Irland von Ferdinand Freiligrath

An rost'ger Kette liegt das Boot;
Das Segel träumt, das Ruder lungert.
Das macht, der Fischerbub' ist tot;
Das macht, der Fischer ist verhungert!
Denn Irlands Fisch ist Herrenfisch;
Der Strandherr praßt vom reichen Fange,
Leer aber bleibt des Fängers Tisch
So starb der Fischer, so sein Range.
 
Die Herde blökt, die Herde brüllt;
10 
Welch ein Gedräng' von Küh'n und Schafen!
11 
Der Hirt, von Lumpen schlecht verhüllt,
12 
Treibt sie ans Meer zum nächsten Hafen.
13 
Denn Irlands Vieh ist Herrenvieh:
14 
Das gerne Paddys Knochen stärkte
15 
Und seiner Kinder brechen Knie
16 
Der Grundherr schickt's auf fremde Märkte.
 
17 
Drum ist sein Viehstall ihm ein Born
18 
Der Üppigkeit und des Genusses,
19 
Und jeglich Kuh- und Bullenhorn
20 
Wird ihm ein Horn des Überflusses.
21 
Er läßt zu London und Paris
22 
Den Spieltisch unterm Gold sich biegen;
23 
Sein Volk, das er zu Hause ließ,
24 
Fällt unterdes wie Winterfliegen.
 
25 
Hallo, Hallo! Grün-Erins Jagd!
26 
Paddy, lang' zu! das nenn' ich Ziemer!
27 
Umsonst auch das wird fortgebracht,
28 
Meerüber mit dem ersten Steamer!
29 
Denn Irlands Wild ist Herrenwild:
30 
Es füllt des Grundherrn Bauch und Taschen
31 
Der bleiche Knecht, des Elends Bild,
32 
Hilf Gott! ist selbst zu matt zum Paschen!
 
33 
So sorgt der Herr, daß Hirsch und Ochs,
34 
Das heißt: daß ihn sein Bauer mäste;
35 
Statt auszutrocknen seine Bogs
36 
Ihr kennt sie ja: Irlands Moräste!
37 
Er läßt den Boden nutzlos ruhn,
38 
Drauf Halm an Halm sich wiegen könnte;
39 
Er läßt ihn schnöd' dem Wasserhuhn,
40 
Dem Kiebitz und der wilden Ente!
 
41 
Ja doch, bei Gottes Fluche: - Sumpf
42 
Und Wildnis vier Millionen Äcker!
43 
Ihr aber seid blasiert und stumpf,
44 
Faul und verfault - euch weckt kein Wecker!
45 
O, irisch Land ist Herrenland:
46 
Drum stehn die Mütter an den Wegen,
47 
Den toten Säugling im Gewand,
48 
Und flehn euch, ihn ins Grab zu legen.
 
49 
So schallt die Klage Tag und Nacht,
50 
So grollt es Connaught durch und Leinster.
51 
Der West hat mir den Schrei gebracht
52 
Er trug ihn schrill bis vor mein Fenster.
53 
Matt, wie ein angeschoßner Weih,
54 
Herschwebt' er über Höhn und Sunde
55 
Der Schrei der Not, der Hungerschrei,
56 
Der Sterbeschrei aus Erins Munde!
 
57 
Erin - da liegt sie auf den Knien,
58 
Bleich und entstellt, mit wehndem Haare,
59 
Und streut des Shamrocks welkend Grün
60 
Zitternd auf ihrer Kinder Bahre.
61 
Sie kniet auf ihrer Berge Kronen
62 
Mehr noch, als Harold-Byrons Rom,
63 
»Die Niobe der Nationen!«
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28.2 KB)

Details zum Gedicht „Irland“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
63
Anzahl Wörter
380
Entstehungsjahr
1847
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Irland“ des Autors Ferdinand Freiligrath. Geboren wurde Freiligrath im Jahr 1810 in Detmold. Das Gedicht ist im Jahr 1847 entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Freiligrath ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 380 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 63 Versen mit insgesamt 8 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Ferdinand Freiligrath sind „Vor der Fahrt“, „Wie man’s macht“ und „Lieder“. Zum Autor des Gedichtes „Irland“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 65 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Weitere Gedichte des Autors Ferdinand Freiligrath (Infos zum Autor)

Zum Autor Ferdinand Freiligrath sind auf abi-pur.de 65 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.