An den König von Preußen von Georg Herwegh

Einst hat ein beßrer Mann gewagt,
Mit seinem Lied vor dich zu treten;
Du kennst ihn, der so unverzagt
Die Tyrannei bei dir verklagt
Und dich um deinen Schutz gebeten;
Um Schutz für jenes arme Land,
Das blutend vor dem Himmel stand
Und keine, keine Hilfe fand,
Als die Verzweiflung der Poeten.
 
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O lebt' er noch, er würde heut
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Dich aus dem süßen Schlummer stören,
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Ob alle Welt dir Weihrauch streut
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Und jeden Siegerkranz dir beut,
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Sein stolzes Herz würd' sich empören.
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Er spräch' dem falschen Jubel Hohn
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Und nahte zornig deinem Thron;
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Tot ist der Vater, und der Sohn,
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Der Mächtige, er müßt' ihn hören.
 
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Doch Platen schläft am fernen Meer,
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Und Polen ist durch uns verloren;
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In Ehrfurcht tret' ich zu dir her,
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Wirf nach dem Dichter nicht den Speer,
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Weil eine Hütte ihn geboren,
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Weil er vor dir, dem Fürst, den Mut
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Zu flehn hat für dein eigen Gut,
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Zu flehen für dein eigen Blut,
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Fürs deutsche Volk, dem du geschworen!
 
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Sieh, wie die Jugend sich verzehrt
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In Gluten eines Meleager,
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Wie sie nach Kampf und Tat begehrt
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O drück' in ihre Hand ein Schwert,
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Führ' aus den Städten sie ins Lager!
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Und frage nicht, wo Feinde sind;
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Die Feinde kommen mit dem Wind:
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Behüt' uns vor dem Frankenkind
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Und vor dem Zaren, deinem Schwager!
 
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Die Sehnsucht Deutschlands steht nach dir,
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Fest, wie nach Norden blickt die Nadel;
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O Fürst, entfalte dein Panier;
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Noch ist es Zeit, noch folgen wir,
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Noch soll verstummen jeder Tadel!
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Fürwahr, fürwahr, du tust nicht recht,
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Wenn du ein moderndes Geschlecht,
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Wenn du zu Würden hebst den Knecht;
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Nur wer ein Adler, sei von Adel!
 
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Laß, was den Würmern längst verfiel,
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In Frieden bei den Würmern liegen;
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Dir ward ein weiter, höher Ziel,
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Dir ward ein schöner Ritterspiel,
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Als krumme Lanzen grad' zu biegen.
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Sei in des Herren Hand ein Blitz,
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Schlag in der Feinde schnöden Witz,
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Schon tagt ein neues Austerlitz,
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Mögst du in seiner Sonne siegen!
 
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Das ratlos auseinander irrt,
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Mein Volk soll dir entgegenflammen;
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Steh auf und sprich: »Ich bin der Hirt,
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Der eine Hirt, der eine Wirt,
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Und Herz und Haupt, sie sind beisammen!«
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Das West und Ost, das Nord und Süd
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Wir sind der vielen Worte müd;
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Du weißt, wonach der Deutsche glüht,
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Wirst du auch lächeln und verdammen?
 
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Der Fischer Petrus breitet aus
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Aufs neue seine falschen Netze;
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Wohlan, beginn mit ihm den Strauß,
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Damit nicht einst im deutschen Haus
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Noch gelten römische Gesetze!
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Bei jenem großen Friedrich! nein,
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Das soll doch nun und nimmer sein.
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Dem Pfaffen bleibe nicht der Stein,
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An dem er seine Dolche wetze.
 
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Noch ist es Zeit, noch kannst du stehn
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Dem hohen Ahnen an der Seite,
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Noch kannst du treue Herzen sehn,
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Die gern mit dir zum Tode gehn,
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Zum Tod und Sieg im heil'gen Streite.
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Du bist der Stern, auf den man schaut,
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Der letzte Fürst, auf den man baut;
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O eil' dich! eh' der Morgen graut,
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Sind schon die Freunde in der Weite.
 
