Neujahr von Georg Herwegh
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Herr, o Herr, soll größer noch |
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Deine Kette werden? |
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Reicht sie von dem Himmel doch |
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Längst herab zur Erden! |
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Wieder, weil ein Jahr verging, |
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Sprudelt man Sonette, |
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Singt von einem neuen Ring |
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An der alten Kette. |
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Kette, o du klirrend Bild, |
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Schreckwort aller Zungen, |
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Welch ein Gott hat grausam wild |
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Dich ums All geschlungen? |
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Daß er seine Sterne wohl |
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Vor dem Falle rette, |
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Muß der Ewigkeit Symbol |
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Bleiben eine Kette? |
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Kann der Jahre Trauerschar, |
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Herr, dir nicht genügen? |
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Wirst du immer, immerdar |
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Ring zum Ringe fügen? |
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Endigt nie der Menschheit Qual? |
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Hebt sie nie ihr Bette? |
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Wächst sie nie, der Freien Zahl? |
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Wächst nur deine Kette? |
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Fragend schaut' ich manche Nacht |
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Auf zu deinen Hallen; |
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Endlich, hab' ich oft gedacht, |
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Muß die Kette fallen. |
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Ach! mein Hoffen trieb im Sturm |
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Auf dem letzten Brette, |
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Und ward, ein getretner Wurm, |
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Auch ein Ring der Kette. |
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Herr, o spare deinen Grimm |
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Fürder den Tyrannen, |
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Einmal mit dem Jahre nimm |
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Einen Ring von dannen! |
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Gib uns, was wir heiß gesucht, |
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Trüg's auch Dorn und Klette, |
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Mindre nur die schwere Wucht |
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Deiner goldnen Kette! |
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Nimm, die sie so lang umfing, |
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Nimm sie von der Erden; |
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Laß der Kette letzten Ring |
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Freiheitsbrautring werden! |
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Höre unser banges Schrein: |
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Herr, o Herr, errette, |
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Und den Teufel laß allein |
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Ewig an der Kette! |
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Ja! du wirst. Schon seh' ich, traun! |
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Neue Sterne ziehen, |
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Neue Tempel seh' ich baun, |
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Neue Völker knieen; |
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Donnerklang und Harfenton |
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Rufen in die Mette |
55 |
Still! die Engel opfern schon |
56 |
Einen Ring der Kette. |
Details zum Gedicht „Neujahr“
Georg Herwegh
7
56
249
1841
Junges Deutschland & Vormärz
Gedicht-Analyse
Dieses Gedicht „Neujahr“, wurde von einem wichtigen politischen Dichter des Vormärz, Georg Herwegh, geschrieben, welcher von 1817 bis 1875 lebte. Seine Gedichte sind bekannt für ihre kämpferische Stimme gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit und dies spiegelt sich auch in „Neujahr“ wider.
Auf den ersten Blick scheint das Gedicht eine Auseinandersetzung mit Gott oder einer höheren Macht zu sein, da das lyrische Ich an „den Herrn“ appelliert. Es ist ein Ausdruck des Unbehagens und Protests gegen das Fortbestehen der „Kette“, welche als Motiv für Unterdrückung und Ungerechtigkeit interpretiert werden kann.
Im Grunde genommen ist das Gedicht eine Bitte an Gott, der Ungerechtigkeit ein Ende zu setzen. Im speziellen Kontext des Autors könnte die „Kette“ die politische Unterdrückung während des Vormärz symbolisieren. Damit ist das lyrische Ich nicht nur ein Bittsteller, sondern auch ein Rebell, der nach Freiheit und Veränderung strebt.
Das Gedicht besteht aus sieben achtzeiligen Strophen, was typisch für das Sonett ist. Der Rhythmus und die Sprache sind einfach gehalten und leicht verständlich, was eine direkte und aufrichtige Anklage gegen die vorherrschende Ordnung betont. Die Wiederholung des Wortes „Kette“ durch das ganze Gedicht hinweg verstärkt das Hauptthema von Unterdrückung und gibt dem Gedicht einen gefangenschaftsähnlichen Rhythmus.
Am Ende des Gedichts zeigt das lyrische Ich jedoch Hoffnung auf eine bessere Zukunft und befürwortet sichtbare Veränderungen wie „neue Sterne“, „neue Tempel“ und „neue Völker“. Dieser Wechsel im Ton von Protest zu Optimismus zeigt den unzerstörbaren Glauben des lyrischen Ich an eine bessere Zukunft trotz der momentanen Unzufriedenheit und Frustration.
Insgesamt kann man sagen, dass „Neujahr“ nicht nur eine Kritik an der existierenden Unterdrückung, sondern auch ein Kampfruf für Freiheit und Verbesserung ist. Es illustriert gekonnt die Kämpfe der Menschen während des Vormärz und liefert gleichzeitig eine zeitlose Botschaft von Hoffnung und Mut bei der Konfrontation mit Ungerechtigkeit.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Neujahr“ des Autors Georg Herwegh. Herwegh wurde im Jahr 1817 in Stuttgart geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1841 entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zugeordnet werden. Herwegh ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 249 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 56 Versen. Weitere Werke des Dichters Georg Herwegh sind „Der arme Jakob und die kranke Lise.“, „Der schlimmste Feind“ und „Die Arbeiter an ihre Brüder“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Neujahr“ weitere 200 Gedichte vor.
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Zum Autor Georg Herwegh sind auf abi-pur.de 200 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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