Den Siegestrunknen. von Georg Herwegh

Vorüber ist der harte Strauß,
Der welsche Drache liegt bezwungen,
Und Bismark-Siegfried kehrt nach Haus
Mit seinem Schatz der Nibelungen;
Stolz blickt auf ihrer Kinder Schaar
Germania, die Heldenmutter;
Stolz blickt das Denkervolk sogar
Auf Döllinger, den Afterluther.
 
Ihr habt ein neues deutsches Reich,
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Von Junkerhänden aufgerichtet.
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Redwitz besingt den Schwabenstreich
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Und hat ein dickes Buch gedichtet;
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Ihr habt ein neues Oberhaupt,
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Ihr Elsaß-Lothringen-Verspeiser;
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Den Papst, an den ihr nicht mehr glaubt,
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Ersetzt ein infallibler Kaiser.
 
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Ihr wähnt euch einig, weil die Pest
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Der Knechtschaft sich verallgemeinert,
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Weil täglich noch der kleine Rest
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Lebend'ger Seelen sich verkleinert;
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Ihr wähnt euch einig, weil ein Mann
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Darf über Krieg und Frieden schalten
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Und euch zur Schlachtbank führen kann
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Mit der Parol': das Maul gehalten!
 
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Ach, Einheit ist ein leerer Schall,
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Wenn sie nicht Einheit ist im Guten,
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Wenn ihr korinthisches Metall
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Uns mahnt an Mord und Städtegluten;
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Ach, Einheit ist ein tönend Erz,
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Wenn sie nur pochend auf Kanonen
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Zu reden weiß an unser Herz -
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Und klingt es anders von den Thronen? -
 
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Einheit des Rechtes ist kein Schild,
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Der uns bewahrt vor Unterdrückung;
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Nur wo als Recht das Rechte gilt,
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Wird sie zum Segen, zur Beglückung.
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Nur diese war's, die wir erstrebt,
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Die Einheit, die man auf den Namen
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Der Freiheit aus der Taufe hebt;
40 
Doch eure stammt vom Teufel: Amen!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.7 KB)

Details zum Gedicht „Den Siegestrunknen.“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
221
Entstehungsjahr
nach 1833
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Den Siegestrunkenen“ wurde von dem Dichter Georg Herwegh geschrieben. Herwegh lebte von 1817 bis 1875, was bedeutet, dass das Gedicht in der Mitte des 19. Jahrhunderts geschrieben sein könnte. Eine genaue zeitliche Einordnung des Gedichts ergibt jedoch eine Entstehung in der Zeit des Deutsch-Französischen Krieges (1870–1871) und der folgenden Gründung des Deutschen Kaiserreichs.

Auf den ersten Blick stellt das Gedicht eine kritische Auseinandersetzung mit den Ergebnissen dieser Ereignisse dar. Herwegh malt ein Bild von kämpferischer Siegesfreude und stolzem Nationalismus, dem er seine scharfe Kritik entgegensetzt.

Im ersten Teil des Gedichts schildert Herwegh die Freude der Deutschen über den Sieg im Krieg und die Gründung des neuen Kaiserreichs. Er nimmt Bezug auf die mythische Gestalt des Siegfried (Bismarck-Siegfried) und macht Anspielungen auf die germanische Sage der Nibelungen. Doch diese euphorische Stimmung wird von Herwegh kritisiert: Er spricht von „Junkerhänden“, die das neue Reich aufgebaut haben, und bezieht sich auf Redwitz, der den „Schwabenstreich“ besingt – womöglich eine Anspielung auf die militärischen Siege im Rahmen des Deutsch-Französischen Kriegs.

In der zweiten Hälfte des Gedichts wird die Kritik Herweghs noch deutlicher: Er stellt die vermeintliche Einheit, die durch den Sieg und die Gründung des Kaiserreichs hergestellt wurde, infrage. Er spricht von „der Pest der Knechtschaft“, die sich ausbreitet, und kritisiert, dass nur ein Mann über Krieg und Frieden entscheiden kann. Herwegh schließt mit dem Vorwurf, dass die neu errichtete Einheit nicht auf dem Recht, sondern auf Unterdrückung basiert und somit vom „Teufel“ stammt.

In Bezug auf die Form ist das Gedicht in klassischen vierzeiligen Strophen verfasst, mit einem regelmäßigen Reimschema (Kreuzreim), was eine gewisse Strenge und Ordnung vermittelt. Die Sprache des Gedichts ist zumeist klar und direkt, mit wenigen metaphorischen Ausdrücken. Die Wortwahl ist dabei durchaus provokativ und zeigt Herweghs kritische Haltung gegenüber den aktuellen politischen Ereignissen.

Insgesamt lässt sich sagen, dass Herweghs Gedicht „Den Siegestrunkenen“ eine scharfe Kritik an der Gründung des Deutschen Kaiserreichs und den damit verbundenen politischen Machtverhältnissen darstellt und zugleich eine Mahnung an das Volk ist, sich nicht von scheinbaren Siegen und Einheit blenden zu lassen.

Weitere Informationen

Georg Herwegh ist der Autor des Gedichtes „Den Siegestrunknen.“. Herwegh wurde im Jahr 1817 in Stuttgart geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1833 und 1875. Zürich ist der Erscheinungsort des Textes. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Bei Herwegh handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 221 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Georg Herwegh sind „Am Grabe Ferdinand Lassalle’s.“, „Bundeslied für den Allgemeinen deutschen Arbeiterverein.“ und „Das Lied vom Hasse.“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Den Siegestrunknen.“ weitere 200 Gedichte vor.

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