen sie um des Gewaltgen Füße, |
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Da lechzten sie nach Freiheit und nach Licht, |
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Da boten sie der Menschheit Freundesgrüße, |
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Nicht nur das Recht, auch göttlich schien die Pflicht. |
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Doch als erfüllt das Maß von Gottes Zorne |
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Und der Titan, nicht ihnen, Gott verfiel, |
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Vergaßen sie das heilig laut Beschworne |
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Und setzten gleiche Frevel sich zum Ziel. |
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Die Not vorbei, war auch vorbei das Beten, |
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Der Regenmantel wich der warmen Zeit, |
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Die Zwerge lockts, des Riesen Spur zu treten, |
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War klein die Kraft, war das Gewissen weit. |
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Und, Pfennige der umgemünzten Krone |
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Bezahlten sie in gleichem Wuchergeld, |
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Dem Zutraun ward des Treubruchs Spott zum Lohne, |
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Noch einmal dunkelts in der lichten Welt |
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Und nachten wirds, wenn nicht der Schreck vom neuen |
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Aus Drohenden sie zu Bedrohten schafft. |
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Wohlan denn: schreck sie du! Laß sie bereuen, |
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Daß ihre Macht sie wähnten unsre Kraft. |
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Mach zittern auf den Häuptern ihre Kronen, |
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Verstärk den Übermut, der droht und schützt, |
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Nimm aus das Nest, wo ihre Jungen wohnen, |
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Daß Eigennutz sie lehrt, was allen nützt. |
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Doch merk, du gräbst das Grab der eignen Reiche, |
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Denn, erst gestützt des Rechtes heilig Haus, |
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Ziehn wir einher als unsrer Führer Gleiche |
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Und tilgen dich als letztes Unrecht aus. |
Details zum Gedicht „Rußland“
Franz Grillparzer
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398
1791 - 1872
Biedermeier,
Realismus
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichtes „Rußland“ ist Franz Grillparzer. Geboren wurde Grillparzer im Jahr 1791 in Wien. Im Zeitraum zwischen 1807 und 1872 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Biedermeier oder Realismus zu. Bei Grillparzer handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 56 Versen mit insgesamt 14 Strophen und umfasst dabei 398 Worte. Weitere Werke des Dichters Franz Grillparzer sind „Entsagung“, „Vorzeichen“ und „Werbung“. Zum Autor des Gedichtes „Rußland“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 300 Gedichte vor.
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