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Nun schweig, du ehernes Gedicht!
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Des Fürsten Mund wird bitter schmollen.
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Ich weiß, man hört die Sänger nicht,
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Man stellt die Freien vor Gericht
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Und wirft sie in die Schar der Tollen.
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Gleichviel - wie er auch immer schmollt,
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Ich hab' getan, was ich gesollt;
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Und wer, wie ich, mit Gott gegrollt,
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Darf auch mit einem König grollen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (30.9 KB)

Details zum Gedicht „An den König von Preußen“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
90
Anzahl Wörter
553
Entstehungsjahr
1817 - 1875
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Der vorgelegte Text „An den König von Preußen“ stammt von Georg Herwegh, einem Dichter der deutschen Revolution von 1848 und der Arbeiterbewegung. Er gehörte zur literarischen Strömung des Vormärz und ist der politischen Lyrik zuzuordnen. In seinem Gedicht richtet Herwegh seine Worte direkt an den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. und äußert seine Erwartungen und Forderungen.

Das Gedicht beginnt mit einem Rückblick auf einen anderen, besseren Mann – vermutlich ein voriger Dichter oder politischer Aktivist -, der sich bereits an den König gewandt hatte, um ihn für den Schutz eines leidenden Landes zu bitten. Dieser Appell scheint jedoch erfolglos gewesen zu sein, da das Land weiterhin keine Hilfe gefunden hat. Im zweiten Teil des Gedichts erhöht das lyrische Ich den Druck auf den König, indem es sagt, dass, wenn dieser Mann noch leben würde, er den König aus seinem süßen Schlaf reißen und ihn zwingen würde, sich den Realitäten zu stellen.

In den nachfolgenden Versen fordert das lyrische Ich, in Ehrfurcht vor dem König stehend, ihn auf, sich selbst und seine Pflichten und Verantwortlichkeiten zu hinterfragen und sich für das deutsche Volk einzusetzen. Mit verschiedenen Metaphern beschwört der Dichter das Bild einer jungen Generation, die nach Aktion und Kampf dürstet, und appelliert an den König, Pate dieser inspirierten Jugend zu sein.

Die restlichen Strophen sind eine weitere Aufforderung an den König, das zu ändern, was schief läuft, und sich gegen jene zu stellen, die das Land durch Unrecht und Tyrannei regieren. Herwegh drängt den König, die römischen Gesetze zu bekämpfen und das Volk in die richtige Richtung zu führen.

In Bezug auf Form und Sprache ist das Gedicht in eine Serie von zehn Neun-Versen-Strophen unterteilt. Jeder Vers besteht aus einer Mischung aus freien und gebundenen Endreimen, was das Gedicht sowohl melodisch als auch harmonisch macht. Der Wortschatz von Herwegh ist relativ einfach, aber seine Wortwahl und der Gebrauch von Rhetorik dienen dazu, Druck auf den König auszuüben und die Ernsthaftigkeit seiner Botschaft zu unterstreichen. Darüber hinaus nutzt er Metaphern und bildhafte Sprache, um seine Botschaft zu intensivieren und zu emotionalisieren.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Herweghs „An den König von Preußen“ eine politische Lyrik ist, die den Zustand der Gesellschaft zur damaligen Zeit kritisiert und versucht, den König dazu zu bewegen, seine Macht und Position zu nutzen, um Veränderungen herbeizuführen. Es ist ein leidenschaftlicher Appell an die Macht, sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein und dem Gemeinwohl zu dienen. Herweghs Lyrik ist ein beeindruckendes Zeugnis des revolutionären Geistes des 19. Jahrhunderts.

Weitere Informationen

Georg Herwegh ist der Autor des Gedichtes „An den König von Preußen“. Der Autor Georg Herwegh wurde 1817 in Stuttgart geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1833 bis 1875 entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Junges Deutschland & Vormärz zu. Der Schriftsteller Herwegh ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 553 Wörter. Es baut sich aus 10 Strophen auf und besteht aus 90 Versen. Der Dichter Georg Herwegh ist auch der Autor für Gedichte wie „Am Grabe Ferdinand Lassalle’s.“, „Bundeslied für den Allgemeinen deutschen Arbeiterverein.“ und „Das Lied vom Hasse.“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „An den König von Preußen“ weitere 200 Gedichte vor.

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