Morgenruf von Georg Herwegh
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Die Lerche war's, nicht die Nachtigall, |
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Die eben am Himmel geschlagen: |
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Schon schwingt er sich auf, der Sonnenball, |
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Vom Winde des Morgens getragen. |
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Der Tag, der Tag ist erwacht! |
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Die Nacht, |
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Die Nacht soll blutig verenden. |
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Heraus, wer ans ewige Licht noch glaubt! |
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Ihr Schläfer, die Rosen der Liebe vom Haupt, |
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Und ein flammendes Schwert um die Lenden! |
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Die Lerche war's, nicht die Nachtigall: |
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Erhebt euch vom Schlummer der Sünden! |
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Schon wollen die Feuer sich überall, |
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Die heiligen Feuer entzünden. |
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Frisch auf und die Waffen gefeit! |
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Der Streit, |
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Der Gottesstreit soll beginnen. |
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Hinweg aus des Liebchens rosigem Arm |
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Und hinein in der Feinde gepanzerten Schwarm |
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Und auf fliegenden Rossen von hinnen! |
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Die Lerche war's, nicht die Nachtigall: |
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Kein Küssen gilt es und Kosen, |
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Sie singt von nahendem Donnerhall, |
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Sie singt von des Schlachtfelds Rosen, |
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Den Rosen, damit in Todeslust |
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Die Brust, |
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Die Brust der Helden sich schmücket. |
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Drum auf und wohlan: bis frei die Welt, |
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Sei der Himmel ein einig Kriegergezelt |
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Und der Dolch der Rache gezücket! |
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Die Lerche war's, nicht die Nachtigall: |
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So laß, o Jugend, dein Träumen! |
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Und wie von den Bergen mit Jubelschall |
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Die mutigen Wasser entschäumen, |
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Und wie sie jagen ins tiefste Tal |
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Den Strahl, |
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Den silbernen Strahl durchs Gelände: |
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So gib ihr dein Blut, so gib ihr dein Wort, |
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Daß die Erde nicht ganz und gar verdorrt, |
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So gib ihr dein Herz und die Hände! |
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Die Lerche war's, nicht die Nachtigall: |
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Die kecke Gespielin der Wolke |
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Fliegt jauchzend hinter dem Sonnenball, |
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Hoch über dem staunenden Volke; |
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Und unter dem Scheffel bleibt auch nicht |
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Das Licht, |
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Das Licht der Freiheit verborgen; |
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Viel tausend Herzen sind angefacht, |
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Und preiset die Liebe die Sterne der Nacht: |
50 |
Die Völker, sie preisen den Morgen. |
Details zum Gedicht „Morgenruf“
Georg Herwegh
5
50
284
1817 - 1875
Junges Deutschland & Vormärz
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Morgenruf“ wurde von Georg Herwegh, einem deutschen Dichter der Revolution von 1848, verfasst. Herwegh wurde am 31. Mai 1817 geboren und starb am 7. April 1875. Daher lässt sich das Gedicht zeitlich in die Mitte des 19. Jahrhunderts einordnen.
Auf den ersten Blick fällt auf, dass das Gedicht durch eine auffallend kämpferische Rhetorik und bildhafte Sprache charakterisiert ist. Das lyrische Ich richtet sich in einer Art Appell an die Leserschaft und betont dabei den Beginn eines neuen Tages, symbolisiert durch den Sonnenaufgang und das Zwitschern der Lerche, welche den Morgen ankündigt.
Inhaltlich lassen sich in Herweghs Gedicht mehrere Hauptthemen identifizieren. Zum einen ist da die metaphorische Darstellung des anbrechenden Tages, der mit der Anwesenheit der Lerche und dem Aufgehen der Sonne beschrieben wird. Dieser steht sinnbildlich für den Beginn einer neuen Ära, der die Nacht - und damit die vorherige, düstere Zeit - beendet. Hier drückt sich der Glaube an Fortschritt und Verbesserung aus.
Zum anderen handelt das Gedicht vom Kampf. Der „blutige“ Ende der Nacht, der „flammende Schwert“, das „heilige Feuer“, das „Schlachtfelds Rosen“ und der „Dolch der Rache“ sind nur einige der markanten Begriffe, die das Gedicht durchziehen. Sie zeichnen das Bild einer bevorstehenden Schlacht und sind unmissverständliche Auf- und Einrufungen zum Kampf und Widerstand. Hier artikuliert sich der revolutionäre Geist Herweghs, der zum aktiven Ringen um Freiheit und Gerechtigkeit aufruft.
Formal besteht das Gedicht aus fünf Strophen zu je zehn Versen. Sprachlich fällt eine rhythmische und melodische Gestaltung auf, die das Lesen des Gedichts flüssig macht und an den Gesang der Lerche erinnern lässt. Die vielen Metaphern und Bilder verstärken die Ausdruckskraft des Gedichts und laden zum Nachdenken und Interpretieren ein.
Alles in allem lässt sich „Morgenruf“ als ein poetischer Aufruf zur Revolution lesen, der auch aufgrund seines historischen Kontextes (Vormärz, 1848er Revolution) durch eine sehr kämpferische und hoffnungsvolle Rhetorik besticht. Herwegh gelingt es, das politische Motiv der Revolution in lyrischer Form auszudrücken und Leser*innen zur Reflexion und zum Handeln anzuregen.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Morgenruf“ des Autors Georg Herwegh. Geboren wurde Herwegh im Jahr 1817 in Stuttgart. Das Gedicht ist in der Zeit von 1833 bis 1875 entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zugeordnet werden. Der Schriftsteller Herwegh ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 284 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 50 Versen. Die Gedichte „Der schlimmste Feind“, „Die Arbeiter an ihre Brüder“ und „Die Partei“ sind weitere Werke des Autors Georg Herwegh. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Morgenruf“ weitere 200 Gedichte vor.
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- Der schlimmste Feind
- Die Arbeiter an ihre Brüder
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Zum Autor Georg Herwegh sind auf abi-pur.de 200 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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