Arbeitergruß von Ferdinand von Saar

Vom nahen Eisenwerke,
Berußt, mit schwerem Gang,
Kommt mir ein Mann entgegen
Den Wiesenpfad entlang.
 
Mit trotzig finstrer Miene,
Wie mit sich selbst im Streit,
Greift er an seine Mütze –
Gewohnheit alter Zeit.
 
Es blickt dabei sein Auge
10 
Mir musternd auf den Rock,
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Und dann beim Weiterschreiten
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Schwingt er den Knotenstock.
 
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Ich ahne, was im Herzen
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Und was im Hirn ihm brennt:
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?Das ist auch einer", denkt er,
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?Der nicht die Arbeit kennt."
 
17 
?Lustwandelnd hier im Freien,
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Verdaut er üpp'ges Mahl,
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Indes wir darbend schmieden
20 
Das Eisen und den Stahl."
 
21 
?Er sucht den Waldesschatten,
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Da wir am Feuer stehn
23 
Und in dem heißen Brodem
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Langsam zugrunde gehn."
 
25 
?Der soll es noch erfahren,
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Wie es dem Menschen tut,
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Mußt er das Atmen zahlen
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Mit seinem Schweiß und Blut!" –
 
29 
Verziehen sei dir alles,
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Womit du schwer mich kränkst –
31 
Verziehen sei dir's gerne:
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Du weiß nicht, was du denkst.
 
33 
Du hast ja nie erfahren
34 
Des Geistes tiefe Müh'n
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Und ahnst nicht, wie die Schläfen
36 
Mir heiß vom Denken glühn.
 
37 
Du ahnst nicht, wie ich hämm're
38 
Und feile Tag für Tag –
39 
Und wie ich mich verblute
40 
Mit jedem Herzensschlag!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.6 KB)

Details zum Gedicht „Arbeitergruß“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
189
Entstehungsjahr
1833 - 1906
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Ferdinand von Saar, ein österreichischer Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, ist der Autor des hier vorliegenden Gedichts „Arbeitergruß“. Auf den ersten Blick entsteht der Eindruck einer Begegnung zwischen zwei Menschen, die unterschiedlichen sozialen Schichten angehören, nämlich dem Arbeitenden und dem Denkenden.

Das Gedicht beschreibt eine Begegnung zwischen dem lyrischen Ich und einem Arbeiter, der aus dem nahen Eisenwerk kommt. Der Arbeiter, mit finsterer Mine und schwerem Gang, grüßt aus alter Gewohnheit. Dabei sieht er misstrauisch auf die Kleidung des lyrischen Ichs und geht dann weiter, seinen Knotenstock schwingend. Dem Lyrischen Ich wird klar, dass der Arbeiter denkt, es kenne die harte Arbeit nicht, es genieße seine Freizeit in der Natur, während der Arbeiter hart arbeitet und unter schlechten Bedingungen leidet.

Das Grunderzählungsgerüst dieses Gedichts zeugt von einem Verständnis für die Klassenunterschiede und -konflikte der Industrialisierungsepoche im 19. Jahrhundert. In dem Gedicht wird eine soziale Kluft zwischen dem Arbeiter und dem lyrischen Ich beleuchtet. Dem lyrischen Ich ist es jedoch wichtig, darzustellen, dass auch das geistige Arbeiten anstrengend und belastend sein kann.

Sprachlich ist das Gedicht in einfacher, verständlicher Sprache verfasst, was die wörtliche und übertragene Bedeutung klar macht. Das lyrische Ich nutzt bildliche Sprache, um die Härte der Arbeit, sowohl körperlich als auch geistig, zu betonen. Dabei folgen die Verse keinem festen Reimschema.

In Sachen Form ist es in Strophen unterteilt, die jeweils aus vier Versen bestehen. Es ist somit ein Gedicht, dessen eher schlichte Form seine deutliche Botschaft hervorhebt. Jede Strophe thematisiert eine bestimmte Aspekt des Konflikts zwischen körperlichem und geistigem Arbeiten. Dabei dominiert das lyrische Ich die letzte inhaltliche Hälfte des Gedichts, um dem Arbeiter seine eigene Sichtweise und Mühen zu erklären.

Insgesamt ist das Gedicht „Arbeitergruß“ von Ferdinand von Saar eine nachdenkliche Darstellung der Klassenunterschiede und der unterschätzten Härte der geistigen Arbeit während der späten industriellen Revolution. Es zeigt, dass Arbeit nicht nur körperlichere Anstrengung bedeutet, sondern dass auch geistige Arbeit eine Herausforderung darstellt.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Arbeitergruß“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Ferdinand von Saar. Der Autor Ferdinand von Saar wurde 1833 in Wien geboren. Zwischen den Jahren 1849 und 1906 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Realismus zuordnen. Bei dem Schriftsteller Saar handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 10 Strophen und umfasst dabei 189 Worte. Weitere Werke des Dichters Ferdinand von Saar sind „Trauer“, „Ottilie“ und „Landschaft im Spätherbst“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Arbeitergruß“ keine weiteren Gedichte vor.

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