Ostermorgen von Emanuel Geibel

Die Lerche stieg am Ostermorgen
Empor ins klarste Luftgebiet
Und schmettert', hoch im Blau verborgen,
Ein freudig Auferstehungslied.
Und wie sie schmetterte, da klangen
Es tausend Stimmen noch im Feld:
Wach auf, das Alte ist vergangen,
Wach auf, du froh verjüngte Welt!
 
Wacht auf und rauscht durchs Tal, ihr Bronnen,
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Und lobt den Herrn mit frohem Schall!
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Wacht auf im Frühlingsglanz der Sonnen,
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Ihr grünen Halm' und Läuber all!
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Ihr Veilchen in den Waldesgründen,
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Ihr Primeln weiß, ihr Blüten rot,
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Ihr sollt es alle mit verkünden:
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Die Lieb' ist stärker als der Tod.
 
17 
Wacht auf, ihr trägen Menschenherzen,
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Die ihr im Winterschlafe säumt,
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In dumpfen Lüften, dumpfen Schmerzen
20 
Ein gottentfremdet Dasein träumt!
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Die Kraft des Herrn weht durch die Lande
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Wie Jugendhauch, o, laßt sie ein!
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Zerreißt wie Simson eure Bande,
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Und wie die Adler sollt ihr sein.
 
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Wacht auf, ihr Geister, deren Sehnen
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Gebrochen an den Gräbern steht,
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Ihr trüben augen, die vor Tränen
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Ihr nicht des Frühlings Blüten seht,
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Ihr Grübler, die ihr fernverloren,
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Traumwandelnd irrt auf wüster Bahn,
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Wacht auf! Die Welt ist neugeboren,
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Hier ist ein Wunder, nehmt es an!
 
33 
Ihr sollt euch all des Heiles freuen,
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Das über euch ergossen ward!
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Es ist ein inniges Erneuen
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Im Bild des Frühlings offenbart.
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Was dürr war, grünt im Wehn der Lüfte,
38 
Jung wird das Alte fern und nah,
39 
Der Odem Gottes sprengt die Grüfte —
40 
Wacht auf! Der Ostertag ist da.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.6 KB)

Details zum Gedicht „Ostermorgen“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
234
Entstehungsjahr
1815 - 1884
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Ostermorgen“ wurde von Emanuel Geibel verfasst, der von 1815 bis 1884 lebte. Dies bedeutet, dass das Gedicht in einer Zeit entstand, die geprägt war von großer politischer und gesellschaftlicher Veränderung in Deutschland und ganz Europa, der Epoche des Vormärz und der sich anschließenden Revolutionen von 1848.

Der erste Eindruck des Gedichts weckt eine Atmosphäre von Neuanfang und Erneuerung. Dies ist stark verknüpft mit der Natur und dem Ostermorgen, einem christlichen Fest das Auferstehung und Neubeginn feiert.

Der Inhalt des Gedichts konzentriert sich auf das Erwachen der Natur und das Leben, repräsentiert durch den Ostermorgen. Das lyrische Ich, durch sein Ausrufen, fordert die Welt zum Erwachen auf, beginnend mit der Lerche, die ein „freudig Auferstehungslied“ singt, bis hin zu den „trägen Menschenherzen“ und den „trüben Augen“. Sie alle werden eingeladen, ihre Banden zu zerreissen, ihre Tränen zu überwinden und den Frühling, das Symbol der Erneuerung, zu genießen.

Die Form des Gedichts ist gekennzeichnet durch die Wiederholung des Aufrufs zum Erwachen, die als Aufforderung zur Erneuerung und zur Veränderung verstanden werden kann. Zudem ist die Anzahl der Verse in jeder Strophe gleich, was eine harmonische Struktur erzeugt.

Die Sprache des Gedichts ist reich an Naturbildern, was dazu beiträgt, die Atmosphäre des Frühlings und der Erneuerung zu schaffen. Die häufige Verwendung des Aufrufs „Wacht auf“ dient dazu, die Aufmerksamkeit und das Bewusstsein des Lesers für die Schönheit und das Potenzial des Lebens zu stärken, das im Frühling und besonders am Ostermorgen zum Ausdruck kommt. Daraus lässt sich folgern, dass das lyrische Ich durch dieses Gedicht die Kraft der Hoffnung, der Erneuerung und der Liebe über den Tod hinaus betonen möchte.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Ostermorgen“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Emanuel Geibel. Geboren wurde Geibel im Jahr 1815 in Lübeck. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1831 und 1884. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus oder Naturalismus zugeordnet werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das vorliegende Gedicht umfasst 234 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 40 Versen. Die Gedichte „Mittagszauber“, „Hoffnung“ und „Entschwunden“ sind weitere Werke des Autors Emanuel Geibel. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Ostermorgen“ weitere 67 Gedichte vor.

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