Mein Deutschland, strecke die Glieder! von Georg Herwegh

Mein Deutschland, strecke die Glieder
Ins alte Bett, so warm und weich;
Die Augen fallen dir nieder,
Du schläfriges deutsches Reich.
 
Hast lange geschrien dich heiser
Nun schenke dir Gott die ewige Ruh!
Dich spitzt ein deutscher Kaiser
Pyramidalisch zu.
 
O Freiheit, die wir meinen,
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O deutscher Kaiser, sei gegrüßt!
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Wir haben auch nicht einen
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Zaunkönig eingebüßt.
 
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Sie sind uns alle verblieben;
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Und als wir nach dem Sturm gezählt
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Die Häupter unsrer Lieben,
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Kein einziges hat gefehlt.
 
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Deutschland nimmt nur die Hüte
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Den Königen ab, das genügt ihm schon;
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Der Deutsche macht in Güte
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Die Revolution.
 
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Die Professoren reißen
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Uns weder Thron noch Altar ein;
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Auch ist der Stein der Weisen
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Kein deutscher Pflasterstein.
 
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Wir haben, was wir brauchen;
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Gesegnet sei der Völkerlenz!
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Wir dürfen auch ferner rauchen
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In unsrer Residenz.
 
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Wir haben Wrangels Säbel,
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Berlin und seinen Wolkensteg;
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Das Maultier sucht im Nebel
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Noch immer seinen Weg.
 
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Wie freun sich die Eunuchen!
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Die bilden jetzo den ersten Stand,
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Der Welcker frißt die Kuchen
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Den Königen aus der Hand.
 
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Du hältst dir einen Gesandten,
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Deutschland, im Stillen Ozean
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Und fühlest den Elefanten
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In Indien auf den Zahn.
 
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Die Fragen sind erledigt,
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Die Pfaffen machen bim bam bum;
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Den Armen wird gepredigt
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Das Evangelium.
 
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Wir bauen dem lieben Gotte
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Den hohen Dom zu Cöllen aus
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Und geben eine Flotte
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Auf Subskription heraus.
 
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Die schwarz-rot-goldnen Wimpel
50 
Besorgt der Jakob Venedey,
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Als Wappen nahm er den Gimpel,
52 
Sein eignes Konterfei.
 
53 
Fünfhundert Narrenschellen
54 
Zu Frankfurt spielen die Melodie:
55 
Das Schiff streicht durch die Wellen
56 
Der deutschen Phantasie.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.9 KB)

Details zum Gedicht „Mein Deutschland, strecke die Glieder!“

Anzahl Strophen
14
Anzahl Verse
56
Anzahl Wörter
253
Entstehungsjahr
1817 - 1875
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Mein Deutschland, strecke die Glieder!“ wurde von Georg Herwegh, einem deutschen Dichter und Schriftsteller des Vormärz, geschrieben. Herwegh lebte von 1817 bis 1875, daher lässt sich das Gedicht zeitlich in die Mitte des 19. Jahrhunderts einordnen. Es entstand in einer Zeit politischer Unruhe und sozialer Veränderung, die in der Revolution von 1848/49 gipfelten.

Auf den ersten Eindruck hin scheint das Gedicht eine ironische und kritische Betrachtung des damaligen Deutschlands zu sein. Herwegh spricht Deutschland als schlafendes Reich an und hebt hervor, dass es sich trotz aufkommender Unruhe und Aufruhr nicht wirklich verändert hat.

Inhaltlich taucht das lyrische Ich in das politische und soziale Klima des 19. Jahrhunderts ein. Kritisch setzt es sich mit der Haltung Deutschlands gegenüber der Revolution auseinander. Es wird auf eine eher passive Haltung gegenüber den Königen und dem Status quo hingewiesen, die Revolution wird mit Güte gemacht, was möglicherweise auf eine Mangel an radikalen Veränderungen hindeutet. Die Schlaf- und Ruhemotive kommen in dem Gedicht mehrmals vor und könnten auf ein Trägheitsgefühl des lyrischen Ich gegenüber dem damaligen politischen System hinweisen.

In Sachen Form und Sprache fallen verschiedene Dinge auf. Das Gedicht besteht aus vierzeiligen Strophen, es hat keinen Reim. Die Sprache ist einfach, aber pointiert und ironisch. Der Ton und die Form des Gedichts sind sehr traditionell, was sich in einer Zeit des politischen und sozialen Umbruchs als besonders effektiv erweist, um seine Botschaft zu vermitteln. Das lyrische Ich nutzt bildhafte Beschreibungen, um seine Aussagen zu verdeutlichen und zu unterstreichen.

Fazit ist, dass das Gedicht eine scharfe und ironische Kritik an der Haltung Deutschlands gegenüber Veränderung und Revolution zu dieser Zeit darstellt. Es ist eine Erinnerung an die Trägheit und Unbeweglichkeit, die oft in Zeiten der Unruhe auftreten kann.

Weitere Informationen

Georg Herwegh ist der Autor des Gedichtes „Mein Deutschland, strecke die Glieder!“. Herwegh wurde im Jahr 1817 in Stuttgart geboren. Im Zeitraum zwischen 1833 und 1875 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Junges Deutschland & Vormärz kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Herwegh ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 253 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 56 Versen mit insgesamt 14 Strophen. Der Dichter Georg Herwegh ist auch der Autor für Gedichte wie „Der arme Jakob und die kranke Lise.“, „Der schlimmste Feind“ und „Die Arbeiter an ihre Brüder“. Zum Autor des Gedichtes „Mein Deutschland, strecke die Glieder!“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 200 Gedichte vor.

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