Zukunftslied von Georg Herwegh
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Übermüt'ge Triumphierer, |
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Weh euch, wenn ihr's noch nicht fühlt, |
3 |
Wie der treffliche Minierer |
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Schon den Boden unterwühlt, |
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Daß ihr in der Geisterstunde |
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Kläffend unser Ohr zerreißt! |
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Doch wir wissen, ihr seid Hunde, |
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Und ihr glaubt an keinen Geist. |
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Aber kommen wird ein Pfingsten |
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Donnernd über euer Haupt |
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Und ein Festtag der Geringsten, |
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Der des Hochmuts Stamm entlaubt. |
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Der sich lange selbst vergessen, |
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Ist am Ziel der Unglücksbahn, |
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Und der Mensch, der sie durchmessen, |
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Kommt beim Menschen endlich an. |
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Fort mit eurer Ahnenbilder |
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Übernächtigem Gesicht! |
19 |
Geht und pflanzt in eure Schilder, |
20 |
Ritter, ein Vergißmeinnicht! |
21 |
Nur ein Ritter ohne Tadel, |
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Nur ein Priester soll noch sein: |
23 |
Für die ganze Welt den Adel! |
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Für die Menschheit Brot und Wein! |
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Keine Steuern, keine Zölle, |
26 |
Des Gedankens Freiverkehr! |
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Keinen Teufel in der Hölle, |
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Keinen Gott im Himmel mehr! |
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Nieder mit dem Blutpokale, |
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Drin der Kirche Wahnwitz kreist! |
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Ein Kolumb zerbricht die Schale, |
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Wenn er eine Welt beweist. |
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33 |
Einmal noch uns aufzuraffen |
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Zu des Lebens Maienlust, |
35 |
Reißen wir das Schwert der Pfaffen |
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Aus der Menschheit wunder Brust! |
37 |
Zwischen Jägern und Gehetzten |
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Sei entbrannt die wilde Schlacht, |
39 |
Bis man Frieden auf dem letzten |
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Eingestürzten Tempel macht. |
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41 |
Zittert, zittert, blöde Toren, |
42 |
Vor der Zukunft eh'rnem Tritt |
43 |
Ja, die Zeit ist neu geboren, |
44 |
Ja, und ohne Kaiserschnitt; |
45 |
Und erobert wird das Leben, |
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Und wir jubeln gloria: |
47 |
Alle Schulden sind vergeben, |
48 |
Denn kein Gläubiger ist da. |
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49 |
Durch die Wolken seh ich's tagen, |
50 |
Und die Nebel, sie verwehn; |
51 |
Mit dem Pegasus am Wagen |
52 |
Muß es endlich vorwärtsgehn. |
53 |
Eine Phalanx laßt uns schlingen, |
54 |
Die kein Henker brechen kann, |
55 |
Und wie jener Römer singen, |
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Nur: die Waffen und den Mann! |
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Ungestüm in tausend Gliedern, |
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Tausend Adern glüht der Streit, |
59 |
Und ein Arsenal von Liedern |
60 |
Liegt in Deutschland kampfbereit. |
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Denn wir wissen, die Erhörung |
62 |
Wird kein Flehender empfahn: |
63 |
Drum die Fahne der Empörung |
64 |
Trag die Poesie voran! |
Details zum Gedicht „Zukunftslied“
Georg Herwegh
8
64
303
1817 - 1875
Junges Deutschland & Vormärz
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Zukunftslied“ wurde von Georg Herwegh geschrieben, einem deutschen Dichter des Vormärz, der für seine revolutionäre Lyrik bekannt war. Herwegh lebte von 1817 bis 1875. Angesichts des rahmengebenden historischen Kontexts stellt das Gedicht eine Sozialkritik dar, insbesondere gegen den Adel, die Kirche und den Monarchen, institutionelle Mächte des damaligen Deutschlands.
Das Gedicht hinterlässt einen ersten Eindruck von starkem Aufruhr und massivem Wandel. Es ruft zu entschiedenem Handeln auf und drückt unverkennbar revolutionäre Stimmungen aus, die charakteristisch für die demokratischen und sozialen Reformkämpfe der Zeit waren.
Herwegh verwendet das lyrische Ich, um den Unmut gegen die Autoritäten zum Ausdruck zu bringen und eine rebellische Stimmung hervorzurufen. Zunächst richtet sich das lyrische Ich gegen die „Übermüt'gen Triumphierer“, das könnten die Reichen und Mächtigen sein, und verspricht eine bevorstehende Machtverschiebung (Verse 1-8). Es wird deutlich hervorgehoben, dass die sozial Benachteiligten - die „Geringsten“ - eines Tages triumphieren werden (Verse 9-16). In den weiteren Strophen wird das Image einer neuen Welt ohne kirchlichen Schwindel (Verse 25-32), einen Aufruf zum Kampf (Verse 33-40), und die Aussicht auf eine Welt ohne Schuld (Verse 41-48) entwickelt. Das Gedicht endet mit einer Aufforderung zum Aufstand und mit der Vorstellung von Poesie als Symbol der Rebellion (Verse 49-64).
Formal besteht das Gedicht aus acht Strophen mit jeweils acht Versen. Es bedient sich einer lebendigen und konfrontativen Sprache, die sich durch den häufigen Gebrauch von Ausrufen und Befehlen auszeichnet („Zittert, zittert, blöde Toren“, „Fort mit eurer Ahnenbilder“). Diese Befehle dienen dazu, den revolutionären Geist des Gedichts zu unterstreichen. Zudem ist die Sprache des Gedichts bildreich, etwa in der Beschreibung der bevorstehenden Umwälzungen und der Macht, die das Volk in der Revolution erlangen wird („Durch die Wolken seh ich's tagen“, „Einmal noch uns aufzuraffen“). Herweghs Verwendung von symbolischen und mythologischen Anspielungen (wie der Bezug auf den Pegasus und Kolumbus) verleiht dem Text eine zusätzliche Dimension und erzeugt zugleich eine universelle, zeitlose Resonanz.
„Zukunftslied“ ist ein Beispiel für die politisierte Dichtung des Vormärz und bringt die revolutionären Sehnsüchte und Bestrebungen ihrer Zeit zum Ausdruck. Es ist offen konfrontativ und ankündigend, voller Kraft und Entschlossenheit für den gesellschaftlichen Wandel.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Zukunftslied“ des Autors Georg Herwegh. Im Jahr 1817 wurde Herwegh in Stuttgart geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1833 bis 1875 entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Junges Deutschland & Vormärz zu. Der Schriftsteller Herwegh ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 303 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 64 Versen. Die Gedichte „Das Lied vom Hasse.“, „Den Siegestrunknen.“ und „Der arme Jakob und die kranke Lise.“ sind weitere Werke des Autors Georg Herwegh. Zum Autor des Gedichtes „Zukunftslied“ haben wir auf abi-pur.de weitere 200 Gedichte veröffentlicht.
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Zum Autor Georg Herwegh sind auf abi-pur.de 200 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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