Der blinde Knabe von Frank Wedekind
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O ihr Tage meiner Kindheit, |
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Nun dahin auf immerdar, |
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Da die Seele noch in Blindheit, |
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Noch voll Licht das Auge war: |
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Meine Blicke ließ ich schweifen |
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Jedem frei ins Angesicht; |
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Glauben galt mir für Begreifen |
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Und Gedanken kannt ich nicht. |
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Ich begann jedoch zu sinnen |
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Und zu grübeln hin und her, |
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Und in meiner Seele drinnen |
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Schwoll ein wildempörtes Meer. |
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Meine Blicke senkt’ ich nieder, |
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Schaute tief in mich hinein |
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Und erhob sie nimmer wieder |
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Zu dem goldnen Sonnenschein. |
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Mußt ich doch die Welt verachten, |
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Die mir Gottes Garten schien, |
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Denn die Guten läßt er schmachten, |
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Und die Bösen preisen ihn. |
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Freude, Lust und Ruh’ vergehen – |
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O, wie wohl war einst dem Kind! |
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Meine Seele hat gesehen, |
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Meine Augen wurden blind! |
Details zum Gedicht „Der blinde Knabe“
Frank Wedekind
3
24
121
1905
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Der blinde Knabe“ wurde von Frank Wedekind geschrieben, einem deutschen Schriftsteller, der zwischen 1864 und 1918 lebte. Wedekind ist besonders für seine gesellschaftskritischen Arbeiten bekannt, die oft mit Tabubrechungen und unkonventionellen Themen einhergingen.
Das Gedicht hinterlässt auf den ersten Blick einen melancholischen Eindruck. Es scheint ein Gefühl von Verlust und Transformation darzustellen, das mit dem Älterwerden und Abgeben der Unschuld der Kindheit verbunden ist.
Inhaltlich setzt sich das lyrische Ich in Erinnerung an seine Kindheit mit den Veränderungen der Perspektive und des Verständnisses auseinander, die mit dem Erwachsenwerden einhergehen. Die erste Strophe charakterisiert die kindliche Unschuld und das naive Verständnis der Welt, während die zweite Strophe den Übergang zu einem tieferen, innigeren und zum Teil düsteren Verständnis der Realität darstellt. In der dritten Strophe reflektiert das lyrische Ich auf die harte und oft enttäuschende Realität des Erwachsenwerdens und der Welt dieser Tage, in denen das Gute oft leidet und das Böse belohnt wird.
Die Struktur des Gedichts ist in acht Zeilen verfassten Strophen aufgebaut und präsentiert eine klare Entwicklung von der Unschuld zur Erkenntnis. Die Sprache ist einfach, aber kraftvoll, mit deutlichen und atmosphärischen Bildern, die das Thema der Transformation und des Verlusts der Unschuld betonen.
Insgesamt ist „Der blinde Knabe“ ein Gedicht, das die emotionale und existentielle Krise des Erwachsenwerdens und des Verlustes der kindlichen Unschuld darstellt. Es ist eine Reflexion über die harten Realitäten des Lebens und die oft schmerzhafte Einsicht in die Ungerechtigkeit der Welt.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Der blinde Knabe“ ist Frank Wedekind. Der Autor Frank Wedekind wurde 1864 in Hannover geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1905. München ist der Erscheinungsort des Textes. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Wedekind handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 3 Strophen und umfasst dabei 121 Worte. Weitere Werke des Dichters Frank Wedekind sind „Abschied“, „Abschied“ und „Albumblatt“. Zum Autor des Gedichtes „Der blinde Knabe“ haben wir auf abi-pur.de weitere 114 Gedichte veröffentlicht.
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