Grabschrift von Georg Herwegh
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Sein oder Nichtsein ist hier keine Frage; |
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Ich bin gewesen, was ich konnte sein: |
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Kein Schelm und Schuft, bei Gott! ein Narr allein, |
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Der auch sein Lämpchen brannt' am hellen Tage. |
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Kein Turner, aber doch von deutschem Schlage; |
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Und wär' mein Vers, wie meine Hände, rein, |
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So ruhete dies dichterlich Gebein |
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Dereinst in einem stolzen Sarkophage. |
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Ich nahm das Leben für ein Würfelspiel, |
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Das keinem seine stete Gunst geschworen, |
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Doch oft hatt' ich der Augen noch zuviel; |
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Ich trieb's, ein Tor, wie tausend andre Toren, |
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Und, glücklicher als weiland Freund Schlemihl, |
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Hab' niemals meinen Schatten ich verloren. |
Details zum Gedicht „Grabschrift“
Georg Herwegh
4
14
97
1817 - 1875
Junges Deutschland & Vormärz
Gedicht-Analyse
Das vorliegende Gedicht trägt den Titel „Grabschrift“ und stammt von dem deutschen Dichter Georg Herwegh, der von 1817 bis 1875 lebte. Damit lässt sich das Werk in die Mitte des 19. Jahrhunderts einordnen, eine Zeit der bürgerlichen Revolutionen, der Industrialisierung und des aufkommenden Realismus in der Literatur.
Beim ersten Eindruck kommt die Selbstreflexion und der humorvolle, ironische Unterton des lyrischen Ichs auf den Leser zu. Das Gedicht wirkt wie eine Selbstinszenierung und Auseinandersetzung des lyrischen Ichs mit seinem eigenen Leben aus retrospektiver Sicht.
Inhaltlich legt das lyrische Ich Rechenschaft über sein Leben ab, in dem es seine Handlungen, seine Identität und sein Selbstverständnis reflektiert. Zugleich scheint es sich vor Gott und der Welt zu rechtfertigen. Es sieht sich selbst als jemanden, der das Beste aus seinem Leben gemacht hat („Ich bin gewesen, was ich konnte sein“) und sich vor allem als „Narr“ und kein „Schelm oder Schuft“ sieht. Ironisch fügt es hinzu, dass es „sein Lämpchen brannt' am hellen Tage“, d.h. es hat sich bemüht, auch wenn es vielleicht unnötig oder unangebracht war.
Das lyrische Ich zeigt sich als ein Mensch, der seinem eigenen Weg gefolgt ist, der das Leben als ein „Würfelspiel“ betrachtet, also als unsicher und ungewiss. Es gesteht, dass es oftmals „der Augen noch zuviel“ hatte, also möglicherweise zu gierig oder übermütig war. Dennoch fühlt es sich letztlich „glücklicher als Freund Schlemihl“, eine literarische Figur, die ihren eigenen Schatten verkaufte und dadurch unglücklich wurde. Das lyrische Ich betont hingegen, dass es „niemals seinen Schatten verloren“ hat, also trotz seiner Fehler und Schwächen stets zu sich selbst stand und seine Authentizität bewahrt hat.
Die Form des Gedichts ist geprägt durch Vierzeiler und Dreizeiler, die in gereimten Versen gehalten sind. Die Sprache ist eher schlicht und ungeschmückt, mit Anklängen an die Umgangssprache, was den persönlichen und authentischen Charakter des Gedichts unterstützt. Durch den Gebrauch von Ironie und Selbstironie schafft der Dichter eine spielerische und humorvolle Atmosphäre, die das eigentlich ernste Thema der Selbsteinschätzung und Lebensbilanz auflockert und das Gedicht für den Leser zugänglich und unterhaltsam macht.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Grabschrift“ des Autors Georg Herwegh. 1817 wurde Herwegh in Stuttgart geboren. Zwischen den Jahren 1833 und 1875 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zugeordnet werden. Bei Herwegh handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 97 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 14 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Weitere Werke des Dichters Georg Herwegh sind „Den Siegestrunknen.“, „Der arme Jakob und die kranke Lise.“ und „Der schlimmste Feind“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Grabschrift“ weitere 200 Gedichte vor.
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Zum Autor Georg Herwegh sind auf abi-pur.de 200 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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